An den Börsen purzeln auch die Greentech-Kurse

Die Energie- und Klimawochenschau: In den USA gibt es dagegen neue Hoffnung und aus Peking kommen neue Impulse für die Klimaverhandlungen

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Zwar geht die Rede von einem "New Deal" um, mit der die erneuerbaren Energieträger die Weltwirtschaft vor der großen Depression sollen, neben Gordon Brown und Sigmar Gabriel schlägt diesbezüglich auch Greenpeace (große PDF-Datei) mächtig auf die Trommel, vorerst haben aber die Turbulenzen an den Börsen auch die Wind- und Solarbranche eingeholt. Die Kurse stürzen auf breiter Front.

RENIXX (Renewable Energy Industrial Index), der internationale Aktienindex, der den Börsenwert dieser Branchen abbildet, hat am Montag weitere 3,27 Prozent verloren, berichtet der Informationdienst IWR. Damit sei er auf dem Stand von Ende 2005 zurückgeworfen. Zeit also, einzusteigen? Jedenfalls sollte man genau hinschauen.

Der taiwanesische Solarzellenproduzent Motech verlor zum Beispiel 23 Prozent, der norwegische Solarkonzern REC 15,2 Prozent, und der chinesische Solarzellenhersteller Suntech Power 14 Prozent. Am Dienstag sackte RENIXX um weitere 7,25 Prozent auf 594 Punkte ab. Zu seinen besten Zeiten im Dezember 2007 und Januar 2008 hatte der Index wochenlang um die 1900 Punkte oszilliert.

Der Kurs der Repower-Aktie hat eine bewegte Geschichte hinter sich, aber vermutlich auch noch vor sich. Quelle: Finanz.net

Besonders heftig wurde in den letzten Tagen die Aktie des norddeutschen Windanlagenherstellers Repower gebeutelt. Am Dienstag ging es noch einmal um 11 Prozent runter, der Anteilschein kostete jetzt nur noch 56 Euro. Für jemand, der vor 4 Jahren einstieg, wäre das noch ein ganz netter Gewinn, aber wer in diesem Sommer gekauft hat, der sieht nun ganz schön in die Röhre: Anfang September hatte das Papier kurzzeitig die Marke von 240 Euro gekratzt.

Repower ist zwar nicht die VW AG, die dieser Tage durch aberwitzige Aktienkäufe zum weltweit teuersten Konzern aufstieg, doch die Kursbewegungen haben dennoch viel mit Spekulation und wenig mit dem realen Wert des Unternehmens zu tun. Dem geht es zwar offensichtlich gut (Umsatz im ersten Quartal 2008 verdoppelt, Nachsteuer-Gewinn verdreifacht), doch ein Halbjahresgewinn von 22,7 Millionen Euro rechtfertigt sicherlich keinen Marktwert von fast 2,2 Milliarden Euro, den das Unternehmen Anfang September hatte.

Der Hintergrund der heftigen Achterbahnfahrt ist vielmehr das Verhalten des Hauptaktionärs Suzlons, der das Unternehmen letztes Jahr im Bieterkampf mit dem französischen Kraftwerksbauer Areva übernommen hatte. Das hatte seinerzeit zu einem ersten heftigen Auftrieb gesorgt.

Erwartungen, dass der indische Windanlagen-Hersteller seine Anteile aufstocken würde, trieben den Preis in diesem Jahr weiter in die Höhe. Eigentlich hätte Suzlon im Herbst sein Kapital weiter aufstocken, das heißt zusätzliche Aktien ausgeben wollen, womit das 23-Prozent-Paket hätte übernommen werden sollen, dass ein portugiesisches Unternehmen an Repower hält. Weil jedoch an den Börsen derzeit kaum Geld einzutreiben ist, wurde die Emission abgesagt.

Nun befürchten einige Broker offensichtlich, Suzlon könnte sich bei Repower zurückziehen und Anteile verkaufen. Das würde den Kurs weiter drücken, weshalb von nervösen Händlern Aktien abgestoßen werden. Das drückt natürlich auch den Kurs und ist somit ein schönes Beispiel für self fullfilling prophecy in Zeiten allgemeiner Börsen-Hysterie.

US-Mühlen drehen sich

Bleibt zu hoffen, dass all das nicht auf die Real-Wirtschaft durchschlägt. In der Automobilbranche ist das ja bereits der Fall, aber bei den Erneuerbaren qualmt der Schornstein noch kräftig - natürlich nur im übertragenen Sinne:

Der Verband der US-amerikanischen Windindustrie (AWEA, American Wind Eenrgy Association) berichtet, dass in den ersten neun Monaten des Jahres bereits 4204 Megawatt (MW) an neuen Windkapazitäten installiert wurden. Bis zum Ende des Jahres rechnen die Windmüller mit insgesamt 7500 neuen MW, womit das Rekordjahr 2007 deutlich überboten würde. Im letzten Jahr waren zwischen dem Golf von Mexiko und den Großen Seen Windräder mit einer Gesamtleistung von 5249 MW errichtet worden.

