Ahmadinedschad orientiert sich an deutscher Familienpolitik

Der iranische Islamist will das Bevölkerungswachstum durch finanzielle Anreize künstlich erhöhen

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Der Iran hat mit derzeit etwa 74 Millionen Einwohnern eine mit Deutschland vergleichbare Bevölkerungszahl. Das ist dem Präsidenten Mahmut Ahmadinedschad zu wenig - er glaubt, dass sein Land, in dem etwa 15 Prozent der Bevölkerung arbeitslos sind, gut doppelt so viele Menschen ernähren könnte. Deshalb vollzieht der Islamist eine Kehrtwende in der Familienpolitik, die vor ihm ein kontrolliertes Bevölkerungswachstum und Familienplanung propagiert hatte.

Um die Geburtenzahl zu erhöhen, will Ahmadinedschad Eltern mit einer Subventionszahlung für jedes neugeborene Kind dazu verlocken, sich stärker fortzupflanzen. Zudem rief er junge Leute der Zeitung Jamejam zufolge auf, früher zu heiraten, als sie dies jetzt tun. Ein angemessenes Alter für eine Eheschließung ist seiner Ansicht nach 20 Jahre für Männer und 16 oder 17 für Frauen.

Mahmud Ahmadinedschad. Foto: Daniella Zalcman. Lizenz: CC-BY-2.0.

Die Familienpolitik von Ahmadinedschads Vorgängern hatte nicht nur zu einem Sinken der Geburtenrate geführt, sondern in deren Folge auch dazu, dass den Kindern aus kleineren Familien häufig eine bessere Bildung zukam. Wie weniger Kinder und mehr Bildung zusammenhängen, hatte China vorgeführt, wo Deng Xiaoping 1979 die im Westen als "Ein-Kind-Politik" bekannt gewordene Linie einführte, um den Teufelskreis aus Überbevölkerung und Unterentwicklung zu durchbrechen. Durchgesetzt wurde die Politik lokal unterschiedlich über ein Mischsystem aus hohen Kompensationszahlungen an den Staat ("shehui fuyang fei") und Versorgungsanreizen: Ein-Kind-Familien wurden bei der Gesundheitsversorgung, der Rente, beim Urlaub und bei der Wohnungsvergabe bevorzugt. Bis 2003 wurde von jungen Paaren außerdem eine Art "Familienplanungsführerschein" gefordert, welcher Grundkenntnisse der Empfängnisverhütung zum Inhalt hatte.

Durch die Ein-Kind-Politik wandelte sich die Haltung gegenüber Kindern: Den Einzelkindern wurde nicht nur mehr Fürsorge, sondern auch mehr Bildung zuteil - im eigenen Interesse der Eltern, die durch ein höheres Einkommen des Einzelkindes ihre Chancen auf Zuwendungen im Alter erhöhten. So konnte auch in traditionell bildungsfernen Schichten der Sprung aus dem Elend geschafft werden. Als zweischneidiges Schwert erwiesen sich die zur Abschreckung eingeführten Nachteile für die Ausbildung, welche dafür sorgten, dass nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder benachteiligt wurden. Die großen sozialen Unterschiede im heutigen China wurden auch diese auch von Eltern mitverursacht: Arme Wanderarbeiter sind häufig Söhne von Bauern, die sich nicht an die Ein-Kind-Regelungen hielten; Programmierer, Ingenieure und Geschäftsfrauen in den Städten oft Einzelkinder.

Achmadinedschad dagegen orientiert sich mit seiner neuen Bevölkerungspolitik eher an Deutschland, wo es neben zahlreichen anderen Subventionen auch ein gestaffeltes Kindergeld gibt, das dafür sorgt, dass sich die Pro-Kopf-Zahlung erhöht, je mehr Kinder eine Frau gebärt. Als Begründung dafür nennt das Bundesfamilienministerium einen Anreiz zur Steigerung der Geburtenrate, welche wiederum die Rente "sichern" soll. Ob das eine rein quantitative Steigerung ohne Blick auf die Qualität wirklich vermag, ist allerdings fraglich.

Werden Ausbildung und wirtschaftliche Möglichkeiten der potenziellen Einzahler in die Rentenkasse nicht in solche Planungen mit einbezogen, dann ist dem Sozialversicherungssystem auch mit einer noch so hohen Geburtenrate nicht gedient. Denn wenn Kinder aus Großfamilien mit stark erhöhter Wahrscheinlichkeit als "Bushido"-Hörer enden, dann sichern sie zukünftigen Rentnern nicht das Alterseinkommen, sondern rauben es ihnen eher - auch ganz wörtlich gesehen.

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