Alter Affe Angst

Die Kulturgeschichte des Riesenaffen und der weißen Frau

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Dass Peter Jacksons Hobbit-Tagtraum "Der Herr der Ringe" eigentlich nur ein langer, sehr langer Vorspann in drei Teilen war, hatten wir immer schon geahnt. Jetzt kommt das Hauptmenü. Ein Schrei. Ein Affe. Eine weiße Frau. Drei Stunden lang. Halb so lang war das Original von 1933: eine universale Metapher politischer und kultureller Verhältnisse, Sinnbild für die Beziehung zwischen Zivilisation und Barbarei, für Sexualität und Rassismus und für die Lösungen, die die Unterhaltungsindustrie anzubieten hat. Auch in ihrer Mehrdeutigkeit die Ikone eines Kinos, das mehr sein will als Unterhaltung - ohne deshalb weniger zu unterhalten.

Ein Hollywood-Filmteam reist auf die unbekannte, merkwürdig verlorene Südseeinsel "Scull Island", um deren Geheimnis zu lüften. Beim Dreh stößt man auf feindselige Eingeborene, die den Riesengorilla King Kong als Gott verehren. Sie wollen ihm die Schauspielerin Ann, die einzige Frau, die das Team begleitet, opfern. Darum entführen sie Ann des nachts heimlich vom Schiff. Tatsächlich taucht der Riesenaffe auf, doch tötet er Ann nicht, sondern behandelt sie fürsorglich und schützt sie in vielen Kämpfen gegen furchterregende Urwelttiere wie Saurier und Drachen. Indem sie die Liebe Kongs zu Ann ausnutzen, gelingt es den Filmleuten, den Affen zu fangen und nach New York zu entführen, wo er von der Unterhaltungsindustrie als "Achtes Weltwunder" vermarktet wird. Dort befreit sich Kong, kidnapped Ann erneut und wird von der US-Luftwaffe schließlich in einem sagenhaften Showdown auf dem Empire State Building getötet.

Ein wilder Film voller Leidenschaft mit sensationellen, nie zuvor gesehenen Bildern und dabei die große Tragödie einer unerfüllten Liebe. Man hat "King Kong" mittlerweile ein wenig vergessen, scheint doch der Film Ernest B. Schoedsacks und Merian C. Coopers gegenüber anderem aus der Glanzzeit des frühen Tonfilms, gegenüber Langs Thrillern, Chaplins Komödien, Renoirs Melodramen und Riefenstahls Propagandakino in der oberflächlichen, ersten Erinnerung vergleichsweise banal. Doch wenn es nur ein Gutes hat, dass Peter Jackson nach seinem dreiteiligen Hobbit-Tagtraum "Der Herr der Ringe" kommende Woche nun die Welt mit seinem persönlichen Remake von "King Kong" beglückt, dann, dass er uns damit daran erinnert, dass es ein Original gibt, das wir wiedersehen sollten. Es ist nämlich gerade falsch, wenn der Filmwissenschaftler Jan Diestelmeyer in "epd" schreibt, "erst die Entfernung ermöglicht komplettere Bilder, Entwürfe unseres Augenscheins von einem Biest, das in jeder Beziehung anders ist." Man muss vielmehr die Distanz der Jahre aufbrechen, näher herantreten und genauer hinschauen.

Der Monster- und Sensationsfilm schlechthin

Dann entdeckt man einen der Archetypen des Kinos, eine Film-Ikone. Denn als der Original-"King Kong" 1933 das Licht der Filmwelt erblickte, war dies "der" Monster- und Sensationsfilm schlechthin, nicht nur, weil er im Gegensatz zu "Frankenstein" oder "Dracula" nicht auf literarischen Vorlagen fußt, sondern ein ureigenes Geschöpf der Filmgeschichte ist. Besser als andere Filme beherrscht dieser die Kinodialektik von Verbergen und Zeigen, souverän spielt er auf der stilistischen Klaviatur des Mediums, ist Jahrmarktvergnügen, intellektuelles Vexierspiel und große Kunst zugleich. Kurzum - eine Offenbarung: Ein Blockbuster, Liebesmelo und Katastrophenfilm, Horror, Thriller und Abenteuermovie in einem, prallvoll mit nie zuvor gesehenen Tricks, zugleich voller Poesie und Tiefgang. Denn vieles liegt in diesem Stoff: Die klassische Geschichte von der Schönen und dem Biest, eine ungleiche, einseitige Liebe über Grenzen von Klasse, Rasse und Natur. Abgesehen von der Metapher des Verhältnisses von Zivilisation und Barbarei, Disziplin und Wildheit hatte dies - ein großer schwarzer Affe entblättert eine weiße, blonde Frau - 1933 auch einen eindeutig rassistischen Unterton.

