"Bad Director": Der Albtraum des deutschen Films

Bild: © Nachtlicht Film

Schonungslos ehrlich: Oskar Roehlers neuer Film ist voller Hohn, aber auch ein Produkt großer Verzweiflung. Und ein Berlin-Hass-Film.

Hätte er damals, mit Anfang dreißig, schon gewusst, was er heute wusste, nämlich dass es überhaupt keinen Sinn hatte, sich anzustrengen, dann hätte er viel Energie gespart, die er heute brauchen könnte und nicht mehr hatte. Aber nein, er war zu dumm gewesen. Er hatte tatsächlich eine Weile geglaubt, Idealist und Romantiker sein und einen auf Kunst machen zu müssen.

Oskar Roehler, Selbstverfickung (2017)

Darüber hab ich ewig nicht nachgedacht, weil es mir völlig wurscht ist.

Oskar Roehler im Focus-Gespräch 2024 auf die Frage, ob der deutsche Film noch zu retten ist.

Wieder mal ist er auf dem Weg zum Deutschen Filmpreis. Er hat gar keine Lust, auf das ganze Geschwafel, die Blender, das falsche Gönnertum, die verlogenen Preisreden, die Selbstbeweihräucherung und Eitelkeit, auf die deutschen Tugenden Geiz, Missgunst und Kleinlichkeit, die dort alle Jahre wieder fröhliche Urständ' feiern.

Also wirft er folgerichtig die Einladung mit der Premierenkarte spontan in den Müll – aber nur, um sie Sekunden später wieder aus dem Mülleimer herauszufischen. Denn er kann von dieser Branche nicht lassen, obwohl er sie aufs Tiefste verachtet und dafür ziemlich viele plausible Gründe hat. Und er hasst sich selbst dafür, dass er von ihr nicht lassen kann.

Hervorragender Beobachter einer Branche aus Vollidioten

Die Rede ist von Gregor Samsa – so heißt er leider wirklich – der Hauptfigur und dem "Bad Director" dieses Films. Die Rede ist aber auch ein bisschen von Oskar Roehler selbst, dem Regisseur und Autor von "Bad Director".

"Bad Director" ist die Filmversion eines Romans, den Roehler vor einigen Jahren geschrieben hatte und mit dem er ziemlich erfolgreich war. Er heißt "Selbstverfickung". Der Roman lohnt sich allein schon wegen seiner wunderbar scharfen, treffenden Berlinale-Kritik und seiner schonungslosen Selbstkritik.

Bad Director (5 Bilder)

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Aber auch wegen des scharfen Blicks auf die Branche. Denn das muss man Oskar Roehler selbst dann lassen, wenn man ihn vielleicht unverständlicherweise nicht mag: Er ist ein sehr guter Beobachter – wenn er will.

Als solcher ist er im Film dann eben auch auf dem deutschen Filmpreis. Dort stellt er bald fest:

"Wenn ich geahnt hätte, dass diese ganze Branche nur aus Vollidioten besteht, hätte ich auch gleich auf dem Bau arbeiten können. Warum tut man sich das an?"

Die Antwort auf diese rhetorische Frage ist klar: Weil er süchtig ist. Weil Film das Allerschlimmste ist für alle, die damit zu tun haben. Aber auch das Allerschönste, was man beruflich machen kann.

Liebe zu Trash und Provokation

Oskar Roehler ist eine schillernde Figur und ohne Frage einer der besten Regisseure des deutschen Gegenwartskinos.

Was er alles kann, das hat er schon oft bewiesen, ob in seinem München-Siegerfilm "Silvester Countdown" vor 25 Jahren oder in Werken wie "Alter Affe Angst", "Agnes und seine Brüder" oder zuletzt der Fassbinder-Hommage "Enfant Terrible", der zu den Filmfestspielen in Cannes eingeladen war – nur leider in der Ausgabe, die wegen der Pandemie ausfallen musste.

