Ärmere zocken mehr an Spielautomaten

Spielcasinos werden in Großbritannien vor allem in den ärmeren Bezirken aufgemacht, dort erzielen sie auch mehr Umsätze als in reicheren Wohngegenden

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Lotterien oder andere Glücksspiele werden in der Regel von den ärmeren Menschen gespielt, die hoffen, durch Zufall ihrem Schicksal entrinnen zu können. Wer mehr Geld hat oder taktischer vorgeht, spielt eher auf der Börse oder wettet auf den Finanzmärkten. Da ist die Gewinnwahrscheinlichkeit auch höher oder anders kalkulierbar, als wenn man sein weniges Geld ins Lotto oder in Spielautomaten steckt. Daher verwundert nicht, wenn nach einem Bericht in Großbritannien die Menschen in den ärmeren Wohnvierteln deutlich mehr Geld in Spielautomaten stecken als die Menschen in den reicheren Vierteln.

13 Milliarden Pfund, fast 16 Milliarden Euro, investierte das ärmste Viertel der Briten alleine in Spielmaschinen. In ärmeren Wohnvierteln wird doppelt so viel Geld für die Herausforderung des Glücks durch Spielmaschinen ausgegeben als in den wohlhabendsten Vierteln.

Nach dem Bericht der Campaign for Fairer Gambling, der nächste Woche im Parlament veröffentlicht wird und von dem der Guardian vorab berichtet, gibt es in den 55 ärmsten Bezirken des Landes 2.691 Spielcasinos. Hier gaben die Menschen mit den Spielmaschinen (fixed odds betting terminals -FOBT) im letzten Jahr 13 Milliarden aus und verloren 470 Millionen Pfund. Dagegen investierten in den 115 reichsten Bezirken die Menschen in 1.258 Spielcasinos 6,5 Milliarden Pfund und verloren mit 231 Millionen Pfunde entsprechend weniger.

Nach der Campaign for Fairer Gambling finden sich die meisten Spielcasinos in den ärmsten Gebieten, wo es am meisten Arbeitslosigkeit, die geringsten Einkommen und die höchste Kriminalität gibt. Der Vorwurf geht dahin, dass damit die Menschen in diesen Gebieten gezielt ausgebeutet werden. Die Branche leugnet dies zwar, aber hier scheint es sich doch um einen marktwirtschaftlichen Vorgang zu handeln, dass sich mehr Spielcasinos dort ansiedeln, wo eine höhere Nachfrage besteht.

Die Association of British Bookmakers, die gerne auch verkündet, wie wichtig die Glücksspielbranche für die britische Wirtschaft ist, will dennoch den Vorwurf abweisen. Zwar wird die räumliche Verteilung der Spielcasinos nicht angezweifelt, aber es wird behauptet, dass die Spielcasinos in den reicheren Gebieten deutlich mehr Profit abwerfen würden als diejenigen in den ärmeren Gebieten: "Wir zielen nicht auf die Armen ab. Es ist die Frage, wo die Bevölkerung ist."

Nach dem Bericht gibt es in dem ärmsten Bezirk in London 570 Spielmaschinen, im reichsten Bezirk, in Hampshire's Hart aber gerade einmal zwei Dutzend Maschinen. Liverpool will die Geschwindigkeit der Maschinen und die Höchstsumme, die man einsetzen kann, reduzieren. Stadtrat Nick Small sagt, dass Millionen Pfund in den Maschinen versenkt würden, die für Miete oder Lebensmittel gebraucht würden.

Nach Recherchen des Guardian gibt es auch weniger Spielcasinos in den Wahlbezirken der Konservativen als in denen der Labour-Partei. Die Bereitschaft könnte also bei der Regierrung geringer sein, hier etwas zu verändern. Allerdings steckt die Ursache des Problems nicht in der Anzahl der Spielcasinos und den vorhandenen Möglichkeiten, sein Geld aufs Spiel zu setzen, sondern in den verbauten Chancen, einkommensmäßig nach oben aufsteigen zu können. Was sollten Restriktionen des Glücksspiels an der schrumpfenden sozialen Mobilität verändern?