Ach, wie eiskalt ist dies Händchen

Ötzi verlässt Kühlschrank vorübergehend

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Vor neun Jahren wurde vom bergsteigenden Ehepaar Simon aus Nürnberg im oberen Schnalstal in den Ötztaler Alpen an der österreichisch-italienischen Grenze in 3210 Metern Meereshöhe eine Mumie entdeckt, die in den Medien als Ötzi bekannt wurde. Dieser sensationelle Fund war nur aufgrund des extrem heißen Sommers des Jahres 1991 möglich - hier läßt sich durchaus von einem archäologischen Glücksfall sprechen. Jetzt, zum ersten Mal nach den Untersuchungen, die der Entdeckung folgten, wurde ein Team von Wissenschaftlern verschiedener Fakultäten zu Untersuchungen zugelassen.

Schon die Ausgrabungen brachten einige Erkenntnisse über das Leben in der Jungsteinzeit (Ötzi hat mit hoher Wahrscheinlichkeit circa 3300 Jahre vor unserer Zeitrechnung gelebt). Im Gepäck der Mumie fanden sich Untensilien wie ein Tragegestell, ein nicht ganz fertiggestellter Bogen mit mehreren Pfeilen, ein im Holzstiel geschäftetes Kupferbeil und ein Dolch aus oberitalienischem Feuerstein, dessen Klinge mit Birkenpech in den Schaft eingeklebt war. Auch ein Zunderschwamm zum Feuermachen, diverse Kleidungsstücke aus Fell, Leder und Pflanzenfasern und ein Fellschuh, der gegen die Kälte mit Gras ausgestopft war, gehörten zu Ötzis Ausrüstung. Außerdem führte er einige halluzinogene Pilze mit sich, ebenso Reste von Getreide.

Filmische Dokumente der Grabungen

Am 28. März 1998 wurde das "Ötzi-Musem" in Bozen eröffnet. In einer zimmergroßen Kühlanlage wird Ötzi, die älteste mumifizierte Leiche der Welt, bei gletscherähnlichen Bedingungen (-6 Grad Celsius bei einer Luftfeuchtigkeit um die 100 Prozent) aufbewahrt. Jetzt wurde der jungsteinzeitliche Schäfer für kurze Zeit aufgetaut, um eine Reihe weiterer Untersuchungen zu ermöglichen.

So will Professor Peter Vanezis, ein Spezialist für Gerichtsmedizin aus Glasgow, die Todesursache des Eismannes untersuchen. Die allgemein verbreitete Theorie zu diesem Punkt besagt, dass Ötzi, ein Schäfer, während eines Schneesturms erfroren sei - medizinisch untermauert wurde diese These bislang allerdings nicht. Frühere Tests hatten gezeigt, dass einige Rippen gebrochen sind - auch andere Indizien ließen auf einen Tod durch einen schlimmen Sturz schließen. Vanezis untersucht nun einige Proben von Fettgewebe und Haut vom Rücken und von der Brust auf Eisenablagerungen, um festzustellen, wo die höchste Blutkonzentration auftritt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen Aufschlußss darüber geben, ob Ötzi während seines Todes auf dem Rücken oder auf dem Bauch lag. "Das wird uns keinen exakten Rückschluß auf die Todesart ermöglichen", so Vanezis. Er erhoffe sich aber neue Hinweise, die helfen sollen, die Möglichkeiten wie Ötzi zu Tode gekommen sein könnte, einzuschränken.

Wolfgang Müller vom Technischen Institut in Zürich entnahm Proben vom Zahnschmelz des rechten Oberkiefers, die helfen sollen festzustellen, wo Ötzi aufgewachsen ist. Im Zahnschmelz abgelagerte Mineralspuren lassen Schlüsse auf die Ernährung zu, somit auch auf den geografischen Ursprungs Ötzis.

Professor Franco Rollo von der italienischen Universität Camerino beschäftigt sich mit Proben aus Ötzis Bauch. Die DNA der Mikroorgansimen in den Eingeweiden soll weitere Rückschlüsse auf die vorgeschichtliche Ernährung ermöglichen. Außerdem sollen die Ergebnisse mit denen der Untersuchung einer in den kolumbianischen Anden gefundenen weiblichen Mumie verglichen werden, um den Prozess der natürlichen Mummifizierung besser verstehen zu lernen. Mit der DNA Ötzis befasst sich ein Team der römischen Universität, aus einem Vergleich mit anderen prähistorischen Funden soll eine Genbank für den Alpenraum entstehen.