Ackermann angeknockt

Nur Investmentbanking und Bilanzkosmetik retten die Deutsche Bank vor roten Zahlen

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Der von vielen Analysten erhoffte Befreiungsschlag blieb aus. Die gestern für das zweite Quartal veröffentlichten Zahlen der Deutschen Bank weisen zwar einen Quartalsgewinn von 1,1 Milliarden Euro aus - eine Umstellung der Bilanzierungsregeln, enttäuschende Zahlen in den klassischen Ressorts, und eine nebulöse Prognose für das laufende Geschäftsjahr überschatten das Ergebnis allerdings. Der Branchenprimus, der sich in der Vergangenheit so gerne als Fels in der Brandung gesehen hat, befindet sich nun selbst in unruhigem Fahrwasser.

Kreative Bilanzierung vermindert die Aussagekraft

Innerhalb eines Jahres ist die Bilanzsumme der Deutschen Bank um ganze 470 Milliarden Euro geschrumpft, dies ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Die geschrumpfte Bilanzsumme weist allerdings immer noch 1.733 Milliarden Euro aus, was beinahe dem Bruttoinlandsprodukt Großbritanniens entspricht. In ihrer Bilanz weisen die Deutschbanker 1.140 Milliarden Aktiva und 875 Milliarden Passiva auf Basis der sogenannten "Fair Value Bilanzierung" aus - das heißt, der Wert wird als Marktwert bilanziert, und wenn es keinen echten Markt gibt, so entscheidet weitestgehend die Kreativität der Banker über den Bilanzwert der betroffenen Papiere. Im Halbjahresergebnis der Deutschen Bank stecken beispielsweise allein "Umbuchungsgewinne" in Höhe von 876 Millionen, die aus einer Rückführung von Papieren im Gesamtwert von 35,8 Milliarden Euro aus der "Fair Value Bilanzierung" in die Buchwert-Bilanzierung resultieren. Angeblich hätte die Marktwertbilanzierung hier den "inneren Wert" der Papiere nicht wiedergegeben. Der Kreativität in heutigen Bankbilanzen scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein.

Vermögenswerte, für die es nicht einmal Parameter gibt, anhand derer man einen Wert bestimmen könnte, werden in der Bilanz als sogenannte "Level 3 Assets" geführt - in der Bilanz der Deutschen Bank machen diese Papiere 64 Milliarden Euro aus. Eine Bilanz, bei der die verbuchten Gewinne rund 2% der bilanzierten "Level 3 Assets" ausmachen, die hohe Bewertungsspielräume zulassen und für Außenstehende komplett intransparent sind, hat allerdings kaum eine Aussagekraft.

Gemessen an der Bilanzsumme von 1.733 Milliarden Euro wirkt das Eigenkapital der Deutschen Bank in Höhe von 35 Milliarden Euro geradezu lächerlich. Wenn in der Bilanz eines Bankhauses die intransparenten "Level 3 Assets" das Eigenkapital um fast das Doppelte übersteigen und somit bereits eine Wertberichtigung um 50% die gesamten Eigenmittel verzehren würde, kann dieses Bankhaus eigentlich nur auf ein funktionierendes Risikomanagement hoffen.

Risiken im Portfolio

Auch wenn man der Bilanzierung eine gehörige Portion Zweckoptimismus unterstellen darf, so schlummern auch in den offiziellen Zahlen abseits der Finanzakrobatik im Investmentbanking noch gewaltige Risikopositionen. Kredite im Wert von 8,2 Milliarden Euro werden von der Deutschen Bank als Problemkredite beziffert - Kredite also, bei denen laut Quartalsbericht erheblich daran gezweifelt wird, dass die Kreditnehmer ihre vertraglichen Rückzahlungsvereinbarungen erfüllen können. Doch diese Risikopositionen werden sich aller Voraussicht nach im Laufe dieses Jahres noch erhöhen. Die Krise ist sowohl in der Wirtschaft, als auch bei den privaten Kreditnehmern noch immer nicht in ihrer gesamten Tragweite angekommen. Kredite in nicht zu beziffernder Größe, die momentan noch bedient werden, könnten bereits in den nächsten Monaten zu Problemkrediten werden. Dann könnte sich auch der in diesem Quartal ausgebaute Risikopuffer in Höhe von einer Milliarde Euro als zu gering erweisen. Die Deutsche Bank ist kein primus inter pares, sie steht genauso ängstlich unter dem Damoklesschwert Wirtschaftskrise wie ihre kleineren Konkurrenten.