Insgesamt gab es Ende Dezember 2007 in den USA Windräder mit einer Leistung von 16.818 MW. Für das laufende Jahr wird erwartet, dass diese Anlagen etwa 48 Milliarden Kilowattstunden elektrischer Energie liefern werden. Dieser Beitrag ist vergleichbar mit dem Ertrag hiesiger Windräder, allerdings wächst jenseits des Atlantiks die Branche inzwischen wesentlich schneller. Außerdem haben die Anlagen dort meist besserer Windbedingungen, sodass mit mehr Volllaststunden gerechnet werden kann.

Für 2009 rechnet die AWEA allerdings mit einer Verlangsamung des Ausbaus. Der Grund: Zum einen habe sich der Kongress zu lange Zeit mit der Fortschreibung der Steuervergünstigungen gelassen, zum anderen wird auch in der Windbranche mit Auswirkungen der Finanzkrise gerechnet. Dabei, so die AWEA, entwickle sich die Windindustrie auch in den USA zum Jobmotor. 50 Prozent der Anlagen stamme inzwischen aus heimischer Produktion, Tendenz steigend. Eine ganze Reihe neuer Fabriken sei 2008 entstanden oder vergrößert worden, Planungen für 19 weitere lägen vor.

Das Problem der Branche war bisher, dass die Washingtoner Förderprogramme nur relativ kurze Laufzeiten hatten. Auch die jüngste Verlängerung wurde nur für ein Jahr beschlossen. Für einen Investoren, der eine neue Fertigung für Windanlagen aufbauen will, wird die Entscheidung daher ein bisschen zum Lottospiel. Findet sich in Kongress und Senat keine Mehrheit mehr für die Fortsetzung der Förderprogramme, könnte der Absatz wieder einbrechen. Etwas mehr Sicherheit biete hingegen die Gesetzgebung in rund der Hälfte der Bundesstaaten, die inzwischen ihren Energieversorgern Fristen setzen, zu denen ein bestimmter Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen muss.

Die AWEA erhofft sich aber von der neuen Regierung und dem neuen Parlament, die am kommenden Dienstag gewählt werden, mehr Stabilität. Mit zuverlässiger Politik könnte die Herstellungen von Turbinen und anderen Komponenten zu einer wichtigen Quelle für neue Industriearbeitsplätze im 21. Jahrhundert werden. Die Steuererleichterung müssten langfristig garantiert, die Netzinfrastruktur ausgebaut und eine wirksame Klimaschutzgesetzgebung eingeführt werden. Mit letzterem ist vermutlich die Einführung eines Handels mit Emissions-Zertifikaten nach europäischen Vorbild gemeint, der in den USA zunehmend Anhänger gewinnt.

Bewegung im Kyoto-Prozess

Immerhin kommt in den internationalen Klimaverhandlungen etwas an Bewegung. Auf dem Asien-Europa-Gipfel, zu dem sich am vergangenen Wochenende 40 Staats- und Regierungschefs in Peking trafen, haben die asiatischen Schwellenländer einen beachtlichen Schritt vorwärts getan. Erstmals haben sie in einem internationalen Dokument zugesagt, den Anstieg ihrer Treibhausgasemissionen beschränken zu wollen, sofern die Industriestaate ihren Verpflichtungen nachkommen. Bisher ist es damit allerdings nicht zum Besten bestellt. Die 15 alten EU-Staaten haben zum Beispiel erst 2,7 Prozent von den minus acht Prozent geschafft, die bis spätestens 2012 erreicht sein müssen.

In China mehren sich seit mindestens einem Jahr die Stimmen führender Politiker und hochrangiger Wissenschaftler, die eine aktive Klimaschutzpolitik fordern. Im Vorfeld des ASEM-Gipfels hatte die chinesische Führung im Gespräch mit dem dänischen Premier Andres Fogh Rasmussen versprochen, sich für einen erfolgreichen Verhandlungsabschluss im nächsten Jahr einzusetzen. Im Dezember 2009 soll in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen ein Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll unterschrieben werden, das Ende 2012 ausläuft.

Bis vor wenigen Jahren hatte China auf den jährlichen UN-Klimaverhandlungen noch eine sehr passive Haltung eingenommen. Wie sehr sich das derzeit ändert, ist unter anderen an den konkreten Forderungen abzulesen, mit der am Dienstag Gao Guangsheng, Chef des Klima-Büros der Pekinger Wirtschaftsbehörde, an die Presse ging. Es müsse ein konkreter Mechanismus her, um den Transfer klimaschonender Technologie in die Entwicklungsländer zu organisieren. In einem Monat wird dieses Thema auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz im polnischen Poznan diskutiert werden.