Aus Anlass des bevorstehenden Kinostarts von Jacksons Remake wurde "King Kong" gerade erneut ins Kino gebracht. Auf DVD ist er schon länger zu haben (siehe unten). Sieht man den alten Film heute wieder, ist man erstaunt über die Deutlichkeit, mit der auch politische Themen der damaligen Zeit angesprochen werden: Dynamik und Psychologie der modernen Massengesellschaft, die Not der wirtschaftlichen Depression und die daraus folgende Sehnsucht nach einer Utopie - gespiegelt durch das gedankliche Spiel mit dem eigenen Untergang, die mehrfach aufscheinende unterbewusste Sehnsucht nach der Apokalypse, nach einer Katastrophe der Verhältnisse. Sehr klar analysiert der Film auch die Mechanismen der Unterhaltungsindustrie: Immer wieder sieht man den Filmemachern hier beim Filmen zu. Und bis heute atemberaubend ist die Szene, in der Ann noch vor Erreichen der Inseln die verschiedenen Stadien der Angst, bis hin zum nackten Entsetzen für Probeaufnahmen simuliert - die sie später tatsächlich in den Händen Kongs empfinden wird. Eine Entlarvung des Kinos.

Stummfilmstar Fay Wray spielte hier mit der Rolle der Ann die Rolle ihres Lebens. Doch der eigentliche Star des Films sind die Monster, tricktechnisch per Stop-motion-Verfahren, Rückprojektion, mit mehrschichtigen Glasplattenhintergründen und Miniaturmodellen in einer Perfektion zum Leben erweckt, die erst in den 80ern mit den ersten Computern übertroffen wurde. Allen voran King Kong selber. Hier sprengte das Kino seine Grenzen, eroberte sich neue Möglichkeiten. Doch diese Tricks waren nie Selbstzweck, sie dienen dazu, die Story voranzutreiben, sie weiterzuentwickeln.

1,75 Millionen Dollar, damals eine gigantische Summe, spielte der Film nach seinem Start am 2.März 1933 ein und rettete mit diesem damals erfolgreichsten Filmstart aller Zeiten das vor dem Bankrott stehende Studio RKO. Als Executive-Producer fungierte übrigens David O. Selznick, der die "große Mauer" des Films dann 1941 in "Vom Winde verweht" beim Brand von Atlanta in Flammen aufgehen ließ. Bis in die 50er Jahre erlebte der Film regelmäßige Wiederaufführungen, schrieb sich ein in die Mythologie Amerikas.

Sex, Tier, Unschuld

Dabei ist der Stoff zunächst einmal ganz klassisch, also europäisch: "La belle et la bete", "Die Schöne und das Biest", so lautet die Formel für das seit der Antike bekannte Phänomen der Liebe zwischen Tier und Mensch, die in ihrer modernen Form auf ein Stück Literatur des 18. Jahrhunderts zurückgeht: das französische Märchen "La belle et la bete" von Madame Leprince de Beaumont, das wiederum auf einer viel ausführlicheren Fassung von Gabrielle-Suzanne de Villeneuve basiert. Das Sujet ist die Liebe zwischen den Arten, zwischen Ungleichen, zwischen zwei Prinzipien auch, nämlich dem der Schönheit und der Hässlichkeit, Monstrosität, zwischen Reinheit und Unreinheit. In ihren unterschiedlichen Interpretationen verrät sie in auch immer nicht zuletzt etwas über die Natur der Liebe in der Perspektive der jeweiligen Autoren. Führt sie zum Glück, vielleicht zur Erlösung der Hässlichkeit, oder wie im Fall von Kong zum Untergang? Diese Liebe ist zumindest fast immer eine "amour fou", oft genug verderblicher Art. Zugleich mag man darin eine Allegorie auf das (Miss-)Verhältnis männlicher und weiblicher Sexualität, auf den "tierischen" Trieb des Mannes und den "reinen" der Frau erkennen. Das "Tierische" ist hier immer der Trieb, aber nicht immer das Männliche. Gerade im Kino tritt auch weibliche Sexualität oft in Tiergestalt auf - am berühmtesten in den Variationen der "Cat People" bei Tourneur und Schrader. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet Franklin J. Schaffner "Planet der Affen", in dem die Affen die intellektuellere, aber auch sexuellere Spezies sind - der von Charlton Heston verkörperte Mensch nur ein Objekt des Begehrens.

