Arche Escobar

In Kolumbien entwickeln sich die verwilderten Nachkommen von vier Nilpferden aus dem Zoo eines Drogenbarons zu einer Plage

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In ihrer Heimat Afrika zählt man Nilpferde zu den gefährdeten Arten. In Kolumbien haben sich die nächsten Verwandten der Wale dagegen zu einer Plage entwickelt. Verantwortlich dafür ist - indirekt - der Drogenbaron Pablo Escobar, der sich in den 1980er Jahren in seiner 20 Quadratkilometer großen Hacienda Nápoles im Departamento de Antioquia einen Privatzoo gönnte und dafür neben Giraffen und Elefanten auch vier Nilpferde aus Afrika importierte: drei Weibchen und ein Männchen, das man "el viejo" nannte - übersetzt "der Alte"). Nachdem Escobar 1993 erschossen wurde, verfiel das Anwesen - und die Nilpferde, denen das Klima in Kolumbien offenbar zusagte, breiteten sich aus.

2005 berichteten Fischer 300 Kilometer nördlich der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá von seltsamen Flusswesen mit kleinen Ohren und riesigen Mäulern. Es waren Nachkommen der vier Nilpferde aus dem Privatzoo Escobars. Wie viele es davon inzwischen gibt, ist nicht bekannt. Nilpferdweibchen werfen im Regelfall jährlich ein Junges. In Afrika werden sie mit etwa zehn Jahren geschlechtsreif, in Südamerika könnte sich diese Reifezeit Forschern wie Rebecca Lewison von der San Diego University zufolge verkürzt haben. In jedem Fall vermehren sie sich schneller als in Afrika, was auch daran liegen könnte, dass es ihrer neuen Heimat keine so intensiven Dürreperioden gibt, die die Fortpflanzung hemmen und den Bestand immer wieder dezimieren.

Die örtliche Umweltbehörde schätzt, dass mittlerweile mindestens vier Dutzend Nilpferde in einem See zwischen Bogotá und Medellín und bis zu 250 Kilometer von der Hacienda Nápoles entfernt im sehr langsam fließenden und mit seichten Stellen übersäten Magdalenafluss leben, der ihnen ideale Bedingungen bietet. Verantwortlich für diese Ausbreitung ist auch, das ein Nilpferdbulle keine anderen (jüngeren) Männchen neben sich duldet und diese mit seinen riesigen Zähnen vertreibt, so dass sie gezwungen sind, sein Territorium zu verlassen und sich mit abtrünnigen Kühen anderswo anzusiedeln.

Nilpferd. Foto: BS Thurner Hof. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

In ihren neuen Siedlungsgebieten verwüsten die Nilpferde regelmäßig die Felder von Bauern. Bislang starben dabei nur Kühe - aber aus Afrika weiß man, dass die Tiere Territorien sehr aggressiv für sich beanspruchen. Dabei sollen jedes Jahr mehr Menschen ums Leben kommen als durch Löwen oder Leoparden, obwohl die Pflanzenfresser nicht auf Fleisch aus sind. Besonders gefährdet sind kolumbianische Kinder, die die bis zu 30 Kilometer in der Stunde schnellen Dreitonner - anders als ihre Altersgenossen in Afrika - nur als Kuscheltiere kennen.

Deshalb rätseln die kolumbianischen Behörden, wie sie mit der Ausbreitung der Tiere umgehen sollen: Eine Umsiedlung nach Afrika ist nicht möglich, weil die Nilpferde dort neue Krankheiten einschleppen könnten. Als vorgeschlagen wurde, männliche Tiere zu betäuben und zu kastrieren, forderten aggressive Tierschützer, stattdessen Politiker zu entmannen. Eine mögliche Lösung wäre eine Bejagung: Nilpferde sind für Menschen durchaus genießbar und schmecken ein wenig wie Schweinernes. Allerdings müssten sie vorher einer gründlichen Fleischbeschau unterzogen werden, weil sie mit gefährlichen Keimen wie Leptospira verseucht sein können.

Bisher scheitert solch eine Bejagung an Imageängsten, obwohl sogar Experten des World Wide Fund for Nature (WWF) das Nilpferdproblem in Kolumbien mittlerweile als "Zeitbombe" werten: Als ein professioneller Jäger vor einigen Jahren den Problembullen "Pepe" erlegte, regten sich Tierschützer so auf, dass Politiker weitere geplante Abschüsse abbliesen.

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