Zweiparteiensystem in Spanien beerdigt

Die Parlamentswahlen im Dezember stehen unter dem Eindruck des katalanischen Wegs in die Unabhängigkeit

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Wie im Schauglas kann zu den Wahlen am 20. Dezember der Veränderungsprozess im spanischen Staat beobachtet werden. Der Wahlkampf hat in der Nacht auf Freitag mit dem traditionellen Plakatkleben begonnen.

Schon vorherige Regionalwahlen in diesem Jahr haben gezeigt, dass das Zweiparteiensystem der Geschichte angehören wird. Konnten die beiden großen Parteien noch im März im bevölkerungsreichsten Andalusien trotz starker Verluste knapp ihr Gesicht wahren, haben die Wahlen in vielen Regionen (Bundesländern ähnlich) seither gezeigt, dass die regierende konservative Volkspartei (PP) im rechten Lager vor den "Ciudadanos" (Bürger) zittern müssen und Sozialisten (PSOE) vor der neuen "Podemos" (Wir können es).

Damit ist ein nicht mehr aufzuhaltende Veränderungsprozess eingeleitet worden. Seither regieren von der linken Podemos gestützte Bürgerkandidaturen schon die Metropolen Madrid und Barcelona sowie diverse wichtige Städte wie Saragossa, Cadiz oder Santiago de Compostela. In etlichen Regionen des Landes ist es nun nur noch mit Unterstützung vonPodemos möglich, eine Regierung zu bilden.

Aufstieg der Ciudadanos

Hatten Umfragen zeitweise gar einen möglichen Wahlsieg für Podemos prognostiziert, scheint derzeit der Aufstieg der Ciudadanos (C's) ungebremst, die sich als liberale Alternative anzubieten versucht. In einigen Umfragen liegen PP, PSOE und C's mit jeweils etwa 22% fast gleichauf, während Podemos mit etwa 17% abfällt. Die Vereinte Linke (IU) wäre froh, wenn sie in die Nähe der 6,9% käme, die sie 2011 erzielen konnte. Podemos hatte einem Bündnis mit ihr eine Absage erteilt, was sie noch bereuen könnte.

Wie nie zuvor kommt es nun für die Parteien darauf an, Unentschlossene zu überzeugen. Denn 40% aller Wähler haben ihre Stimme nicht festgelegt. Nach den Umfragen ist klar, dass die PP weit entfernt von ihrer absoluten Parlamentsmehrheit bleiben wird, aber die Wahlen gewinnen kann. Nach dem Wahlgesetz kommt es großen Parteien zugute, wenn sich inhaltlich ähnlich Formationen wie Podemos und IU aufsplittern. So könnte sich wiederholen, was nach den Wahlen in der wichtigen Hauptstadtregion Madrid geschah: Die PP konnte sich mit der Hilfe der C's an der Macht halten.

Das schließt deren Spitzenkandidat Albert Rivera aus. Doch das ist so fragwürdig wie sein Versuch, sich als Partei der Mitte zu geben. Er kommt aus der PP und auf den Listen der C's finden sich sogar etliche Rassisten und Rechtsradikale. Überall, wo es möglich war, verhalfen sie nach den Wahlen im Mai der PP wieder an die Macht. Obwohl sie sich als Antikorruptionspartei verkauft, verhalf sie auch der von Korruption zerfressenen PP in der Hauptstadtregion an die Macht, die tief in diverse Skandale verwickelt ist.

Der stark nationalistische Rivera punktet mit dem Konflikt um Katalonien. Er will der Region jede Abstimmung nach schottischem Vorbild verbieten und in einem starken Zentralisierungsschub den Regionen sogar "Privilegien" nehmen.

In Katalonien zeichnet sich eine Regierungsbildung ab

Das katalanische Parlament hatte nach den plebiszitären Neuwahlen im September dann im November mehrheitlich beschlossen, sich auf den Weg in die Unabhängigkeit zu machen, wie es den Wählern versprochen worden war. In Rekordzeit wurde die Resolution dazu vergangene Woche vom spanischen Verfassungsgericht gekippt, das sonst viele Jahre für ein Urteil braucht. Doch wenn es um Anliegen der spanischen Regierung geht, stehen die Richter stets Gewehr bei Fuß, wie beim absurden Verbot der unverbindlichen Volksbefragung über die Unabhängigkeit, die in nur zwei Tagen vorläufig verboten worden war.

Das spitzt den Konflikt nun weiter zu. Die Unabhängigkeitsbefürworter hatten in ihrer Resolution diesem Gericht jede Kompetenz abgesprochen und nach dem Urteil erklärt, der Prozess werde fortgesetzt. In dessen Zentrum steht weiter die linksradikale CUP, die zu den spanischen Wahlen nicht antritt, weil sie jede Hoffnung auf Veränderungen in Spanien aufgegeben hat. Sie verhindert derzeit noch die Regierungsbildung in Barcelona, da sie Artur Mas nicht erneut als Regierungschef sehen will. Der war für Einschnitte ins katalanische Sozialsystem verantwortlich und seine Christdemokraten sind in Korruptionsfälle verwickelt. Der Druck auf die Antikapitalisten ist mit dem Urteil aber gestiegen.

Der ehemalige CUP-Chef David Fernandez machte nun einen Kompromissvorschlag: Zwei der zehn CUP-Stimmen für Mas, um den Prozess nicht zu blockieren und eine klare Botschaft der Einheit nach Madrid zu senden. Dafür müsse aber ein "reales und konkretes Schockprogramm" gegen Armut und soziale Ungleichheit aufgelegt werden. Damit wird eine Kompromisslinie vorgezeichnet, über die schon verhandelt wird. Und in der von der CUP geforderten "kollektiven Führung" ist die Einheitsliste ihr auch schon weit entgegengekommen, denn die Kompetenzen sollen in der neuen Regierung auf diverse Schultern verteilt werden.