Gao forderte auch einen Fonds, aus dem die Entwicklungsländern Geld bekommen, um mit den Folgen des Klimawandels fertig zu werden. Die Industriestaaten sollten etwa ein Prozent ihres Bruttosozialprodukts in diesen Topf einzahlen.

Am weitesten unter den chinesischen Fachleuten ist bisher Hu Angang von der Tsinghua-Universität in Peking gegangen. Anfang September hatte er vorgeschlagen, China solle sich verbindlich auf langfristige Reduzierung seiner Emissionen festlegen, selbst wenn die USA sich weiter weigerten, einem Vertrag zuzustimmen. Hu schlägt ein Schema vor, nach dem die chinesischen Emissionen bis 2020 weiter steigen würden, um in dem Jahrzehnt danach drastisch abzunehmen, bis sie 2030 das Niveau von 1990 erreichten. Derlei ist natürlich noch nicht Regierungspolitik, aber die Tatsache, dass dieser Vorschlag öffentlich diskutiert wird, zeigt, dass die chinesische Position im Wandel begriffen ist.

Trendige Tricksereien

Man wünscht sich ein paar mehr Wissenschaftler, wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Dieser bemüht sich nicht nur, die Ergebnisse seiner Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen - eine Einstellung, die dem meist dünkelhaften deutschen Wissenschaftsbetrieb noch immer abgeht -, Rahmstorf lässt auch nicht locker, wenn diese Arbeit von Journalisten hartnäckig falsch dargestellt wird.

In seinem Wissenschaftsblog hat er letzte Woche ein Kurzinterview mit Phil Jones veröffentlich. Jones ist einer der renommiertesten britischen Klimaforscher und maßgeblich für die Zusammenstellung der globalen Temperaturdaten verantwortlich, die das Hadley Centre des britischen Wetterdienstes regelmäßig veröffentlicht.

Unter Berufung auf das Hadley Center und Jones hatte das Springerblatt "Die Welt" in den letzten Wochen und Monaten wiederholt behauptet, die globale Erwärmung sei gestoppt. Jones sieht darin allerdings "eine grobe Fehldeutung (s)einer Aussage".

Natürlich ist der Trend seit 1998 nicht signifikant - denn wegen der oben genannten Zufallsschwankungen von Jahr zu Jahr sind zehn Jahre einfach zu kurz, um zuverlässig einen Trend zu bestimmen. Bei einem 10-Jahrestrend beträgt die Standardabweichung aufgrund dieser Schwankungen ± 0.1 ºC pro Dekade. Daher kann man auf dieser Basis auf keinen Fall behaupten, der Trend habe sich abgeflacht. Das ist Unsinn und verwechselt einfach das "Rauschen" der Wetterschwankungen mit dem "Signal" der globalen Erwärmung.

Phil Jones

Rahmstorf hatte bereits an anderer Stelle die unwissenschaftlichen Tricksereien einiger Journalisten mit Trends auseinander genommen. Der Hintergrund ist, dass Schwankungen der globalen Temperatur von Jahr zu Jahr normal sind. Naturwissenschaftler nennen derlei Rauschen. Die Temperatur nimmt nicht kontinuierlich zu, sondern mal mehr, mal weniger, fällt dann wieder zurück und ist auch mal, wie derzeit, für ein paar Jahre gleichbleibend.

Die Abweichung der jährlichen globalen Mitteltemperatur vom Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990. Grün sind 20-Jahretrends eingezeichnet. Man kann leicht erkennen, das für die letzten Jahre ganz unterschiedliche Trends herauskommen, je nach dem, ob man 1998, 1999 oder im Jahre 2000 anfängt, diesen zu berechnen. Viel Sinn machen so kurzfristige Betrachtungen daher nicht. Grafik: Stefan Rahmstorf

1998 war zum Beispiel ein besonders warmes Jahr. Mittelt man von 1998 bis 2007 so erhält man nur einen sehr flachen Trend in der Temperatur, das heißt einen Anstieg um 0.09 ºC pro Jahrzehnt. "Nimmt man aber den Trend 1999-2007 so beträgt er +0.21 ºC pro Jahrzehnt", so Jones. Man sieht daran, dass es nicht viel Sinn macht, für solche kurzen Zeiträume einen Trend zu berechnen. Veränderungen lassen sich erst mit größerem Abstand identifizieren, weshalb sich Wissenschaftler wie Jones und Rahmstorf auch immer wieder dagegen verwahren, dass Journalisten gerne Einzelereignisse wie ein besonders warmes Jahr oder einen schweren Sturm als Beweis für den Klimawandel zitieren.