Das Tierische ist aber jedenfalls das insgesamt beweglichere Prinzip, dass den statischeren Menschen beunruhigt, aus der Ruhe bringt, das ihm womöglich eine andere Welt eröffnet: So etwa in dem öfters fürs Kino adaptierten Shakespeare-Drama "The Tempest", in dem der Tiermensch Caliban, neandertalerartiger Tiermensch die junge, aber neugierige Unschuld Miranda umgarnt. Ähnlich wie Caliban überschreitet auch Kong in der Urfassung des Öfteren die Grenzen, die gerade noch zulässig sind: In einer berühmten Szene entblättert er die ohnmächtige Ann, zieht sie teilweise aus, greift ihr mit seinen Riesenfingern gar unter den Rock und riecht dann kurz, aber unübersehbar am Finger: Eine eindeutige sexuelle Konnotation.

Zugleich löst sich diese Liebe von Oberflächen und äußerem Schein, wird tiefer, darin "reiner": Denn zumindest im Märchen siegt die Allmacht der Liebe: Die Frau, die dem Begehren der Bestie zunächst angewidert, erschreckt, mindestens befremdet gegenübersteht, wird von der Stärke dieses Begehrens, das sie immer wieder durch ihre Schreie (!) anregt - so noch im New Yorker Varieté, als sie den Ausbruch Kongs eigentlich erst verursacht - verführt. Und sie erlöst, indem sie ihm nachgibt, den Mann. Eines aber bleibt gleich: Die Frau ist als die "Schöne" das Objekt der Begierde. Sie wird geopfert, sie wird dem Riesenaffen gleich mehrfach ausgesetzt, um seinen Hunger zu befriedigen, um mit Ann in jeder Hinsicht zu machen, was er will.

Der koloniale Blick

"Die Bestie", das meint aber noch etwas anderes. Sie ist das Fremde, Ferne, Exotische - gesehen durch den kolonialen Blick. Ein Reflex auf die Erfahrung der anderen Menschenrassen, der neuen Territorien mit ihren neuen Erfahrungen; kulturelle Geopolitik. Im 19. Jahrhundert, der Hochzeit des Imperialismus, als die europäischen, sich bereits demokratisierenden Gesellschaften die noch nicht eroberten Teile der Welt kolonisierten, schrieb man in die weißen Flecken auf der Landkarte "Hic sunt leones", hier sind Löwen. Die Lebensräume der Bestien und Ungeheuer waren uneroberte, unzivilisierte, archaische Landschaften, vorzugsweise Inseln, wie im Fall des Kong, aber auch des Caliban, wie die "Insel des Dr. Moreau" in H.G. Wells mehrfach verfilmten Roman von 1896. Hier erzeugt ein Wissenschaftler durch biotechnische Verfahren Menschen aus Tieren. Das Wilde war zuhause in diesem "Herz der Dunkelheit". Man kann sich hierhin flüchten und ein "Lost Paradise" finden, man kann aber auch das Fürchten lernen.

So gesehen ist Kong auch eine Metapher für das Nichts, eine weiße Fläche, die erst zu beschreiben und zu definieren ist, ein Mythos des Unbekannten, Anderen, zu Unterwerfenden an sich - wie "Moby Dick" und viel später einmal der "weiße Hai". Keine Frage, dass in diesem Zusammenhang der große schwarze Menschenaffe Kong mindestens dreierlei symbolisiert: Zunächst das Verhältnis zwischen Mensch und Natur im allgemeinen - wo Kong am Ende als vergewaltigte Natur, unschuldig und Christusgleich an ein Kreuz geschmiedet leidet -, zweitens präziser die darwinistisch gestützte "Verwandtschaft" zwischen Affe und Mensch, sowie die rassistische Beschreibung schwarzer Menschen als Affen. Dieser Aspekt wird auch noch verstärkt durch Kongs Ketten in der Varieté-Show: Kong ist ein versklavter Wilder, den schwarzen Ureinwohnern auf Scull-Island, die Tänze im Affenkostüm aufführen, weitaus ähnlicher als seinen Entführern. Er bleibt das Andere, Fremde, das der Zivilisation Widerstand entgegensetzt. Distelmeyer (s.o.) zitiert hierzu eine interessante Beobachtung der Filmkritikerin Pauline Kael, die dieser Beobachtung nicht widerspricht, sie aber ergänzt:

Manchmal haben Weiße den Film als eine rassistische Verleumdung beschrieben, aber die Schwarzen, die ich kenne, haben ihn alle gemocht. Es war ihre eigene, ganz spezielle, großstädtische Gorilla-Guerilla-Fantasie: Der König im eigenen Land sein, in Ketten von dort weggebracht werden, stark genug zu sein, um Missachtung und Trotz über die große Stadt hinweg zu brüllen, um schließlich mit einem ruhmreichen Ausbruch unterzugehen.

