Alte und neue Gentechnik: Profiteure und Risiken

Seite 2: Hohe Anforderungen an neue Pflanzen

In den USA sind die neuen Gentechnik-Verfahren bereits zugelassen. Auch in Großbritannien, wo man sich seit dem Brexit an keine EU-Regeln mehr halten muss, forschen Biotechnologen ehrgeizig daran, wie sie mit Hilfe der neuen Methoden Pflanzen und Lebensmittel verändern können. Die Nachfrage ist groß, weiß die Wissenschaftlerin Sarah Raff vom britischen Rothamsted-Institut.

Ob Welthunger, Klimaveränderungen oder neuartige Pflanzenkrankheiten - an die neuen Pflanzen werden hohe Anforderungen gestellt. CRISPR und Genom-Editing sollen sie für die künftigen Herausforderungen fit machen. Doch es gibt auch Kritiker: Die meisten Agrarbetriebe bauen nur drei bestimmte Pflanzen an, die eine begrenzte Nährstoffvielfalt bieten, erklärt Landwirt George Young. Sie liefern zwar Kalorien, dienten aber nicht wirklich der Ernährung. Mit Genom-Editing könne man die intensive Landwirtschaft dann noch intensiver zu betreiben. Mit der Frage der Zulassung stehen die Briten nicht nur vor einer wissenschaftlichen, sondern auch vor einer gesellschaftlichen Herausforderung.

Mit dem neuen Verfahren seien Veränderungen im Erbgut nicht nachweisbar, argumentieren Gentechnik-Befürworter. Doch bieten sie die Möglichkeit, noch gravierender ins Pflanzengenom einzugreifen. Komplexe Zusammenhänge in der Pflanze sind bis heute unverstanden. Durch die fehlende rechtliche Einordnung ergeben sich juristische Interpretationsspielräume, die Agrarmultis wie Bayer nutzen wollen, um genmanipulierte Pflanzen ohne Zulassungs- und Kennzeichnungspflichten zu vermarkten. Das bestehende Gentechnik-Recht muss angewendet und die Aussaat des Gen-Rapses verhindert werden, fordert das Umweltinstitut München.

Die aktuelle Veröffentlichung der EU-Kommission beschreibe mögliche Vorteile der neuen Techniken, die es real gar nicht gibt, kritisiert Sophia Guttenberger, Referentin für Landwirtschaft und Gentechnik. Das Gentechnikrecht müsse endlich angepasst werden, aber nicht mit dem Ziel, dass gentechnisch veränderte Futter- und Lebensmittel leichter nach Europa gelangen, sondern damit genau das unterbunden wird. Keinesfalls dürften die neuen Gentechnikmethoden durch geänderte Gentechnikgesetze erlaubt werden.

Mehr Herbizide

Wegen des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO-Pflanzen) habe die Menge der ausgebrachten Herbizide deutlich zugenommen, heißt es in einer Studie der Universität Koblenz-Landau, die kürzlich in der US-Fachzeitschrift Science erschien. Zwar sei in den USA die Menge der Insektengifte rückläufig, dafür sind die heute eingesetzten Stoffe für Insekten wesentlich giftiger. Obwohl der Gentechnik-Mais sein eigenes Insektengift produziert, konnte der Einsatz von Neonicotinoiden, die nach wie vor zur Behandlung des Saatguts eingesetzt werden, nicht reduziert werden.

Die Toxizität habe sich für Krebstiere oder Bienen trotz geringerer Menge an Insektiziden zwischen 2005 und 2015 sogar mehr als verdoppelt. Vor allem der Einsatz von Neonicotinoiden und Pyrethroiden hat zugenommen. Und diese sind schon in geringen Konzentrationen giftig. Besonders in Gen-Mais und Gen-Soja hat die Toxizität der Pestizide für Wirbellose in Gewässern sowie für bestäubende Insekten an Land zugenommen.

So verglichen Forscher in den USA Menge und Giftigkeit der ausgebrachten Pestizide auf Feldern mit GVO-Pflanzen mit denen der konventionellen Landwirtschaft: Waren vor dem Anbau von GVO alle Unkräuter empfindlich gegenüber Glyphosat, so wurden Soja, Mais, Baumwolle, Raps und Zuckerrüben gentechnisch derart verändert, dass sie nicht nur resistent gegenüber Glyphosat wurden, sondern auch intensiver mit Herbiziden behandelt werden mussten. Allein in den USA haben sich mehr als 15 Arten dem Herbizid angepasst.

Die Einführung herbizidresistenter Pflanzen ermöglichte einen immer stärkeren Einsatz von Pestiziden über viele Jahre hinweg, erklärt Prof. Ignacio Chapela von der University California. Weil ein einziges Mittel nicht mehr greift, propagiert die Agroindustrie den Einsatz vieler verschiedener Mittel, die entsprechend giftiger sind als die der letzten Jahre.

Seit Maiswurzelbohrer gegen Pflanzen, die durch gentechnische Veränderung das bis dato für Fraßinsekten tödliche Bt-Protein bilden, resistent geworden seien, setze man sogar Bodenpestizide ein, weiß der Entomologe Joseph Spencer von der Universität Illinois. Eine fatale Strategie. Die meisten Nachkommen würden zwar vernichtet, doch die, die überleben, sind umso besser angepasst.

Als enttäuschend erwies sich daher der Anbau von GVO-Mais, der die spezielle RNA des Bacillus thuringiensis (kurz: Bt) produziert, die normalerweise nur in Bodenbakterien vorkommt. An dieses Gift haben sich Fraßinsekten wie der Wurzelbohrer so gut angepasst, dass der Anbau der Bt-Pflanzen mittlerweile eingeschränkt wurde, ohne allerdings der Einsatz der Neonicotinoide zu reduzieren.

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