Gegen "Spitzeln unter Freunden" hilft nur Brüssel

Die logische Konsequenz aus der Spähaffäre des BND kann nur eine Übertragung der Geheimdienstaufgaben an europäische Institutionen sein

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Die Franzosen haben Wirtschaftsspionage im Programm, der BND hilft der NSA beim Ausspähen französischer Diplomaten, der britische GHCQ spitzelt als Teil der so genannten Five Eyes ohnehin gegen den Rest Europas -- gegen den nationalstaatlichen Schnüffelwahnsinn der Europäer nach dem Schema jeder gegen jeden und alle mit den USA kann nur eine Integration von Geheimdienstaufgaben in gemeinsame europäische Institutionen helfen.

Das mag in Zeiten von Griechenland-Pleite, sicher bevorstehendem Brexit-Referendum der Briten und allgemeinem Europa-Verdruss verrückt klingen. Aber wenn man die Idee Europas als einem Gegengewicht gegen die Großmächte wie China, Indien, Russland oder eben auch die USA ernst nimmt, dann führt eigentlich kein Weg an einem gemeinsamen Nachrichtendienst unter Kontrolle des Europäischen Parlaments vorbei. Im Gegenzug müssten nationale Behörden wie der BND abgeschafft werden, weil sie überflüssig sind.

Der jetzige Zustand, dass die Auslandsgeheimdienste von EU-Staaten andere EU-Mitglieder ausforschen, gar US-Geheimdiensten bei Wirtschaftsspionage gegen Unternehmen wie EADS behilflich sind, wie dies offenbar der BND war, laufen der Gründungsidee der Union zuwider und muten regelrecht skurril an.

Zur Erinnerung: EADS ist ein europäischer Konzern, gegründet von Briten, Franzosen und Deutschen gemeinsam, beispielsweise um US-Konzernen wie Boeing auf den Weltmärkten Paroli bieten zu können. Die Bundesregierung verfolgt bei EADS eigene Interessen für den Wirtschafts- und Forschungsstandort. Da wirkt es mehr als grotesk an, ausgerechnet einem US-Dienst bei der Schnüffelei gegen die Konzernzentrale behilflich zu sein, nur weil diese im französischen Toulouse angesiedelt ist und nicht in München oder Hamburg.

Dieses national bornierte Possenspiel der Schlapphüte könnte im Zuge ernsthafter Integration auch geheimdienstlicher Aufgaben in Brüssel ein verdientes Ende finden. Dumm nur, dass sich gerade die Kommission in Sachen wechselseitiger Spitzeleien der nationalen Geheimdienste ausgesprochen schwach zeigt. Dabei wäre sie als Hüterin der Verträge schon jetzt in der Pflicht, diese nicht nur gegen den Geist der Union, sondern auch gegen ihre Gesetze verstoßenden Umtriebe einzelner Mitglieder entschieden entgegen zu treten. Denn die massenhafte Weiterleitungen des E-Mail- und Internetverkehrs europäischer Bürger an die NSA durch den Britischen Geheimdienst GHCQ oder den BND verstößt mit Sicherheit gegen die Mindeststandards der europäischen Datenschutzrichtlinie. Abmahnungen, Vertragsverletzungsverfahren, Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof und empfindliche Geldstrafen müssten die logische Konsequenz bei solchem Fehlverhalten einzelner Mitgliedsstaaten sein.

Doch es sind ausgerechnet die Großen, Deutschland, Frankreich das Vereinigte Königreich. Ihr Einfluss ist zu groß, als dass die Kommission gegen sie ernsthaft etwas unternehmen würde. Daran könnte nur ein gemeinsamer Aufstand der Kleinen etwas ändern. Wien scheint immerhin einen Anfang zu wagen (Österreich klagt wegen BND-Ausspähung). Aber gerade auch die im früheren Einflussbereich der Sowjetunion gelegenen jüngeren Mitgliedsstaaten müssten aufgrund ihrer Erfahrungen mit KGB und Securitate gegen die allumfassende Bespitzelung ihrer Regierungen und ihrer Bürger eigentlich in Brüssel Sturm laufen und die Kommission zum Jagen tragen.