Naturgewalten in der Massengesellschaft

Die politische Metaphorik in "King Kong" ist versteckter: Deutlich angesprochen wird nur die wirtschaftliche Depression der Zeit. Ann stiehlt Anfangs aus Not einen Apfel, kann sich ein warmes Essen nicht leisten. Die Lösung dieser Krise kommt aus der Unterhaltungsindustrie - und zwar doppelt: Der Regisseur Carl Denham rettet Ann aus ihrer Not, gibt ihr ein Essen und vor allem neue Hoffnung. Er bietet ihr Arbeit und verspricht Ruhm, freilich um den Preis hohen Risikos, wie sich herausstellt, in dem sie ihr Leben riskiert. So deutlich Denham hier dem 1932 gewählten Präsident Franklin D. Roosevelt ähnelt, der ausgezogen war, seinen Landleuten das Fürchten abzugewöhnen, so mehrdeutig ist in diesem Zusammenhang die Figur des Riesenaffen. Ist es der Pakt mit der Arbeiterklasse, in deren nur scheinbar gefährliche Riesenhände sich Ann (= Amerika) ergeben muss? Repräsentiert Kong die Naturgewalt des Kapitalismus? Oder steht der Affe womöglich für das Monster des Faschismus, das die bürgerliche Gesellschaft verführt, scheinbar zu zähmen ist, aber dann mit Verwüstung bedroht?

Nach der Rückkehr nach New York erleben wir die Showgäste jedenfalls als Repräsentanten der (groß-)bürgerlichen Gesellschaft. In ihren Reaktionen auf die Shows und den Ausbruch Kongs ereignet sich die "Psychologie der Massen", spiegelt sich die Dynamik der modernen Massengesellschaft. Der Film ist ein Spiel mit der Katastrophe, mit dem, was passiert, wenn diese Massengesellschaft vom Chaos heimgesucht wird. Lustvoll malt der Film Chaos- und Untergangsvisionen, entspricht darin der apokalyptischen Stimmung seiner Gegenwart und der - nicht immer unbewussten - Sehnsucht nach einer völligen Veränderung, einer Revolution der Verhältnisse, wie sie Roosevelt mit seinem "New Deal" versprach und realisierte. An der Katastrophe trüge die Unterhaltungsindustrie mit ihren falschen Versprechungen - "Geld, Ruhm und Abenteuer" verspricht Denham mehrfach - und ihrer Unterschätzung der Natur wesentlich Mitschuld, nicht aber an der Rettung der Gesellschaft. Man kann "King Kong" daher als Angstphantasie verstehen, die gleichermaßen die vermeintliche Bedrohung durch die Masse, durch das soziale Chaos und durch die Folgen der Unterhaltungsindustrie zum Inhalt hat. "King Kong" bleibt eine zeitlose Parabel auf unser aller Angst vor dem Unbekannten.

Mechanismen der Unterhaltungsindustrie

"King Kong" erzählt von einem "Film im Film" und zwar von Hollywood. Damit geht es auch um die Mechanismen dieser Unterhaltungsindustrie und zwar in einem Unterhaltungsfilm - also geht es um Selbstreflexion. "King Kong" ist der Beweis, wie dumm jene immer wiederauftauchende Rede davon ist, ein Film wolle "doch nur unterhalten." Er zeigt, dass es vielmehr reine Unterhaltung gar nicht gibt, sondern Unterhaltung, die ihrer selbst bewusst ist, und solche, die das nicht ist.

In zahlreichen Remakes erstand Kong seit 1933 immer wieder auf, vor allem in Japan, wo zudem mit "Godzilla" ein Bruder in Form und Geist, ein tolpatschiger, nicht wirklich böser, aber doch ins Leben der Menschen nicht integrierbarer Bruder im Geiste entstand. 1976 kam es schließlich zu einem Hollywood-Remake, das sich eng ans Original hielt, es aber in die Gegenwart der 70er übertrug. Jessica Lange begann als "weiße Frau" ihre Karriere, auch Jeff Bridges war zu sehen - trotzdem blieb von dem Film nicht viel in Erinnerung. Dino de Laurentiis produzierte es mit großem Budget, aus der Filmproduktion wurde kurz nach der Ölkrise eine Öl-Expeditions-Gruppe, und der Affe stieg auf das neue World Trade Center. Wie vor ihm viele andere klaute Anfang der 90er Steven Spielberg schamlos aus dem Original, schon in "Der weiße Hai", vor allem aber in "Jurassic Parc" und "Lost World".

