Abhörer sollen kontrolliert werden

Bundesdatenschutzbeauftragter Jacob fordert modernen Datenschutz.

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Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Joachim Jacob, fordert, die staatlichen Abhör- und Überwachungsbefugnisse auf den Prüfstand zu stellen. Bei der Vorlage seines Jahresberichts 97/98 erklärte Jacob heute, das Datenschutzrecht bedürfe der grundlegenden Erneuerung. So seien grundlegende Regelungen zu neuen Technologien wie Chipkarten und Videoüberwachung "längst fällig". Er erwarte von Regierung und Parlament, daß sie "in einem erneuerten Datenschutzrecht die Persönlichkeitsrechte noch deutlicher herausstellen". Die Umsetzung der EG-Datenschutzrichtlinie allein reiche nicht aus. Jacob warnte zudem vor den wachsenden Datensammlungen privater Unternehmen. Bürgerinnen und Bürger sollten in ihrem eigenen Interesse "mehr eigenverantwortlichen Datenschutz" betreiben.

Abhören in Deutschland Spitze

Wie auch in den Jahren zuvor forderte Jacob eine effektivere Erfolgskontrolle der staatlichen Abhör- und Überwachungsbefugnisse. Deutschland nehme allein bei der Telefonüberwachung weiterhin eine Spitzenstellung ein. Im Jahr 1997 erfolgten aufgrund der Paragraphen 100 a und 100 b StPO 7.776 Anordnungen für Telefonüberwachungen, wovon 3.828 Mobiltelefonanschlüsse betroffen waren. Berichtspflichten ähnlich wie im Bereich der akustischen Wohnraumüberwachung hält Jacob auch für den Bereich der Telefonüberwachung und für präventivpolizeiliche Befugnisse wie die verdeckte Datenerhebung für "unabdingbar".

Von der Telekommunikationsüberwachungsverordnung sind nach Angaben von Jacob in einer ersten Ausbauphase zunächst 72 Anbieter von Telekommunikationsdiensten betroffen. Noch wurde nicht darüber entschieden, wann diejenigen Unternehmen einbezogen werden, die Telekommunikationsdienste im Sinne früherer Nebenstellenanlagen anbieten. Jacob fordert Betreiber von der Regelung auszunehmen, wenn deren Berufsgeheimnisse berührt wären. Dies wäre beispielsweise bei Krankenhäusern der Fall, die die ärztliche Schweigepflicht brechen müßten.

Neuer Datenschutz - jetzt?

Nicht nur die Umsetzung der EU-Richtlinie macht eine Erneuerung des Bundesdatenschutzgesetzes notwendig, auch neue Technologien wie Verbundverfahren, Chipkarten und Videoüberwachung erfordern eine flexible Anpassung. In den Vorstellungen von Rot-Grün, wie sie im Eckwerte-Papier der SPD-Fraktion sowie im Entwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu finden sind, sieht Jacob "vielversprechende Ansätze". Die Kernanliegen des Datenschutzes seien die Selbstbestimmtheit des Einzelnen und die Transparenz des Verwaltungs- oder Wirtschaftshandelns. Zudem soll ein effektiver Selbstschutz der Bürgerinnen und Bürger ermöglicht werden - beispielsweise mit Hilfe von Verschlüsselungsverfahren für sensitive Daten, die Einführung eines Datenschutzaudits sowie die Zielvorgaben der Datensparsamkeit, Anonymisierung und Pseudonymisierung. Die SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss und Ute Vogt erklärten heute, daß mit der parlamentarischen Beratung der Entwürfe "schnellstmöglich" begonnen werde. Ein zweistufiges Verfahren sei allerdings "unumgänglich". Nach der Anpassung an die EU-Richtlinie sowie der Einbeziehung neuer Technologien müsse es in einem zweiten Schritt darum gehen, das gesamte deutsche Datenschutzrecht zu reformieren.

Für mehr Datenschutz auf dem privaten Sektor

Mit der EU-Richtlinie sind die Datenschützer auch für den nicht-öffentlichen Bereich zuständig. Dort bestehe "dringender Handlungsbedarf", so Jacob. Nach einer Untersuchung ist jeder Deutsche über 18 Jahre allein 52 Mal in Unternehmensdatenbanken registriert. 90 Prozent aller Informationen sollen noch ungenutzt in den Speichern schlummern. Die Wirtschaft feile Analyse- und Optimierungsinstrumente (Stichwort Data-Mining) weiter aus, so Jacob, um daraus auch individuelle Profile herzustellen. Umfangreiche, freikäufliche Datensammlungen z.B. auf CD-ROM oder die zunehmende Bedeutung und das Ausmaß des Adresshandels und der Direktwerbung verunsicherten die Bürger zunnehmend. Als "sehr problematisch" sieht Jacob die von privaten Unternehmen durchgeführten Haushaltsbefragungen. Das Bundesverfassungsgericht habe im Volkszählungsgesetz nur 15 Fragen zur Wohnsituation zugelassen - Unternehmen erkundeten jedoch mit Einverständnis des Teilnehmers in ihren Haushaltsbefragungen sein Wohnumfeld, sein Konsumverhalten und sogar bereits abgeschlossene Versicherungen. Um die Betroffenen zur Einwilligung zu veranlassen, würden attraktive Gewinne in Aussicht gestellt. Die nähere Gestaltung dieser Umfragen und die weitere Verwendung der Daten seien allerdings bislang kaum rechtlich geregelt. Jacob:

"Hier muß der Gesetzgeber klare Grenzen aufzeigen, damit die schutzwürdigen Belange der Bürgerinnen und Bürger ausreichend zur Geltung kommen."

Rechtliche Grauzonen bestehen auch bei der Videoüberwachung im nicht-öffentlichen Bereich. Jacob sieht eine Tendenz zu einer wachsenden Videoüberwachung in innerstädtischen Gebieten. Problematisch sei nicht nur, daß "unbescholtene Personen in ihr Visier geraten", sondern auch die mitunter großen Mengen von Aufnahmen. Jetzt sei es an der Zeit zu klären, unter welchen Voraussetzungen Videoüberwachungen zulässig sind, wie der Bürger zu informieren ist und wie mit den aufgezeichneten Daten umgegangen werden darf. In besonders schweren Fällen könnte eine unbefugte Videoüberwachung sogar bestraft werden.