Angriff auf Schwedens letzte Indianer

Auf Kriegspfad mit "Indianerna". Ist es rassistisch, sich als Sportclub auf "Indianer" zu beziehen?

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In Schweden stehen aktuell der bekannte Speedwayclub "Indianerna" aus dem mittelschwedischen Kulma und das Göteborger Eishockeyteam "Frölunda Indians" unter Druck. Sie sollen den Namen und ihr Logo ändern, das jeweils einen Indianer mit Häuptlingsfedern zeigt. Noch sträuben sich die sportlich hochklassigen Clubs.

Der Druck kommt zum einen aus Amerika - das Football Team "Washington Redskins" dessen Wahrzeichen das Profil eines Indianers ausmacht, hat vergangene Woche nach langen öffentlichen Vorhaltungen und unter dem Eindruck der aktuellen Rassismus-Debatte angekündigt, Namen wie Bildnis zu ändern.

Im Mai erstickte in Minneapolis, USA, ein weißer Polizist den Afroamerikaner George Floyd bei der Festnahme, was weltweit Proteste und Aktionen gegen Denkmäler auslöste, die mit der Kolonialzeit verbunden sind.

Die schwedischen Medien zitieren auch Chuck Hoskin Jr den Vorsitzenden der Cherokee-Indianer im US-Bundesstaat Oklahoma, der sich allgemein gegen die Verwendung von Indianer-Emblemen im Sport ausspricht.

"Das ist respektlos!"

Ermahnungen kommen im Königreich auch aus der akademischen Welt: "Das ist respektlos!", erklärte Gunlög Fur, Professorin für Kolonialgeschichte der renommierten Linné-Universität, die Auswirkung auf die Ureinwohner gegenüber dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender SVT.

Durch die europäische Kolonialisierung hätten 500 Völker, die unter dem Namen "Indianer" zusammengefasst seien, ihre Selbständigkeit und ihr Land verloren. Ein Sportverein könne sich nicht einfach auf eine solch "brutale und tragische Geschichte" beziehen, so die Wissenschaftlerin, die in Oklahoma City über ein Indianerthema promovierte. Fredrik Portin, Religionsphilosoph der Universität Göteborg, sieht durch die Sportvereine das Stereotyp der amerikanischen Ureinwohner als "primitive und brutale Wilde" gefördert - auch wenn die Indianer bei den Sportlern und Fans mit positiven Eigenschaften verbunden sind.

In Schweden herrscht offiziell eine große Sensibilität, was Rassismus und Ausländerfeindlichkeit angeht, vor allem der grüne Koalitionspartner der regierenden Sozialdemokraten ist auf dieses Thema spezialisiert, bekannt sind auch antirassistische Korrekturen an Astrid Lindgrens Kinderbüchern.

Auf der anderen Seite haben die rauen Sportarten Eishockey und Speedway, bei der mit Motorrädern auf einer Schlammbahn im Kreis gefahren wird, besonders treue Fans. Und viele zeigen in den sozialen Medien, dass sie für die Namensänderung kein Verständnis haben.

Bislang wollen beide Sportvereine offiziell den Namen behalten, sich jedoch einer Auseinandersetzung nicht verschließen und haben jeweils eine Untersuchung zu ihrem Wahrzeichen angeordnet. "Für mich steht der Indianer für etwas Positives. Für Kampfgeist, für den Willen zur Auseinandersetzung", sagte der Mannschaftskapitän Joel Lundqvist der Zeitung Göteborgs Posten.

Der Eishockeyclub will im August seine Entscheidung mitteilen. Das Fachportal Racka Puckar glaubt nicht wirklich, dass die "Frölunda Indians" den Anschuldigungen von Rassismus standhalten könnten, fordert jedoch die Einbeziehung der Anhänger bei der Namensfindung. Dabei war die Namensgebung in den 1990er Jahren ein Resultat der damaligen politischen Korrektheit. Aufgrund seiner geographischen Lage wurde der Verein umgangssprachlich "Wilder Westen" genannt, um jedoch auf die mit Schießereien verbundenen Cowboys verzichten zu können, wählte man ein sympathischer erscheinendes Indianer-Logo.

Bei dem Speedway-Club ist das Häuptlingsprofil seit Ende der 1940er Jahre identitätsstiftend und somit ist der Widerstand stärker. "Das ist eine sehr starke Marke", gab Markus Engman, der Sprecher des Vereins gegenüber SVT zu Bedenken.

Wer hat die Deutungshoheit?

Die Frage stellt sich, ob heute die amerikanischen Ureinwohner die Deutungshoheit über die Figur und kollektive Vorstellung, Projektion "Indianer" haben, vor allem außerhalb Nordamerikas. Zumal die Ureinwohner nicht mit einer Stimme sprechen und sich in ihrer Vielfalt stark unterscheiden, wie Gunlög Fur selbst erklärte.

Das Bild vom "Indianer" mit seinen Gemeinplätzen vom Marterpfahl, der Blutsbrüderschaft, vom grausamen wie edlen Wilden, wurde in Schweden wie im deutschsprachigen Raum durch Jugend- und Abenteuergeschichten geformt. Karl Mays Winnetou hatte seinen großen Anteil, aber auch Coopers Lederstrumpf hatte schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Leserschaft im westlichen Europa.

Dabei hat die Vorstellung vom Indianer längst sein populärkulturelles Eigenleben entwickelt, gespeist nicht durch reale Vorlagen, sondern fiktive, durch Comics, Filme, Kinderbücher, Produktwerbung.

Doch nun soll vieles anders werden - Karnevalsvereine, Kinderfastnacht, Eishersteller und jegliche Produktwerbung mit einem "Native American", Karl May Festspiele sind und werden auch in Deutschland, der Schweiz, wohl etwas weniger in Österreich, ansteigendem Druck von entsprechenden Experten in Sachen Antidiskriminierung und Anthologie ausgesetzt.

Das trendaffine Schweden wird hier in der Umsetzung der Korrekturen etwas schneller sein.

Übrigens hat das skandinavische Land selbst hat seine eigenen "Ureinwohner" und eine problematische Kolonialgeschichte - die Samen im Norden wehren sich darum gegen den als verächtlich angesehenen Ausdruck "Lappen". Jedoch nicht immer erfolgreich.

So hat der schwedische Ornithologieverein in langer Arbeit jedem Vogel auf der Welt einen schwedischen Namen gegeben und gleichzeitig zweifelhafte Vogelnamen umgeändert - so gibt es seit 2015 keinen "Negerfink", keine "Hottentottenente" und keinen "Zigeunervogel" mehr - jedoch fliegen trotz Proteste weiterhin eine "Lappeneule" und eine "Lappenmeise" durch den noch nicht gänzlich kontrollierten Raum der schwedischen Sprache.