Trügerische Hoffnung im Investmentbanking

Ohne die Sparte Investmentbanking wären die Quartalszahlen der Deutschbanker noch schlechter ausgefallen. Weniger talentierte Banker der Konkurrenz sind an den Papieren, die über die Tische der Deutschen Bank gingen, gescheitert. Das moderne Finanzsystem gleicht häufig einem Schneeballsystem, bei dem die Initiatoren die Gewinne einfahren und die Kunden umso mehr verlieren, je später sie ins Geschäft einsteigen. Während die "Late Adopter" in den Landesbanken unter dem Joch strukturierter Papiere ächzen, schnüren die talentierten Investmentbanker schon wieder die nächsten glitzernden Finanzinnovationen mit AAA-Rating. Das Investmentbanking der Deutschen Bank kann hier als "Early Adopter" gelten, das sich kurz vor dem Platzen der Blase noch von einem Großteil des Finanzsondermülls trennen konnte.

Gewinne nicht trotz, sondern wegen der Krise

Heute machen Ackermanns Investmentbanker keine Geschäfte mehr mit strukturierten Immobilienkrediten aus den USA, sondern mit Staats- und Unternehmensanleihen und Devisen. Vor allem das Geschäft mit festverzinslichen Anleihen boomte auch in diesem Quartal, nachdem es den Deutschbankern bereits im letzten Quartal Rekordgewinne beschert hatte. Der Handel mit Staatsanleihen profitiert hierbei vor allem vom niedrigen Leitzins der EZB. Die hohe Bonität von Staatsanleihen erlaubt es der Deutschen Bank, einen höheren Hebel anzusetzen, als bei anderen Anleihen mit niedrigerer Bonität. Mit dem Geld, das der Staat aufbringen muss, um das Bankensystem vor sich selbst zu retten, machen die Deutschbanker profitable Geschäfte. Die Gewinne im Investmentbanking wurden also nicht trotz, sondern wegen der Krise erzielt.

Ein weiteres lukratives Geschäftsfeld im Investmentbanking der Deutschbanker war die Platzierung und der Handel von Unternehmensanleihen. Selbst solvente Unternehmen bekommen momentan von den Banken oft keine Kredite ohne hohe Risikoaufschläge. Um sich ein ausreichendes Polster zuzulegen, sind viele von ihnen dazu übergegangen, sich direkt auf dem Anleihenmarkt Geld zu besorgen. Die Investmentbanken kassieren dafür jedoch gleich doppelt. Zum einen kassieren sie für die Platzierung der Anleihen, zum anderen haben sie beim Handel mit diesen Papieren eine bevorzugte Position, da die Konkurrenz, die keinen Zugriff auf günstiges Geld von den Notenbanken hat, höhere Kosten für Fremdkapital einkalkulieren muss. Auch hier verdient die Deutsche Bank an der Krise, die sie selbst mit verschuldet hat.

Ob die Deutsche Bank die guten Ergebnisse im Investmentbanking weiterführen kann, ist jedoch mehr als ungewiss. Wenn die Unternehmen sich mit Anleihen eingedeckt haben, versiegt diese Einnahmequelle wieder. Auch der Handel mit Staatsanleihen setzt einen Käufer voraus. Da weltweit ein Überangebot an Staatsanleihen besteht, ist es allerdings auch möglich, dass der Handel mit diesen Papieren bald deutlich zurückgehen könnte. Vor allem im Zeichen einer aufziehenden Inflationsgefahr haben viele Anleger Angst vor langfristigen und festverzinslichen Papieren. Sollten die Staatsanleihen von Industriestaaten aufgrund der desolaten Haushaltslage auch noch abgewertet werden, droht sogar ein Zusammenbruch des gesamten Marktes, da institutionelle Anleger - wie Lebensversicherungen oder Pensionsfonds - sogar gezwungen wären, sich von diesen Papieren zu trennen.

Ausblick trübe

Das Investmentbanking macht noch Gewinne, steht allerdings vor systemischen Problemen. Im klassischen Geschäftsfeld dümpeln die Deutschbanker auf niedrigem Niveau vor sich hin und fürchten den Konjunktureinbruch wie der Teufel das Weihwasser. Die Aussichten für den Branchenprimus sind nicht eben rosig, da wundert es kaum, dass die Aktien der Deutschen Bank mit einem Minus von über 11% der Verlierer des Tages am Aktienmarkt waren.

Deutschbanker Josef Ackermann vermied es bei der vorgezogenen Präsentation der Quartalszahlen, einen optimistischen Ausblick für das laufende Jahr zu geben. Vor allem die ungewisse Entwicklung der Realwirtschaft verbiete es, an klaren Zielvorgaben festzuhalten. Ackermanns berühmt-berüchtigte 25% Eigenkapitalrendite ist somit einstweilen in die goldenen Geschichtsbücher der Deutschen Bank verbannt. Im zweiten Quartal konnte das Bankhaus allerdings immerhin noch stolze 16% Eigenkapitalrendite erzielen - was dieses Ergebnis abseits der kreativen Bilanzierung wirklich wert ist, wissen allerdings nur die Deutschbanker selber.

Josef Ackermann. (Bild: Wikimedia Commons Das Bild "Josef_Ackermann_16072007_2.jpg" steht unter der Creative Commons License Attribution 2.5 Brazil. Der Urheber des Bildes ist die Agência Brasil.)