Amerikanische Mutter gegen Anne Frank

Gail Horalek hält das Tagebuch des jüdischen Mädchens für pornografisch

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Die 1929 in Frankfurt am Main geborene Anne Frank übersiedelte 1934 mit ihrer jüdischen Familie in die Niederlande. Als die Nationalsozialisten einmarschierten und Deportationen von Juden anordneten, versteckte sie sich in einem Hinterhaus in Amsterdam. 1944 wurde sie verraten und kam nach Auschwitz und später nach Bergen-Belsen, wo sie im März 1945 an Typhus starb. Was überlebte, war ihr Tagebuch, das mittlerweile zur Weltliteratur zählt und auch an vielen Schulen gelesen wird..

Das wird nicht von allen Eltern gerne gesehen: Aktuell macht die amerikanische Mutter Gail Horalek mit der Forderung Schlagzeilen, das Buch unter elterlichen Erlaubnisvorbehalt zu stellen, weil es jugendgefährdend sei.

Konkret hat die Frau aus Northville im US-Bundesstaat Michigan dabei die Stellen im Sinn, in denen die heranwachsende Anne Frank schreibt, wie sich die Wahrnehmung ihres Körpers verändert hat: Dass sie als Kind nicht wusste, dass es auch innere Schamlippen gibt. Dass sie glaubte, der Harnstrahl käme aus der Klitoris. Und dass sie sich nicht vorstellen kann, wie ein Penis oder ein Kind durch die winzige Öffnung passen soll, in die kaum ein Finger dringt.

Vor 1986 gab es eine vom Vater Anne Franks Otto zensierte Version des Tagebuchs, in der die Reflexionen über den Körper nicht enthalten waren. Horalek zufolge verstörten die in neueren Auflagen wieder eingefügten Passagen ihre Tochter, weshalb sie zu dem Schluss kam, dass das Werk für Siebtklässler ungeeignet sei und eine offizielle Beschwerde an die Schulbehörde richtete. Darin fordert sie, dass die Schule nicht nur für Filme, sondern auch für Bücher mit "obszönem" Inhalt eine schriftliche Einwilligung der Eltern einholen muss, bevor sie einem Kind zugänglich gemacht werden.

Dass Horalek durchaus realistische Chancen hat, damit durchzukommen, zeigen Beispiele aus anderen US-Schulen: Im Bezirk Culpeper im US-Bundesstaat Virginia ersetzte man nach Elternbeschwerden vor drei Jahren die unzensierte Version von Anne Franks Tagebuch durch die zensierte. In Massachusetts verbot eine katholische Schule die Harry-Potter-Romanserie wegen der Verharmlosung von Hexerei, in New Hampshire strich man William Shakespeares Was ihr wollt aus dem Lehrplan, weil sich darin ein Mädchen als Junge verkleidet, in Kalifornien verbannte ein Bezirk Margaret Mitchells Vom Winde verweht wegen der Darstellung der Sklaven aus den Klassenzimmern und in Culver City wurde eine Version von Rotkäppchen von der Empfehlungsliste für Erstklässler genommen, weil die Großmutter darin vom mitgebrachten Wein trinkt.

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