Gewinner und Verlierer

Barack Obama erreicht eine Mehrheit der gewählten Delegierten und John McCain kämpft mit sich selbst

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Bei den Vorwahlen im Hinterwäldler- und Schnapsbrennerstaat Kentucky gewann wie erwartet Hillary Clinton; in Oregon, das nicht nur geographisch in der Nähe von Nordkalifornien liegt, dagegen nach CNN-Prognosen vom frühen Morgen der klare Favorit Obama.

Mit mehr Spannung als die Wahlergebnisse wurden zwei andere Ereignisse erwartet: Die Lösung der Frage, ob Hillary Clinton den Sieg in Kentucky für einen "ehrenvollen" Ausstieg nutzt (was sie nicht tat) und Barack Obamas "Krönungsfeier" in Iowa. Die Festivität in dem Bundesstaat, in dem die Vorausscheidungen begannen, hatte sein Wahlkampfteam mit dem Hinweis angekündigt, dass der Senator aus Illinois nur noch 17 gewählte Delegierte benötigen würde, um auf eine absolute Mehrheit der 3253 fest verpflichteten Wahlmänner zu kommen. Da die 60 beziehungsweise 65 Delegierten in Kentucky und Oregon nach Stimmanteilen vergeben werden, hätte Obama diese Zahl auch mit einem weitaus schlechteren Ergebnis erreicht, als dem heute erzielten.

In diese Rechnung sind allerdings die Superdelegierten noch nicht mit einbezogen, die sich frei entscheiden, ihre Wahl bis zum Schluss ändern und die Verhältnisse durchaus noch umstoßen können. Deshalb sollte in der Zeremonie nicht die Nominierung gefeiert werden, sondern die Tatsache, „dass die Wähler einem der Kandidaten eine absolute Mehrheit gaben“ – laut Obama „das, worum es in dem Prozess der Vorwahlen und Caucuses geht.“ Sein Wahlkampfmanager Jon Carson predigte bereits seit längerem die Doktrin, dass nur derjenige Kandidat, welcher die Mehrheit der gewählten „Pledged Delegates“ erreicht, nominiert werden sollte – alles andere wäre seiner Ansicht nach Betrug am Wähler.

Doch auch unter den Parteifunktionären, die das Gros der Superdelegierten stellen, scheint Clintons Rückhalt zu schwinden: John Edwards empfahl in der letzten Woche trotz politischer Differenzen in Sachen Pläne für eine Krankenversicherung explizit Obama. In der NBC-Sendung Today schloss er eine Kandidatur als Vizepräsident aus, meinte aber, dass Obama gesagt habe, er wolle ihn nicht nur für den Wahlkampf, sondern auch für die Regierungsarbeit danach im „Team“ haben

Obama kündigte währenddessen an, die nächsten Tage in Florida zu verbringen, einem wichtigen "Swing State" in dem sich die Präsidentschaftswahl im November voraussichtlich mit entscheiden wird. Dass er sich gerade auf diesen Bundesstaat konzentriert, könnte aber noch einen anderen Grund haben: Ende Mai soll die Partei endgültig darüber entscheiden, ob und in welcher Form die demokratischen Wähler dort noch für die Entscheidung auf dem Nominierungsparteitag im August herangezogen werden.

Appeasement, Lobbyisten, Waffen und Religion

Auch thematisch konzentriert sich Obama bereits auf die Auseinandersetzung mit dem republikanischen Kandidaten John McCain – ebenso wie dieser sich bereits auf Obama eingeschossen hat. Die Darstellung des Demokraten als „Appeasement“-Politiker erwies sich für den Republikaner jedoch als Bumerang: Zwei Jahre zuvor hatte nämlich McCain dem britischen Sender Sky News ein Interview gegeben, in dem er im Hinblick auf die Hamas meinte, man müsse sich der Realität stellen und mit den Politikern reden, die an der Macht sind.

