Angewandte Quantenforschung

Der Quantencomputer ist längst so weit, dass Wissenschaftler nicht nur an ihm, sondern auch mit ihm forschen können

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Intel und AMD brauchen sich auch auf lange Sicht keine Sorgen zu machen: Bis die Elektronik durch neue Technologien wie den gefürchteten und herbeigesehnten Quantencomputer abgelöst wird, dürften weitere Jahrzehnte vergehen. Zu fragil ist das Regime, das im Inneren eines Quantenrechners für gewisse Zeit aufrechtzuerhalten ist, zu kompliziert sind noch immer das Auslesen der Ergebnisse und das Durchführen einer Fehlerkorrektur. Wer im Sinne eines Ingenieurs rechnen will, um mit Formeln eine Brücke zu konstruieren, kann mit Wahrscheinlichkeitsaussagen nichts anfangen.

Doch tatsächlich liefern Quantencomputer heute bereits nützliche Ergebnisse: Sie sind nämlich gut geeignet, um Modell für andere Quantensysteme zu stehen. Da man damit nicht auf klassische Weise rechnen kann, im Ergebnis zwar neues Wissen entsteht, jedoch keine Zahl, nennt man solche Systeme Quantensimulatoren. Technisch unterscheidet beide Verwendungsarten nichts. Der Quantensimulator, den Innsbrucker Forscher für eine Veröffentlichung in Nature Physics genutzt haben, könnte auch als normaler Quantencomputer mit 5 Qubits gelten.

Was zählt, ist die Art und Weise der Anwendung. Die Innsbrucker Forscher setzen gern auf Ionenfallen, die aus elektrisch geladenen Calcium-Teilchen bestehen. Zunächst gilt es, einige wenige Ionen zu isolieren. Da sie eine elektrische Ladung besitzen, kann man sie mit Hilfe elektrischer Felder festhalten. Sie sitzen dann wie auf einer Perlenschnur aufgereiht im Vakuum der Apparatur. Bevor man ins Quantenregime kommt, muss man ihnen aber auch noch den größten Teil ihrer Bewegungsenergie abnehmen.

Dazu benutzen die Forscher verschiedene Verfahren, die in unterschiedlichen Temperaturbereichen funktionieren. Im untersten Bereich hilft dann nur noch die so genannte Dopplerkühlung, bei der den Teilchen mit genau abgemessenen Stößen durch Photonen aus einem Laser ein Teil ihres Impulses entzogen wird.

Beobachtung eines quantenphysikalischen Phasenübergangs

Erst beim winzigsten Teil eines Kelvin sitzen die Ionen so ruhig in der Falle, dass man sie in eine gemeinsame Anregung versetzen kann - auch dabei kommt wieder ein Laser zum Einsatz. Anders als beim Einsatz als Quantencomputer behandelten die Innsbrucker Forscher die fünf Ionen des Systems allerdings unterschiedlich. Vier der Teilchen wurden in verschiedene Überlagerungszustände gebracht (das entspricht dem "Rechnen" in einem Quantencomputer), das fünfte jedoch diente dazu, Störungen in das Gesamtsystem einzubringen.

Dabei setzten die Forscher bereits eine erste Neuerung ein: Statt die Ionen, mit denen der Laser gerade nicht wechselwirken sollte, physisch aus dem Schussfeld zu nehmen, versetzten sie sie in einen solchen Zustand, dass die optische Einwirkung des Lasers an ihnen gewissermaßen verpufft. Dieser Technik sprechen die Forscher das Potenzial zu, den Umgang mit Quantensimulatoren deutlich zu vereinfachen.

Das Ziel der Übung bestand darin, die quantenphysikalischen Wechselwirkungen von Vielteilchensystemen und den Einfluss der Umgebung zu verfolgen. Mathematisch lässt sich das durch so genannte dynamische Maps charakterisieren, die den Zustand eines Systems und seine Entwicklung mit der Zeit festhalten. Hier ist zum Beispiel interessant, wie sich Störungen von außen dem Gesamtsystem entweder mit der Zeit aufprägen oder aber quasi daran abprallen.

Das lässt sich auch als Konkurrenz zweier Phasen interpretieren, ähnlich der geordneten und der gasförmigen Phase von Festkörpern. Den Forschern gelang es nun in ihrem Experiment, erstmals einen quantenphysikalischen Phasenübergang zu beobachten. Das ist nicht nur eine Leistung an sich, sondern auch interessant für die Weiterentwicklung der Technik: Verstehen die Forscher, was an solchen Übergängen zwischen Ordnung und Chaos passiert, können sie diese auch im Experiment besser kontrollieren.

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