Afrin: Erdogan als Helfer der Regierung Baschar al-Assad?

Erdogan, ein neuer Freund von Baschar al-Assad? Mit der Türkei verbündete syrische Oppsoitionsmilizen. Foto: ANF

Zum Erfolg verpflichtet: Der türkische Präsident bekommt Honig von der Nato-Vize-Generalsekretärin und Lob - aber nicht von den USA. Die werfen ihm destruktive Rhetorik vor. Zu welchem Risiko ist er bereit?

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Die stellvertretende Generalsekretärin der Nato, Rose Gottemoller, eine US-Amerikanerin, die früher im Außenministerium tätig war, achtete am Dienstag in Istanbul sehr darauf, Spannungen im transatlantischen Bündnis mit der Türkei gar nicht erst hochkommen zu lassen. Der Erwerb von russischen S-400 durch die Türkei? Wurde nicht erwähnt.

Stattdessen erklärte Gottemoller in ihrer Keynote-Rede am 23. Januar in Istanbul, wie gut die Abwehrsysteme funktionieren, welche die Nato der Türkei zu Verfügung stellt. Auch dass Erdogan und die Türkei beim letzten Manöver in Norwegen als "Feind im Spiel" auftauchte, was in Ankara größere Kränkungen auslöste, wurde in Gottemollers Rede in Vergessenheit gebracht. Sie lobte ausgiebig, dass die Türkei ein "Natomitglied mit seriösem Kaliber seit 65 Jahren ist".

Das Lob der "wichtigen Rolle der Türkei in der Nato und die Wertschätzung der Nato für die Türkei als respektiertes Nato-Mitglied" wurde von Gottemoller drei Tage nach Beginn des türkischen Angriffs auf Afrin geäußert. "Alles ist prima", die Nato steht solidarisch zur Türkei, wenn es um den Kampf gegen den Terrorismus geht", fasst die US-Publikation Defense-News die Botschaft zusammen: man kann davon ausgehen, dass darin die Ereignisse im Norden Syriens eingeschlossen sind.

Fake News: Das Telefonat zwischen Trump und Erdogan

Nicht ganz so vortrefflich stehen die Verhältnisse zwischen dem Weißen Haus in Washington und der Leitung der türkischen Regierungsgeschäfte in Ankara. Trump und Erdogan führten am gestrigen Mittwoch ein Telefongespräch über Syrien.

In der Zusammenfassung, die das Weiße Haus veröffentlichte tauchten Formulierungen auf, die Ankara mehr oder weniger als "fake news" deklariert: "not true".

Laut Weißem Haus äußerte sich Präsident Trump besorgt über "destruktive und falsche Rhetorik", die aus der Türkei komme. Auch ansonsten ist der Ton nicht übermäßig von "Good will" geprägt, sondern von der zurechtweisenden Pädagogik einer Supermacht, die, um es auf eine kurze Formel zu bringen, "ihre Ruhe haben" und nicht von türkischem Aktionseifer gestört werden will, schon gar nicht in Manbij.

Wie schon sein Verteidigungsminister Mattis zuvor drängte Trump laut Gesprächszusammenfassung darauf, dass sich die Türkei in Afrin zurückhalte ("deescalate, limit its military actions, and avoid civilian casualties") und jede Aktion vermeide, die einen Konflikt zwischen den türkischen und amerikanischen Truppen auslösen könne.

Da Erdogan zuvor angedeutet hatte, dass auch Manbij zum Aktionsradius der Operation Olivenzweig gehören könnte, und da dort US-Truppen stationiert sind, wurde eine solche Konfrontation denkbar und war gestern auch Thema in diversen Berichten zur Situation in Nordsyrien.

Laut einem Bericht von Hurriyet ist die Darstellung des Telefongesprächs durch das Weiße Haus falsch. Trump habe im Gespräch nicht gesagt, dass er sich Sorgen mache wegen "eskalierender Gewalt bei der Aktion in Afrin". Die beiden Seiten hätten lediglich Ansichten zur Operation Olivenzweig (Olive Branch) ausgetauscht, zitiert die Zeitung türkische Quellen.

Erwähnt wird in dem Bericht, dass Erdogan Manbij noch einmal angesprochen habe. Erneut drängt er darauf, dass die YPG sich auf das östliche Ufer des Euphrats zurückziehen müsse und er stellte in Aussicht, dass FSA-Einheiten, die mit der Türkei verbündet sind, Manbij vor künftigen Bedrohungen durch den IS beschützen sollen. Zudem soll Erdogan Trump dazu aufgefordert haben, keine Waffen mehr an die YPG und auch nicht an die Partei PYD zu liefern.

Zum Erfolg verpflichtet

Abgestritten wird, dass Trump die Formulierung "destructive and false rhetoric coming from Turkey" überhaupt verwendet habe. Unverkennbar ist die Bemühung auf türkischer Seite, Präsident Erdogan nicht als Adressat von US-Forderungen und Maßregelungen darzustellen, sondern seinerseits als Person, die Forderungen an die USA stellt. Tatsächlich ist Erdogan auch im Zugzwang.

Mit dem Waffengang in Nordsyrien ist Erdogan zum Erfolg verpflichtet. Mit der türkischen Fahne über der Militäroperation im Nachbarland hält Erdogan seine politischen Rivalen auf Abstand. Sie müssen sich unter der Fahne versammeln und ihn unterstützen.

Das Spektrum der so in Schach gehaltenen reicht von den Kemalisten der CHP, über die MHP, die Konkurrenz der neuen Partei von Meral Aksener bis zu parteiinternen Kritikern. Diese alle hat Erdogan aber auch bei einem Misserfolg zu fürchten. Für ihn geht es nicht nur um Nordsyrien und die dortigen Kurden, sondern um sein Projekt Machterweiterung.

Die Frage ist, welches Risiko er eingehen wird. Ob er es beispielsweise in Manbij auf eine Konfrontation verbündeter Milizen mit US-Streitkräften ankommen lassen würde. Für die USA sei Manbijj ein Dreh- und Angelpunkt in der "Zone ihres Interesses in Nordsyrien", die bis Rakka und Deir ez-Zor reiche, beschreibt ein al-Monitor-Artikel die Interessenslage der USA. Demnach würden die US-Truppen dem Expansionswillen Erdogans nicht einfach Platz machen.