"Noch an diesem Abend beschloss ich, Filmmacher zu werden"

Nun also Peter Jackson. Man weiß noch immer nicht recht, ob man sich darüber freuen soll, dass der neuseeländische B-Movie-Held, der mit Filmen wie "Braindead" und "Heavenly Creatures" frühen, sehr berechtigten Ruhm erntete, irgendwann das große Los gewann. Die Verfilmung des Tolkien-Pubertäts-Kults machte Jackson zum Onkel Dagobert der Filmindustrie. Nach ausgiebiger Talerdusche beschloss er sein nächstes Projekt: "King Kong", den er, so will es die Legende, im Alter von acht Jahren an einem Freitagabend im neuseeländischen Fernsehen erstmals gesehen hat - "noch an diesem Abend beschloss ich, Filmmacher zu werden", lässt er nun verlauten. Mit zwölf versuchte Klein-Peter ein erstes Remake: Ein Schal seiner Mutter war das Gorillafell, ein Drahtgestell sorgte für Bewegung, das Empire State Building war ein Modell aus Pappe. Der Film wurde leider nie fertig, und auch ein erster "richtiger" Anlauf scheiterte 1996 - vor allem am fehlenden Mut der Universal Studios.

Gerade weil der Original-"King Kong" zugegeben eine viel "höhere Latte" ist als die Abenteuer von Frodo & Co. haben Filmfans in aller Welt nun auch Angst. Was wollte man beim Nerd-Schinken aus Mittelerde schon kaputt machen? Da gab es keine Film-Tradition zu beschädigen. Bei "King Kong" aber kann man vieles falsch machen. Auch wenn es heute kein Problem mehr ist, einem Monsteraffen auf der Leinwand glaubwürdig das Brüllen beizubringen.

Dass das alles tricktechnisch geglückt aussehen wird, daran darf man kaum zweifeln. Aber im Zeitalter der CGI ist dies für eine große US-Studioproduktion eine Selbstverständlichkeit. Mehr Spannung weckt die Frage, welche Schwerpunkte der Neuseeländer legen wird, wie er mit den verschiedenen Aspekten der Story umgeht, wie er vermeidet, die Originalität des Vorbilds schaler Mainstream-Correctness zu opfern.

Obwohl man mit guten Gründen daran zweifeln kann, dass es eine gute Entscheidung von Jackson war, sich an diesen Stoff heranzuwagen, muss man andererseits zugeben, dass einige Entscheidungen, die der Regisseur seitdem getroffen hat, recht überzeugend waren: Mit Naomi Watts ("Mulholland Drive", "The Ring") hat er eine exzellente Nachfolgerin für Fay Wray gefunden und auch sonst ist die Besetzung mit u.a. Adrian Brody ("The Pianist") weitgehend überzeugend. Alles Weitere wird man sehen. Mit 207 Millionen Dollar, darunter 20 aus eigenem Geld - Jackson überzog das Budget, ist aber am Einspielergebnis beteiligt -, ist Jacksons "Kong" - wieder einmal - der teuerste Film der Filmgeschichte.

Ob es Jackson, bei allem Geld, aller technischer Perfektion gelingt, an Schoedsack/Coopers Geniestreich anzuknüpfen? Wie man hört, will auch er sich eng an die Vorlage halten, will er sie nicht in unsere Gegenwart verlagern. Doch wenig ist gegenwärtiger als solche Flucht ins Zeitlose, vermeintlich Vergangene. Es wird sich also lohnen, auch dieses Remake auf unbewusste und versteckte Botschaften hin zu befragen.

"King Kong" von Ernest B. Schoedsack und Merian C. Cooper (USA 1933) läuft derzeit mit mehreren Kopien im Original mit Untertiteln in deutschen Kinos. Auf DVD ist er bei Kinowelt erhältlich. Allerdings ist die kaum teurere "2-Disc Special Edition" von Warner durch ihre Extras wesentlich lohnenswerter. Angekündigt ist auch eine neue Version dieser Special Edition, die um eine von Peter Jackson rekonstruierte Szene erweitert wurde, und über kurz oder lang auch in Deutschland zu haben sein dürfte.

Susan Buck-Morss: "Dreamworld and Catastrophe. The Passing of Mass Utopia in East and West", 2000