AfD diskutiert über ein Bündnis mit dem Front National

Für Gauland ist der Front National im Gegensatz zur FPÖ zu sozialistisch und statt patriotisch nationalistisch, überdies ist Frankreich sprachlich und historisch eine andere Welt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Anders als seine Kollegin von Storch hat sich Marcus Pretzell nach dem Ausschluss aus der Fraktion "Europäische Konservative und Reformer" (EKR) im Europa-Parlament der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) angeschlossen, die vom Front National dominiert wird. Hier finden sich auch die rechten Schwedendemokraten, Vlaams Belang und die österreichische FPÖ, zu der es enge Kontakte gibt. Der Freund von Frauke Petry hat damit schon einmal ein Zeichen gesetzt, weiter nach rechts und national gehen zu wollen. Storch ist zur Fraktion "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" (EFDD) gewechselt, in der neben Ukip auch MoVimento 5 Stelle ist.

Auch Thüringens AfD-Chef Björn Höcke befürwortet eine Annäherung mit dem Front National. Marine Le Pen und Frauke Petry sollten sich treffen, um Möglichkeiten der Kooperation zu besprechen. Es gebe Gemeinsamkeiten, da sich beide Parteien "gegen eine weitere Überfremdung und für den Erhalt der Identität der europäischen Völker" einsetzen, gegen TTIP und gegen die außenpolitische Bindung an die USA seien.

Nicht alle in der AfD sind über diesen Kurs erfreut. Alexander Gauland, neben von Storch stellvertretender AfD-Sprecher, warnte nun in einem Beitrag für die rechte Junge Freiheit vor einer allzuschnellen Annäherung durch ein Treffen zwischen Le Pen und Petry.

Dabei geht es ihm weniger um inhaltliche Abgrenzung, sondern um strategische Distanz. "Ein Bündnis mit dieser Partei", so der Haupteinwand, "würde spiegelbildlich auf die AfD abfärben und das Bewußtsein ihres Andersseins in den Augen der Öffentlichkeit beeinträchtigen". Man würde sie also, weniger verschwurbelt ausgedrückt, in die ideologische Nähe des Front National stellen, der unter Marine Le Pen allerdings weiter in die rechtsnationale Mitte gerückt ist und sich vom Antisemitismus distanziert hat, was Le Pen durch Ausschluss ihres Vaters zu unterstreichen suchte. Man braucht allerdings heute keinen Antisemitismus mehr, der seit längerem durch den Antiislamismus ersetzt und verdrängt wurde.

Gleichwohl ist interessant, worin Gauland die Nähen und Unterschiede zwischen den französischen Rechten und der AfD sieht. Gemeinsam sei beiden Parteien der Kampf gegen "den europäischen Superstaat" und für ein "Europa der Vaterländer", vor allem ist man vereint in der Furcht vor "Überfremdung und europäischem Identitätsverlust". Gemeinsam sei auch der Kampf gegen "kultur- und raumfremde Masseneinwanderung". Mit der Formulierung ist Gauland aber schon weit in die nationalvölkische Ideologie vorgedrungen, die er aber dem Front National im Unterschied zur AfD bescheinigen will. Die Verbindung von Volk und Raum ist aus der deutschen Geschichte bekannt, aber die Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit will man in der AfD möglichst beenden, da liege eine "Verengung" vor, heißt es im Parteiprogramm.

Nicht außenpolitisch, so Gauland, innenpolitisch würden die Unterschiede liegen. Dabei will Gauland feine Linien etwa zwischen nationalistisch und patriotisch einziehen, als wäre die Strömung in der AfD nicht wesentlich nationalistisch und überdies noch völkisch: "Die AfD ist patriotisch und liberal-konservativ, der Front National nationalistisch, in Teilen seines Wirtschaftsprogramms sozialistisch und bis vor kurzem auch gefühlt antisemitisch." Noch immer seien die "antiliberalen Züge" beträchtlich, sagt Gauland, erläutert dies aber nicht weiter.

Wohler fühlt sich Gauland mit der österreichischen ÖFP. Mit Österreich gebe es mehr politische und kulturelle Gemeinsamkeiten als mit Frankreich. Da fängt also das Patriotische oder Nationalistische schon beim christlich-abendländischen Nachbarn an, wegen dessen Sprache, aber auch historisch, also vielleicht wegen der gemeinsamen Nazi-Geschichte Deutschlands und Österreichs. Schließlich wollen zumindest Teile der FPÖ, auch der Präsidentenkandidat Hofer, langfristig eine Wiedervereinigung bzw. einen Anschluss mit Deutschland

Dazu äußert sich Gauland nicht, der aber ansonsten die "Rückbesinnung auf die nationale Souveränität" hochhalten will. Man soll sich also, wobei Gauland Bismarck als Vorbild bemüht, nicht einmischen in andere Länder. Um als AfD gute Beziehungen zu anderen Staaten zu haben, dürfe man nicht mit einzelnen Vertretern paktieren, Beziehungen zum Front National sollten Beziehungen zu anderen französischen Parteien nicht ausschließen. Von den Sozialisten spricht er freilich nicht, wohl aber von den "Republikanern der De-Gaulle-Nachfolger". In Polen müsse man nicht nur zur PiS, sondern auch zur "liberal-konservativen Bürgerunion" Kontakt halten.

Wichtig ist für den AfD-Politiker, dass einfach alles im anderen Land akzeptiert wird, schließlich gehe dies die Deutschen nichts an. So scheint er Erdogan zu bewundern, weil er sich weigert, die Anti-Terrorgesetze wie im Deal mit der EU vereinbart zu verändern, "nicht weil wir die türkischen Anti-Terrorgesetze für richtig halten, sondern weil es allein Sache der Türkei ist, mit ihren inneren Problemen umzugehen, wie es allein Sache der Polen ist, ihr Verfassungsgericht zusammenzusetzen". Damit würde Gauland aber auch alle zwischenstaatlichen Vereinbarungen in den Wind schießen, die zu Veränderungen in den jeweiligen Ländern führen. Partnerschaft gebe es nur, wenn man "sich nicht in die souveränen Entscheidungen eines anderen Volkes einmischt". Das "Europa der Vaterländer" wäre kein Europa mehr, sondern ein Nebeneinander von Staaten, die wie Igel ihre Stacheln ausfahren, nicht miteinander sprechen und sich jeden Diskurs verbieten.