Al-Qaida in Istanbul im Medienkrieg mit Bush-Besuch in London

Die Terroranschläge in Folge des Irak-Krieges weiten sich in der Region aus

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Mindestens 27 Tote und mehr als 450 Verletzte forderten die Bombenanschläge in Istanbul. Ähnlich wie bei den Anschlägen auf Synagogen sechs Tage zuvor steuerten Selbstmordattentäter beinahe zeitgleich zwei Gebäude mit Sprengstoff bestückten Fahrzeugen an: eine britische Investmentbank und das britische Generalkonsulat, dessen Leiter ebenfalls ums Leben kam. Deutsche Geheimdienstler waren sich ziemlich schnell über den "Al-Qaida-Bezug" (BND-Präsident Hanning in einem B5-Radio-Interview) der blutigen Attentate einig: erste Bilder der apokalyptischen Verwüstungen in Istanbul konkurrierten mit der Übertragung der Feierlichkeiten in London anlässlich der pompösen Bush-Visite.

Die symbolische Wirkung der Anschläge, so wird der Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung, Ernst Uhrlau, zitiert, ziele darauf ab, dass die Qaida sich als Organisation beweise, die "auf Augenhöhe" mit US-Präsident Bush kämpfen könne. BND-Chef Hanning erklärte in dem Radiointerview weiter, dass der Anschlag seiner Einschätzung nach in der Türkei stattfand, weil die "eingeschränkte Logistik" der Qaida derzeit keine Anschläge in westlichen Ländern zulasse, die besser abgesichert sind.

Angesprochen auf das Timing der Anschläge mit dem Bush-Besuch erklärte der britische Premier Blair:

Wer den terroristischen Anschlag heute in der Türkei verursacht hat, ist nicht der Präsident der Vereinigten Staaten. Es ist nicht die Allianz zwischen Amerika und Großbritannien. Wer für den terroristischen Anschlag verantwortlich ist, ist der Terrorismus, sind die Terroristen.

Beide Regierungschef zeigten sich denn auch entschlossen, sich von den Anschlägen, die den gestrigen Tag des Treffens merklich überschattet haben, nicht einschüchtern zu lassen.

"Die letzte Gräueltat hat uns gezeigt, dass dies ein Krieg ist. Sein Hauptschlachtfeld ist der Irak", bekräftigte Blair Bush, der seinerseits betonte, dass die amerikanische Mission im Irak nobel sei und notwendig:

Wir werden den Job beenden, den wir angefangen haben.

Dass dieser noble "Job" vor nicht allzu langer Zeit an das Versprechen geknüpft wurde, die Welt sicherer zu machen, daran erinnerte sich gestern keiner der beiden Kämpfer für das Gute. Heute wurde auch in Kirkuk noch eine Selbstmordanschlag auf die Büros der Kurdischen Demokratischen Partei sowie der kurdischen Partei PUK durchgeführt. Jalal Talabani, der Vorsitzende der PUK, ist Leiter der von der US-Regierung eingesetzten Übergangsregierung. Überdies gab es einen Anschlag auf eine Schule in Bagdad und wurde die jordanische Botschaft beschossem.

"Action speaks louder than words", heißt ein amerikanisches Sprichwort und derzeit sprechen am lautesten die Bomben auf dem Hauptschlachtfeld im Irak und auf dem "Nebenschauplatz" in Istanbul. Damit wird immer deutlicher, dass in der ganzen Region der Terror zunimmt. Der unter vorgeschobenen Gründen und ohne die Zustimmung der UN durchgeführte Irak-Krieg und die anschließende Besatzung haben den Terroristen Auftrieb gegeben und ihnen eine neue Legitimation verschafft.

Zehntausende oder Hunderttausende - die Veranstalter sprechen von 200.000, Scotland Yard von 70.000 - haben sich an der Demonstration gegen die Kriegspolitik von Bush und Blair heute Abend in London beteiligt.