Roehler ist die merkwürdige Mischung aus einem Regisseur, der einerseits eine große Liebe zum Trash hat, zum Provozieren und zum Überschreiten roter Linien, und der andererseits seine Arbeit im Gegensatz zu den allermeisten Kollegen wirklich ernst meint. Ähnlich wie Fassbinder.

Er ist nicht einer derjenigen Filmemacher, die auch hätten Metzger werden oder mit Autoreifen handeln können – ohne deswegen Metzgern oder Reifenhändlern zu nahe zu treten. Aber Kunst ist etwas anderes. Das bleibt bei Roehler immer sichtbar.

Mit der Filmbranche hat er sich schon einmal beschäftigt: In "Jud Süß – Film ohne Gewissen" ging es um den Nazi-Regisseur Veit Harlan und seinen Star Ferdinand Marian.

Absurde Komödie übers Filmemachen

Sein neuer Film ist wieder ein typischer "Film im Film"-Stoff – aber eben in der Gegenwart angesiedelt und nahe an Roehler selbst. Hauptdarsteller Oliver Masucci gelingt es mehr als einmal, mit seinem Regisseur komplett zu verschmelzen und diesem nicht nur äußerlich zum Verwechseln ähnlich zu sehen. Er geht und spricht wie dieser – und jeder, der Röder kennt, kann in diesem Fall nicht völlig trennen zwischen Macher und fiktiver Filmfigur.

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Es gibt großartige Witze über Schauspieler, die immer damit am meisten Probleme machen, dass sie ihre eigenen Ideen haben, anstatt vielleicht einfach mal einfach das zu tun, was der Regisseur von ihnen will und weswegen er sie überhaupt bezahlt.

So ist dies eine absurde Komödie übers Filmemachen, voller Insiderwitze, etwa wenn die von Anna Ratte Polle furios gespielte Hauptdarstellerin in diesem Film mehrere Varianten der Interpretation anbietet: Etwa die "ARD Variante 20:15 Uhr" und dann aber sagt: "Ich kann auch Berliner Schule".

Es ist auch ein Berlin-Film, genau gesagt: ein Berlin-Hass-Film. Denn gerade, weil Berlin sich selbst so toll findet und dafür von allen geliebt werden will, und weil es diesen unsäglichen Berlin-Kitsch gibt, an den die Stadt selbst glaubt, und der ihr aus jeder Ritze trieft, weckt sie Aggressionen:

"Der einzige Vorteil, den diese Stadt hatte: Puffs gab es wirklich genug."

Die Verzweiflung, die den ganzen deutschen Film erfasst hat

In seiner grundsätzlichen Albernheit ist dies auch zugänglich für Zuschauer, die nicht alle Anspielungen verstehen.

Allerdings ist dies auch in seinem Humor ein sehr deutscher Film – manchmal sind die Witze schon etwas sehr knallig und platt und nicht so weit entfernt von den "Supernasen-Filmen" der 1980er, wie es Oskar Roehler vielleicht lieb wäre.

Manches, was im Roman gut ist, funktioniert nicht auf der Kinoleinwand. Ein Billy Wilder "Eins Zwei Drei" oder eine "Film im Film"-Komödie à la "Die amerikanische Nacht" von Truffaut ist dies nicht geworden. Dazu hätte Roehler mehr Leichtigkeit gebraucht und Gelassenheit – aber wenn Roehler irgendwas nicht ist, dann gelassen. Er will etwas, er ist leidenschaftlich, das spricht unbedingt für ihn.

Am Ende ist dieser Film nämlich nicht nur ein Produkt absoluter Ehrlichkeit, geradezu selbstverletzender Ehrlichkeit, sondern auch ein Produkt großer Verzweiflung. Der Verzweiflung, die längst den ganzen deutschen Film erfasst hat, die sich aber kaum jemand traut, so genau und offen und schmerzhaft auszusprechen, wie Roehler es hier tut.

Was man hier sieht, ist ein verfilmter Albtraum. Es ist der Albtraum des deutschen Films.