Alle meine Entchen - schwimmen heut im Netz

Metallica verklagt kanadische Newcomerband wegen zwei Akkorden...

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Der erste April gilt als guter Zeitpunkt, um Falschmeldungen ungestraft in Umlauf zu bringen. Noch wirkungsvoller verbreiten sich "Enten" jedoch regelmäßig im Hochsommer, wenn keiner damit rechnet. Drucken oder online stellen sollte man sie aber auch dann nur, wenn man sie sich selbst ausgedacht hat.

Das Sommerloch lässt grüßen - wer als Redakteur thematisch nicht auf Nessie oder wenigstens dessen Nichtexistenz zurückgreifen will und sich auch nicht im Ressort "Knaddel/Teppichbohlen/Verona Feldbett & Co." wohl fühlen kann, ist ein armes Schwein und fällt schon einmal auf die in dieser Jahreszeit massenhaft herumschwimmenden und England sowie die Presse heimsuchenden Enten herein.

Mitunter ist es einfach nur gehobener Blödsinn, der fleißig weiterverbreitet wird - und wenn der Redakteur es dann mehrmals am Tag hört oder ihm gar die neue Google-Newssuche "68 ähnliche Meldungen" signalisiert, dann glaubt er es mitunter, ohne die Ursache nochmals nachzuprüfen. Nicht anders als Gerüchte, die man nach der dritten Erzählung leicht für bare Münze nimmt, obwohl es die Erzähler auch nur voneinander erfahren hatten und am Schluss keiner mehr weiß, wo die Story eigentlich her kam.

Das Internet: Der Ort, wo Enten laufen lernen

Da man sich als Entenzüchter bei den reingefallenen Kollegen nicht unbedingt beliebt macht, sind Journalisten allerdings selten die eigentlichen Urheber der Falschmeldungen. Hoaxes, Scherze im Web und als Kettenmail, haben das ganze Jahr Saison, sind aber meist nur ebenso mäßig lustig wie ihre ernst gemeinten betrügerischen nigerianischen Verwandten.

Einen Enten-Volltreffer gelandet hat jetzt aber die kanadische Band Unfaith. Ein MTV-Artikel verkündete, dass die bis dato eher unbekannte Band von Metallica verklagt worden sei, weil sie die Akkorde E und F in dieser Reihenfolge in ihren Songs kopiert habe - die einzigen, die Metallica spielen könne und die Metallica somit berühmt gemacht hätten. Das glaubt man nur zu gern: Metallica ist schließlich als Band bekannt, die nicht die leisen Töne liebt, deshalb laut MTV (diesmal als echte Meldung!) sogar zur Folter im Irak herhalten musste, und ihre Erfolge sicher nicht durch extrem hohe musikalische Kreativität und instrumentale Fertigkeit errang, dafür aber gerne alles und jeden verklagt - auch Reifenfirmen, Lippenstiftfabriken und Parfümhersteller sollen schon von Metallica verklagt worden sein.

Ach, Moment, das ist ja gar keine Seite auf MTV.com? Natürlich nicht, die hat Erik Ashley, der Sänger von Unfaith nämlich selbst gebastelt. Es gibt auch keinen Reporter "Joe D'Angelo". Nicht ohne Grund heißt es am Fuß der Seite: "Because if it's on the net, it's got to be true" (ie, this is a parody)." Das allerdings überlasen die ersten Online-Portale wie Ananova und MSNBC News, die Diskussionen über die Seite am Morgen des 16. Juli in Foren entdeckten und nur wenige Minuten später die "brandheiße Meldung" kopierten. Discjockeys übernahmen die Geschichte prompt in ihre Morgensendungen und riefen sogar zu Petitionen aus, um Metallica-Stücke von ihren Sendern verbannen zu lassen. Natürlich gab keiner die entlarvende Quelle scoopthis.com an oder kannte sie auch gar nicht mehr, sondern gab die Story als seine eigene aus und band sich die Ente so brav ans eigene Bein.

Ein Copyright auf die Abfolge zweier Akkorde?

Es war einfach eine Geschichte, die jeder nur zu breit war, zu glauben. Selbst, als Unfaith auf ihrer eigenen Website den Gag längst als solchen enttarnt hatten, schrieben immer noch Fans ganz empört "Nein, nein, das ist echt so passiert, ich habe es doch gerade im Radio gehört!" Und das bei einer Band, die ausgerechnet Unfaith heißt und auch in keinem Song E-F-Akkorde verwendet.

Die besseren Newssites brachten später eine Korrektur; andere löschten einfach nur den peinlichen Ausrutscher. Die einzigen, die nicht auf die Parodie hereinfielen und auch sonst dazu schwiegen, waren MTV.com - in Deutschland wäre da natürlich sofort eine spektakuläre Klage angesagt gewesen ...

Ursprünglich wollte Ashley für die Meldung sogar eine neue Band erfinden, um sich nicht nachher Klagen von Metallica einzufangen. Die trugen es aber mit Fassung - und Lars Ulrich gab sogar zu: "Das war eindeutig einer der besseren Scherze über uns." Hoffen wir nur, dass sich auch die nächste Klage von Metallica als Scherz herausstellt.