Allahu akbar in Jakarta

300 000 gegen den "paranoiden Führer"

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Bisher war es in Jakarta, Hauptstadt des größten muslimischen Landes, recht ruhig geblieben. Lediglich auf Bali, in der traditionell muslimischen Stadt Pakalongan sowie in Surabaya, waren letzte Woche Menschen für das irakische Brudervolk und gegen den Krieg auf die Straße gegangen.

Frauen protestieren in Jakarta gegen den Krieg

Am Sonntag jedoch geriet Indonesiens Bemühen, aus wirtschaftlichen Gründen dem Anti-Amerikanismus nicht die Zügel schießen zu lassen und sich zumindest nach außen hin als einigermaßen amerikafreundlich zu profilieren, kräftig außer Kontrolle. 300 000 Menschen sollen in Jakarta die zehnspurige Hauptstraße Jakartas blockiert haben, um ihrer Wut auf den amerikanischen Aggressor "Amerika Imperialist - Nummer eins Terrorist" Luft zu machen. Bei der Abschlusskundgebung der bisher größten Anti-Kriegsdemonstration bezeichnete der indonesische Parlamentspräsident Bush als Terroristen. Mit der Toleranz dem Krieg gegenüber, welche ohnehin nur mühsam aufgesetzt war, ist es vorbei. Die US-Botschaft in Jakarta will Informationen erhalten haben, dass terroristische Anschläge bevorstünden; es bestehe außerdem die Gefahr, dass Demonstrationen eskalierten, weshalb allen US-Amerikanern geraten wird, aus dem Land auszureisen. Die Front zur Verteidigung des Islams (FPI) rekrutiert symbolisch Freiwillige, die für den Irak kämpfen sollen. Indonesische Misereor- Partnerorganisationen berichten von Übergriffen gegen Christen. Der Chef der (zweitgrößten) islamischen Organisation Muhammadiyah sprach vom Krieg eines "paranoiden Führers". Schon vor Kriegsbeginn verglich Amien Rais. der Präsident des Volkskongresses, Amerika mit einem "Kind in der Pubertät, das keine Grenzen kennt". Gestern forderte er, dass George W. Bush und Tony Blair sich vor einem internationalen Gericht für ihre Kriegsverbrechen verantworten und formulierte ein entsprechendes Schreiben an die UN-Behörde in Jakarta.

Warum nicht? Vielleicht nicht jetzt, aber wenn sie erst wieder normale Bürger sind, kann ihr Handeln als Verbrechen gegen die Menschheit geahndet werden, so wie es auch Slobodan Milosevic widerfahren ist

Amien Rais

Viele muslimische und soziale Einrichtungen plädieren dafür, dass die diplomatischen Beziehungen zu den USA eingefroren und US-amerikanische Produkte boykottiert werden. Ein Schritt, gegen den jedoch, so argumentieren andere, die wirtschaftliche Abhängigkeit spricht. Einzelne Gruppen, wie die hoch angesehene Umweltorganisation Indonesian Forum for the Environment (Walhi) haben amerikanischen und australischen Spendern die Zusammenarbeit gekündigt.

Die indonesische Bevölkerung ist vereint gegen diesen Krieg. Diese Einmütigkeit zieht sich nicht nur durch die muslimische Bevölkerung, sondern sie erfasst auch die Angehörigen aller anderen Religionen. Auch bei den Muslimen gibt es jetzt keine unterschiedlichen Meinungen mehr zwischen den sogenannten "moderaten" und "radikalen" Gruppen. Man kann davon ausgehen, dass es in Zukunft eine erhöhte Radikalisierung gegen die USA in Indonesien geben wird. Auch der Druck auf die Regierung von Frau Megawati wird in dieser Frage zunehmen.

Hasyim Muzadi, der Vorsitzende von Nahdlatul Ulama, der größten muslimischen Organisation Indonesiens, in: Deutsche Welle

Präsidentin Megawati, der von Kritikern im Land vorgeworfen wird, sie versuche Indonesien allein mit "Lächeln und Schweigen" zu regieren, war letzte Woche von Präsident Bush angerufen und um Unterstützung gebeten worden. Seiner Aufforderung, die irakische Botschaft zu schließen, kam Jakarta jedoch nicht nach. Der Nachrichtenservice Globalinfo berichtet, dass Bush Gerüchten zufolge außerdem gefordert habe, die Ausstrahlung des katarischen Senders al-Dschasira zu verbieten, welcher als einziger politisch unabhängiger arabischer Satellitensender gilt und in Indonesien mittlerweile zum beliebtesten ausländischen Sender geworden ist. Bush habe argumentiert, dass al-Dschasira einseitige Propaganda gegen die USA verbreite und ihre Position in der indonesischen Öffentlichkeit schwäche. Für derartige informationspolitische Maßnahmen scheint es etwas spät zu sein. .