Afghanistan: Pentagon greift zur Zensur

Die Lage in Afghanistan ist unsicher, die USA wollen nun härter als bislang vorgehen, aber der Aufbau von Militär und Polizei kommt nicht wirklich voran

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In der schwer gesicherten Green Zone Kabuls, im diplomatischen Viertel Wazir Akbar Khan, wurden am Dienstag bei einem Selbstmordanschlag mindestens neun Menschen getötet und 21 verwundet. Der Selbstmordattentäter war ein 13-jähriger Junge, der den Sprengstoff in einer Plastiktüte mit sich getragen habe. Unklar ist, ob es selbst die Explosion ausgelöst hat oder sie aus der Ferne ohne sein Wissen ausgelöst wurde. Offenbar konnte das Kind durch mehrere Sicherheitskontrollen gelangen. Das dürfte sich jetzt ändern. Der Islamische Staat schreibt sich den Anschlag zu, dem nur Afghanen zum Opfer fielen.

In das von der Bundesregierung noch teilweise als sicher geltende Afghanistan, in dem Taliban und IS laufend Anschläge verüben, bei denen in diesem Jahr schon Hunderte von Menschen ums Leben kamen, und die Macht der Sicherheitskräfte des Zentralstaats schwindet, werden weiterhin Flüchtlinge abgeschoben.

Abdullah Abdullah, der nach dem Fiasko der letzten Wahlen die ungewöhnliche Funktion eines obersten Geschäftsführers der Regierung erhielt, um eine nationale Regierung bilden zu können, sagte am Montag, er sei besorgt über den Anstieg der Angriffe auf Städte.

Die bewaffneten Gruppen der Aufständischen hätten ihre Taktik verändert und sich nun auf Städte konzentriert, wodurch die Zahl der Opfer steige. Wenn die Regierung nicht in der Lage sei, die Sicherheitskrise zu beenden, müsse sie Tatsache akzeptieren, dass ausländische Truppen für unbegrenzte Zeit im Land sein werden. Das wird man in den Nato-Staaten, die weiterhin Truppen im Land haben, nicht gerne gehört haben.

Pentagon will sich nicht in die Karten schauen lassen

Wie unsicher die Lage ist, wird vom Pentagon illustriert. US-Präsident Trump will nach 16 Jahren Krieg die Schmach eines Scheiterns der US-Intervention nicht auf sich sitzen lassen und hat härteres Vorgehen, einige tausende zusätzliche Soldaten, vermehrte Bombardierung und die Befreiung von vermehrten CIA-Killerkommandos von ihren Zügeln angekündigt, um rücksichtsloser zuschlagen zu können (CIA erweitert verdeckte Operationen).

Zudem wurde bekannt, dass nun über die Erfolge und Misserfolge möglichst wenig nach außen dringen sollen, wie die New York Times berichtete. Das dürfte eher weniger damit zu tun haben, dass nun die CIA gewissermaßen die Handschuhe ausziehen, wie das Ex-Vizepräsident Cheney kurz nach 9/11 angekündigt hatte und damit die Tür zu Folter, Geheimgefängnissen und Guantanamo geöffnet hatte, sondern eher damit, dass man das Scheitern der Politik nicht dokumentieren will. Schließlich fließen weiter Milliarden in den Militäreinsatz.

Die mittlerweile wieder 11.000 in Afghanistan stationierten Soldaten sollen wie die Soldaten der übrigen Nato-Staaten vorwiegend das afghanische Militär aufbauen, beraten und trainieren, damit es selbstständig die Zentralregierung schützen kann. 60 Prozent der 121 Milliarden US-Dollar, die die US-Regierung seit 2002 in den Wiederaufbau des Landes gesteckt hat, floss in das Militär und die Polizei. Für die Kontrolle der Effizienz, die Verhinderung von Missbrauch, Verschwendung und Betrug war 2008 das Büro für einen Sonderinspekteur für Afghanistan (SIGAR) eingerichtet worden.

Bislang wurden von SIGAR vierteljährliche Berichte verfasst und veröffentlicht. Im letzten Bericht, erschienen im Oktober, wurden wichtige Angaben über die Personalstärke der afghanischen Sicherheitskräfte, deren Ausrüstung, Einsatzfähigkeit oder die Zahl der Toten und Verletzten redigiert. Das Pentagon sagt, die Zahl der getöteten und verwundeten Soldaten und Polizisten würden von der afghanischen Regierung erhoben, die habe Geheimhaltung erwünscht.

John F. Sopko, seit 2012 Inspekteur, kritisiert die Geheimhaltung: "Die Afghanen wissen, was vor sich geht, die Taliban wissen es, das US-Militär weiß es. Nur die Menschen, die dafür bezahlen, sollen es nicht wissen." Er weiß noch nicht, ob auch der nächste Bericht wieder redigiert/zensiert wird. Schon einmal war ein Bericht als geheim klassifiziert worden, nämlich als Barack Obama 2015 den Afghanistankrieg für beendet erklären und die Truppen ganz abziehen wollte, während die Taliban an Macht und Einfluss gewannen.