Artefakte aus der Steinzeit neben Schiffswrack entdeckt

Meeresarchäologen spüren unter Wasser prähistorische bis zu 1,4 Millionen Jahre alte Steinaxt auf

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Melanie Gosling von der südafrikanischen Zeitung Cape Times berichtet, dass Unterwasserarchäologen am Meeresgrund vor Kapstadt bei der Untersuchung eines Schiffswracks aus dem 17. Jahrhundert ältere Relikte aus der Steinzeit gefunden haben - darunter eine Steinaxt, die bis zu 1,4 Millionen Jahre alt sein könnte. Nun stellt sich die Frage: Wie gelangt eine Steinaxt aus grauer Vorzeit neben einem Schiffswrack des 17. Jahrhunderts? Dies lässt sich jedoch nach Ansicht der Experten relativ leicht beantworten.

Es sind jene Momente, auf die Forscher eigentlich ihr ganzes Leben lang warten. Es sind aber zugleich auch jene Momente, die einerseits stark vom Faktor Zufall abhängen und auf die andererseits mit Engagement, Zielstrebigkeit und Durchhaltewillen hingearbeitet werden muss. Vorhersehbar und kalkulierbar sind sie dabei nicht - trotz aller Anstrengung. Vielmehr kommen sie unerwartet - sowohl für die Fachwelt als auch für den Forscher selbst.

Verblüffung pur

Bruno Werz von der University of Cape Town (Kapstadt) hat solche Momente gerade durchlebt. "It came as a bit of a shock", so der O-Ton des Meeresarchäologen, dem jüngst bei einer Tauchexpedition in der Table Bay fürwahr ein ungewöhnlicher Fund gelang. "Ich hatte mit historischen Artefakten gerechnet, aber nicht mit einem prähistorischen Fund". Werz' Verblüffung ist echt, hat doch der Forscher während Unterwasserarbeiten in einem Schiffswrack aus dem 17. Jahrhundert bereits nach wenigen Tauchgängen neben zerbrochenen Töpferwaren, hochbetagten Teelöffeln und einigen verrosteten Kanonenkugeln ein Artefakt gefunden, das dort eigentlich gar nicht hätte sein dürfen.

Beim Ausgraben mit einer Handschaufel offenbarte sich ihm eine im Sedimentgestein eingebettete steinzeitliche Axt. "Nach meinem Tauchgang war ich sehr aufgeregt, obgleich ich nicht wusste, was es genau damit auf sich hatte". Doch Werz' Aufregung war angebracht, wie ihm der britische Ozeanograph Nicholas Flemming während einer Internationalen Konferenz im Nachhinein bestätigte. "Als ich ihm sagte, wo ich die Axt genau aufgestöbert hatte, empfahl er mir, damit an die Weltpresse zu gehen", erinnert sich Werz.

Tatsächlich ist der aktuelle Fund der weltweit bislang älteste Unterwasserfund eines menschlichen Artefakts. Experten schreiben der Axt ein Alter von 300.000 bis 1,4 Millionen Jahren zu. Bis dato galt ein im Mittelmeer ausgegrabenes rund 45.000 Jahre altes Relikt als ältestes maritimes Fundstück. Werz und sein Team fanden in der Nähe des Steinaxt-Fundortes weitere Fossilien: einige Knochen und ein Zahn von einem Rhinoceros (Panzernashorn). Kurze Zeit später entdeckten Werz' Kollegen Christopher Byrnes und Michael Barchard in der selben Gegend sogar zwei weitere Handäxte.

Als diese Steinäxte von Menschen aus der Steinzeit verwendet wurden, war der Meeresspiegel um Südafrika ungefähr 10 Meter niedriger als heute. Es gibt Hinweise darauf, dass in der heutigen Table Bay dereinst ein Flussdelta war, das ein fruchtbares Tal geschaffen hat. Hier streiften einmal Büffel und Nashörner herum.

Werz

Wahrscheinlich sind die jetzt vorgefundenen Arbeitsinstrumente urzeitlichen Jägern irgendwie verloren gegangen und bereits kurz nach dem Aufprall auf dem Boden schnell von Sediment überdeckt worden.

Schiffsfriedhof "Kap der Guten Hoffnung"

Bruno Werz, der seit Jahren auf dem Gebiet der Meeresarchäologie weltweit zu den führenden Forschern zählt, ist auch der Gründer der Maritime Archaeology Research Group an der University of Cape Town, die bereits etliche Wracks vor der südafrikanischen Küste entdeckt und erforscht hat. So leitete der gebürtige Holländer auch die Bergung des holländischen Handelsschiffes Oosterland, die im Mai 1697 sank und wertvolles chinesisches Porzellan an Bord hatte. Derweil fristen am "Kap der Guten Hoffnung" noch Tausende Schiffswracks - darunter 2000 bekannte Wracks aus über 30 Nationen - ihr Dasein. Alleine in der Table Bay, wo Werz die archaischen Relikte aufspürte, liegen auf dem Meeresgrund noch 114 gut erhaltene Wracks.

Schiffsfriedhöfe unterschiedlicher Größen existieren rund um den Globus. Deren Existenz hat der Unterwasserarchäologie in den letzten Jahrzehnten einen regelrechten Boom beschert. Mittlerweile zählt diese Disziplin weltweit zu einem wichtigen Teilgebiet der Archäologie, was primär mit der besonderen Konservierungseigenschaft des Mediums Wasser zusammenhängt, das organische Materialien wie Holz, Textilien, Nahrungsmittelreste etc. sehr gut erhält. Deshalb gelten Schiffsfunde als bedeutende archäologische Quellen. Unter Schlick und Sand vergraben, vermitteln solche Zeitkapseln den Forschern nicht nur Momentaufnahmen über die Schiffsladung oder die damaligen Bautraditionen, sondern sie geben ihnen auch einen Einblick über längst vergessene Schifffahrts- und Handelsrouten sowie Kenntnisse über das Alltagsleben der Besatzung.

Und in ganz seltenen Fällen, so wie dies nunmehr in Table Bay geschehen ist, beschwört die Unterwasserarchäologie sogar den Faktor Zufall herauf und fördert ein außergewöhnliches Relikt zutage, das einer unserer Urahnen irgendwann verloren hat.