Der Terroristenführer, der nicht einmal schießen kann

Das Pentagon versucht mit Gegenpropaganda, das Ansehen von al-Sarkawi zu untergraben - mit der medialen Waffe des Spotts

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Als al-Sarkawi, der al-Qaida-Führer im Irak, letzthin ein Video im Internet postete, um seine Präsenz und die Schlagkraft seiner Truppe zu demonstrieren (Sarkawi tritt erstmals in einem Video auf), benutzte er auch ein US-amerikanisches Gewehr, hatte allerdings Schwierigkeiten, mit diesem zu schießen. Anlass für das Pentagon, den Versuch einer Gegenpropaganda zu starten (Niederlage im Medienkrieg), und für viele Medien und Blogs, sich endlich einmal über den Terroristenfürsten lustig zu machen, der nicht einmal mit einem Maschinengewehr umgehen und schießen kann. Abu Tolpatsch al-Sarkawi titelte etwa der Spiegel.

Die Reaktion mag verständlich sein. Lange Zeit wurde al-Sarkawi, über den viele Geschichten kursierten und von dem lange Zeit nicht einmal sicher war, ob er noch lebt, nach Bin Laden und Saddam Hussein als der große Gegenspieler der USA aufgebaut. Ihm wurden die meisten und schlimmsten Terroranschläge zugeschrieben. Nachdem nun das Gespenst sich in einem Video erstmals gezeigt hat, hat er sich selbst vom Sockel gestoßen. Der geheimnisvolle Böse aus Jordanien offenbart sich als normaler Terrorist – und das Pentagon präsentiert zudem Video-Ausschnitte, in denen der Sarkawi hämisch ein Gewehr der Amerikaner präsentiert, aber mit diesem auch nicht umgehen kann. So lässt sich über den Bösen endlich lachen.

Das Pentagon hatte erstaunlich schnell nach Bekanntwerden des Sarkawi-Videos das Rohmaterial angeblich bei einer Razzia gefunden und präsentiert das Video unter dem Titel: „Al-Qaida's Iraq frontman Abu Musab al-Zarqawi incapable of using his Weapon“. Dort ist zu sehen, dass der Terrorfürst nicht gleich mit dem amerikanischen Gewehr – einer M249-SAW nach der New York Times - schießen kann, sondern ihm erst von einem Mitstreiter geholfen werden muss. Er sei „weit davon entfernt, ein fähiger militärischer Führer zu sein“, kommentierte General Lynch. Ganz dazu passt freilich nicht, dass Sarkawis Leute, wie im Video zu sehen, nicht nur recht offen, ruhig und martialisch bewaffnet im Irak herumspazieren können und sich offenbar aus Überfällen amerikanische Waffen besorgt haben, sondern dass Lynch selbst auch meinte, 90 Prozent der Selbstmordanschläge im Irak würden von Ausländern durchgeführt werden, die nach Sarkawis Anleitungen vorgingen.

Wie die New York Times schreibt ist die Vorführung von Sarkawi als unfähiger Terrorist vom Pentagon natürlich als gezielte Diskreditierung inszeniert worden, um seine – durchaus auch von der US-Regierung lange Zeit betriebene – Mythisierung und angebliche Macht zu untergraben. So habe Michael Waller vom Institute of World Politics, der sich mit der Bedeutung von Stolz und Scham in der arabischen Kultur beschäftigt hat, in einem Papier, das im Pentagon zirkulierte, empfohlen, sich über Terroristen lustig zu machen. Damit würde sein Ansehen in der arabischen Welt beschädigt werden können.

Nun haben aber in den USA Veteranen und Angehörige des Pentagon davor gewarnt, aus den Problemen mit dem Maschinengewehr die Inkompetenz des Terroristenführers ablesen zu wollen. Die Waffe sei kompliziert, US-Soldaten müssten eine ganze Weile damit trainieren, um auch nur die grundlegenden Fähigkeiten zur Bedienung zu lernen, zudem habe es sich um ein älteres Modell gehandelt, das vielleicht auch beschädigt ist. Sarkawi sei geschult an einfacheren russischen Waffen, die er Zeit seines Terroristendaseins verwendet habe. Beunruhigend sei schon eher, dass Sarkawi noch nicht gefasst sei und weiter im Irak agieren könne. Wenn dem US-Militär andererseits das Video-Material nicht zugespielt wurde, sondern es tatsächlich während einer Razzia gefunden wurde, dann scheint man ihm dicht auf den Fersen zu sein. Darüber aber wurde nichts bekannt.