Auch auf einem anderen ehemaligen Kerngebiet musste McCain kräftig einstecken: Der Kandidat, der eigentlich mit dem Schlachtruf angetreten war, die Einflussnahme von Unternehmen in ihre Grenzen zu weisen, hat nun schon den vierten Lobbyistenskandal am Hals: Nach Vicki Iseman (für deren Klienten der Senator offizielle Briefe an die Rundfunkaufsicht FCC geschrieben hatte), Doug Goodyear (der für die DCI Group arbeitete, die das Image von Birmas Militärregierung verbessern sollte) und McCains ehemaligen energiepolitischen Berater Eric Burgeson (der als Lobbyist Energiekonzerne vertrat), war es nun einer seiner Finanzverwalter, der ehemalige texanische Kongressabgeordnete Thomas Loeffler, der sich am Wochenende aus seiner Mannschaft verabschieden musste. Seit Sommer 2007, als McCains Kampagne vor dem finanziellen Aus stand, war Loeffler einer von McCains wichtigsten Spendensammlern. Zu den Klienten seiner Lobby-Firma gehört unter anderem EADS, die Mutterfirma des Flugzeugherstellers Airbus. Im März war McCain unter Beschuss geraten, weil er daran mitgewirkt hatte, dass ein lukrativer Regierungsauftrag für Auftankflugzeuge der Air Force nicht wie erst geplant an Boeing, sondern an die europäische Firma ging.

Einem Newsweek-Bericht zufolge, machte Loefflers Firma auch Lobbyarbeit für das Regime in Saudi Arabien. Danach war der Lobbyist auch bei einem Treffen zwischen dem Präsidentschaftskandidaten und dem Botschafter des islamistischen Königreiches anwesend – obwohl er im April einem Reporter sagte, er hätte mit McCain niemals über seine Klienten gesprochen. Nun will der Republikaner nur noch solche Lobbyisten in seinem Team belassen, die sich für diese Tätigkeit offiziell Urlaub nahmen: Darunter der Wahlkampfmanager Rick Davis, der vorher russische Industrielle vertrat, und Charlie Black, laut Yahoo News einer der profiliertesten Lobbyisten Washingtons.

Bei einem Treffen der NRA in Louisville versuchte McCain auf einem anderen Feld Boden gut zu machen, auf dem ihm ebenfalls Äußerungen aus der Vergangenheit im Wege standen: Der Veteran hatte nämlich früher mehrfach angekündigt, Einschränkungen für den Verkauf von Waffen auf Gun Shows einführen zu wollen - nun stellte er sich als jemanden dar, der seit Jahrzehnten gegen Verbote von Waffen, Munition und Zeitschriften kämpfen würde, die bei einem Wahlsieg von Clinton oder Obama sicher zu erwarten seien. Ob dem tatsächlich so wäre, lässt sich nur schwer erahnen: Die Demokraten sparten dieses Thema nach schlechten Wahlkampferfahrungen damit bisher fast komplett aus.

Auch der “zweitbeste” Kandidat der Republikaner, Mike Huckabee, war Sprecher auf der NRA-Versammlung und versuchte ebenfalls eine Breitseite gegen die Konkurrenz zu landen: Als es während seiner Rede ein Geräusch gab, scherzte er, das sei Obama, der sich beim Anblick einer Waffe zu Boden geworfen habe. Noch bemerkenswerter war seine kurz darauf folgende Entschuldigung: "It wasn't the first dumb thing I've ever said. And ... it won't be the last dumb thing I've ever said."

Diese Selbsteinschätzung hielt Huckabee allerdings nicht davon ab, in der Fernsehsendung Meet the Press den Wunsch zu äußern, auf McCains “Ticket” als Vizepräsident zu kandidieren. Er, so Huckabee, habe sich schon während des Vorwahlkampfes gewünscht, dass, wenn er nicht selbst bei der Präsidentschaftswahl im November antreten könne, es doch McCain sein möge. Auch sei der ehemalige Jagdflieger von allen Kandidaten derjenige, unter dem er am liebsten Vizepräsident sein würde. Eine Entscheidung McCains zugunsten Huckabees ist insofern nicht unwahrscheinlich, als der Evangelikale Teile jener religiösen Wähler ins Boot holen könnte, denen der Senator aus Arizona zu weltliche Standpunkte einnimmt.