Anthropic CEO: KI könnte Menschen in zwei bis drei Jahren in fast allem übertreffen
Dario Amodei und das Logo seines KI-Modells Claude AI
(Bild: El editorial/Shutterstock.com)
Anthropic-Gründer sieht Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. KI könnte den Mensch in vielen Bereichen bald übertreffen. Trumps Stargate-Projekt sieht er kritisch.
Dario Amodei, CEO und Mitbegründer des US-amerikanischen KI-Unternehmens Anthropic, geht davon aus, dass Künstliche Intelligenz (KI) die menschlichen Fähigkeiten schon in naher Zukunft in fast allen Bereichen übertreffen könnte.
Dies sagte er am Dienstag in einem Interview mit dem Wall Street Journal am Rande des Weltwirtschaftsforums, das am 20. Januar im Schweizer Davos begonnen hat. Als wahrscheinlich für diese Entwicklung betrachtet er einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren.
"Ich weiß nicht genau, wann es soweit sein wird, vielleicht 2027. Es ist denkbar, dass es etwas länger dauern könnte. Aber ich glaube nicht, dass es viel länger dauern wird, bis KI-Systeme in fast allem besser sind als Menschen. Besser als fast alle Menschen in fast allem. Und irgendwann besser als alle Menschen in allem, sogar in der Robotik", so Amodei im Journal House in Davos.
Amodei gründete die Firma Anthropic im Jahr 2021 gemeinsam mit seiner Schwester und ehemaligen OpenAI-Mitarbeitern.
Die Firma gilt als einer der Hauptkonkurrenten des ursprünglich von Elon Musk mit auf den Weg gebrachten Unternehmens OpenAI, das hinter ChatGPT steckt. Mit seinem im Oktober 2024 veröffentlichten Sprachmodell Modell Claude 3.5 Sonnet konnte Anthropic in den vergangenen Monaten gegenüber der Konkurrenz Boden gutmachen.
Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft
Amodei sprach mit der Zeitung auch über die möglichen Folgen hochintelligenter KI-Systeme in Zusammenhang mit den jüngsten Entwicklungen der Robotik.
"Wenn wir gute genug KI-Systeme entwickeln, werden sie es uns ermöglichen, bessere Roboter zu bauen. Und wenn das passiert, müssen wir an Orten wie dieser Veranstaltung darüber diskutieren, wie wir unsere Wirtschaft organisieren. Wie finden Menschen dann noch einen Sinn?", gab der Anthropic-Chef zu bedenken.
Er äußerte Bedenken, dass menschenähnliche KI-Modelle und Roboter, die in der Lage sind, menschliche Arbeit vollständig zu ersetzen, ein völliges Umdenken erfordern könnten, wie Menschen sowohl Arbeit als auch sich selbst wertschätzen.
"Wir haben erkannt, dass wir als technologische Zivilisation an einem Punkt angelangt sind, an dem es riesigen Überfluss und riesigen wirtschaftlichen Wert gibt. Aber die Vorstellung, dass der Weg, diesen Wert zu verteilen, darin besteht, dass Menschen wirtschaftliche Arbeit leisten und darin ihren Selbstwert finden, wird in Frage gestellt. Sobald diese Idee nicht mehr gültig ist, werden wir uns alle zusammensetzen und es herausfinden müssen", führte Amodei aus.
Die Thesen reihen sich eine Palette ähnlicher Statements aus der KI-Branche. Da es in dem noch defizitär wirtschafteten Bereich auch immer um Finanzierung und gutes Marketing geht, müssen solche Prognosen immer mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden.
Dennoch zeigen sie auf, in welche Richtung die Reise geht: Nämlich die Erweiterung der KI auf alle Bereiche bis hin zu physischer Hardware, die direkt mit unserer Umwelt interagieren kann. Die große Frage ist, was am Ende dieses Szenarios auf uns wartet: Terminator, Massenarbeitslosigkeit oder eine schöne neue Arbeitswelt?
Abgrenzung vom Begriff "AGI"
Trotz seiner dramatischen Prognosen distanzierte sich Amodei in einem separaten CNBC-Interview auf derselben Veranstaltung in der Schweiz von dem von OpenAI-CEO Sam Altman bevorzugten Begriff "Künstliche allgemeine Intelligenz" (AGI).
Darunter wird eine hypothetische KI verstanden, die hochgradig autonom agieren kann und gleiche oder bessere kognitive Fähigkeiten wie der Mensch besitzt. Bei dem Wort handle es sich um einen "Marketingbegriff", so Amodei.
Stattdessen bevorzuge er die Beschreibung zukünftiger KI-Systeme als "Land der Genies in einem Rechenzentrum". In einem Essay vom Oktober 2024 schrieb Amodei, dass solche Systeme "in den meisten relevanten Bereichen klüger als ein Nobelpreisträger" sein müssten.
Am Montag kündigte Google an, rund eine Milliarde US-Dollar in Anthropic investieren zu wollen, womit sich das Gesamtengagement des Konzerns auf 3 Milliarden Dollar erhöhen würde.
Amazon hat in den letzten 18 Monaten 8 Milliarden Dollar investiert und plant, Claude-Modelle in künftige Versionen seines Alexa-Lautsprechers zu integrieren. Dennoch gehen Analysten aufgrund der hohen Kosten davon aus, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis KI-Firmen profitabel sein werden.
Zweifel an OpenAI-Konkurrenzprojekt
Skeptisch zeigte sich der Anthropic-CEO zudem mit Blick auf das "Stargate"-Projekt von Donald Trump. Der US-Präsident plan, gemeinsam mit OpenAI, Oracle, SoftBank und anderen in den kommenden Jahren 500 Milliarden US-Dollar für KI-Infrastruktur in die Hand nehmen zu wollen.
Amodei bezeichnete das Vorhaben gegenüber der Finanznachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch als "ein bisschen chaotisch". Es sei "schwer zu verstehen", was das von Präsident Donald Trump angekündigte Joint Venture genau vorsieht.
"Es ist nicht klar, wie viel Geld tatsächlich im Spiel ist und wie viel davon zugesagt wurde", sagte Amodei. Auch die Rolle der Regierung in dem Projekt sei unklar.
OpenAI und dessen CEO Sam Altman haben monatelang daran gearbeitet, eine globale Investorenkoalition aufzubauen, um das Angebot an Chips, Energie und Rechenzentrumskapazitäten für KI-Dienste zu steigern.
In der Ankündigung für "Stargate" erklärte OpenAI, das Gemeinschaftsunternehmen werde "sofort mit dem Einsatz von 100 Milliarden Dollar beginnen" und plane, in den nächsten vier Jahren 500 Milliarden Dollar zu investieren. Einige der wichtigsten Konkurrenten von OpenAI haben jedoch Zweifel an der Finanzierung geäußert.
Trotz der Fragen zu "Stargate" begrüßte Amodei den Fokus der Trump-Regierung auf den Ausbau der Energiekapazitäten für die KI-Infrastruktur in den USA als "gute Sache". Er sprach sich auch für die Straffung von Regulierungs- und Genehmigungsverfahren aus. Dass Trump die KI-Verordnung der Biden-Regierung aufgehoben hat, hält er für weniger bedeutsam.