Teure, aber unnötige Sicherheitstechnik

Das US-Heimatschutzministerium testet Lasersysteme zur Abwehr von Boden-Luft-Raketen für Passagierflugzeuge

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Noch wurden in den USA keine Flugzeuge mit Boden-Luft-Raketen, die sich die wie SAM-7 oder Stinger von der Schulter aus abfeuern lassen, beschossen. Aber im Irak wurde Ende 2003 eine Maschine der DHL mit einer solchen Rakete von Aufständischen beschossen, Ende 2002 versuchten Terroristen damit eine Passagiermaschine der israelischen Chartergesellschaft Arkia nach dem Start in Mombasa, Kenia, zu treffen. Das US-Heimatschutzministerium lässt nun ein Abwehrsystem gegen solche Man-Portable Air Defense Systems (MANPADS) testen, das für Militärflugzeuge entwickelt wurde, mit dem aber auch alle kommerziellen Flugzeuge ausgestattet werden sollen.

Das Laserabwehrsystem Nemesis

Die Anschläge vom 11.9. haben nicht nur zu Kriegen, sondern auch dazu geführt, dass mit kräftiger Lobby-Arbeit über Firmen, die Rüstungs- und Sicherheitstechnologien entwickeln, ein Füllhorn von Geld ausgeschüttet wird. Dieses Konjunkturprogramm, das an ähnliche Initiativen im Kalten Krieg anschließt, beinhaltet auch reflexartige Reaktionen auf mögliche Bedrohungsszenarien. Das scheint auch bei dem geplanten Abwehrsystem gegen Boden-Luft-Raketen für kommerzielle Flugzeuge der Fall zu sein, das vom US-Heimatschutzministerium befürwortet wird. So hatte denn das Heimatschutzministerium selbst Anfang 2004 bei der Vergabe der Aufträge an BAE Systems und Northrop Grumman über jeweils 45 Millionen US-Dollar erklärt, dass "es keine glaubwürdige konkrete Geheimdienstinformation über geplante MANPADS-Angriffe auf kommerzielle US-Flugzeuge gibt", man habe aber gleichwohl "entschlossen die Entwicklung von Abwehrmaßnahmen als Teil der Regierungsstrategie verfolgt, mögliche Bedrohungen entgegen zu wirken".

Nach Schätzungen gibt es weltweit bis zu 500.000 dieser Boden-Luft-Raketen, die relativ günstig und leicht zu bedienen sind. Auch bei Widerstands- und Terrorgruppen sind sie beliebt. Die USA hatte einst die afghanischen Rebellen mit solchen Stinger-Raketen gegen russische Flugzeuge versorgt. Abgewehrt werden sollen die mit einem Wärmesuchkopf ausgestatteten Raketen durch LAIRCM-Systeme (Large Aircraft Infrared Countermeasures), die mit Infrarot- oder Ultraviolettwarnsystemen den Hitzeabgasstrahl abgefeuerter Raketen erkennen, automatisch die Gefahr analysieren und dann mit einem Laserstrahl das Zielfindungssystem der Rakete ausschalten. Ältere Abwehrmaßnahmen bestanden etwa darin, nach der Entdeckung abgefeuerter Raketen, die mit Laser oder Infrarot das Ziel suchen, Täuschobjekte auszustoßen, die Hitze abgeben und damit den Raketensuchkopf ablenken. Israel hat diese Technik verwendet, um auch Passagierflugzeuge mit dem Flight Guard-System auszustatten, das nicht mit einem Infrarotdetektor, sondern mit Puls-Doppler-Radarantennen arbeitet. Das Problem ist dabei allerdings, dass diese Hitzepatronen in der Umgebung von Flughäfen Brände verursachen können, wenn sie von an- oder abfliegenden Flugzeugen abgegeben werden.

Systeme, die mit Infrarot- oder Lasersignale die Zielfindungssysteme von Boden-Luft-Raketen stören gibt es schon länger. Auch DIRCM-Systeme (Directional Infra-red Countermeasures) wie das Nemesis-Abwehrsystem von Northrop Grumman werden bereits bei britischen und amerikanischen Militärflugzeugen eingesetzt. BAE Systems hingegen entwickelt das ebenfalls schon lange verwendete Advanced Threat Infrared Countermeasures and Common Missile Warning System (ATIRCM/CMWS) weiter. Bislang würden solche Systeme aber noch mindestens 1,6 Millionen US-Dollar pro Einheit kosten. Große Flugzeuge müssten womöglich mit mehreren ausgestattet werden. Während Militärflugzeuge nur von wenigen Flughäfen aus starten, auf denen diese Abwehrsysteme gewartet werden können müssten alleine in den USA 400 Flughäfen die fast 7.000 kommerziellen Flugzeuge warten können. Für militärische Belange müssen die Systeme nur 300 Stunden reparaturfrei überstehen können, um die Kosten zu senken, sollen sie für kommerzielle Flugzeuge auf 3.000 Stunden ausgelegt sein.

Wie die New York Times berichtet, werden nun drei Flugzeuge, darunter auch eine Boeing 767, zu Testzwecken mit Prototypen des Abwehrsystems ausgestattet. Nach Schätzungen würde es 10 Milliarden Dollar kosten, alle Flugzeuge von US-Fluggesellschaften mit solchen Systemen auszustatten, zudem wären 40 Milliarden Dollar Betriebs- und Wartungskosten über die nächsten 20 Jahre erforderlich. Der Gesamtetat für die Sicherheit der Luftfahrt in den USA beträgt nächstes Jahr 4,7 Milliarden Dollar. Hier müsste also erheblich aufgestockt werden. Der Plan ist, dass das Heimatschutzministerium den Einbau der Systeme bezahlt, für die Wartung und den Betrieb wären dann die Fluggesellschaften zuständig.

Das Programm ist allerdings umstritten. Während sowohl republikanische als auch demokratische Abgeordnete dafür eintreten, weil die Gefahr groß sei, dass Angriffe mit solchen Boden-Luft-Raketen auf zivile Passagierflugzeuge erfolgen werden, sagen Kritiker, dass diese Gefahr übertrieben sei und die Kosten keineswegs rechtfertige. Überdies seien die beiden Systeme, die nun getestet werden, für einige Typen von Boden-Luft-Raketen gar nicht wirksam. Manche fragen sich auch, wie sich eine solche Aufrüstung von Zivilflugzeugen mit der Absicht verträgt, zur Not entführte Passagierflugzeuge abzuschießen, um zu verhindern, dass sie als Bomben eingesetzt werden können. Für die Firmen, die solche Abwehrsysteme anbieten, wäre es ein großes und langfristiges Geschäft, zumal wenn sich einem solchen Programm auch andere Länder anschließen.