Assad: Terroristen werden in die Türkei zurückgedrängt

Screenshot aus dem Interview-Video

In einem Interview bekräftigt der syrische Staatspräsident, dass er keine Hoffnung in einem Dialog mit den Milizen sieht

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Sie seien nicht zu einem Dialog bereit. Die einzige Möglichkeit gegen die "ideologischen Kämpfer oder Terroristen" bestehe darin, sie zu bekämpfen und zu töten. Aleppo sei ein Sprungbrett, um von dort aus auf andere Gebiete überzugreifen. Um die umliegende Region, Idlib, von den Terroristen zu säubern, sei Aleppo von größter Wichtigkeit - der syrische Staatspräsident hat seine Position erneut in einem längeren Interview erklärt (vollständiger Text bei Sana); in Bild und englischer Sprache auch auf Youtube).

Geführt wurde das Interview von einer Journalistin des russischen Zeitung Komsomolskaja Prawda. Die Fragen liefern häufig Stichworte für die Ausführungen Baschar al-Assads; sie bringen ihn nicht aus dem Konzept, sondern ermuntern ihn, seine Linie zu erklären. Grundsätzlich legen die Ausführungen für interessierte Beobachter des Syrienkrieges nichts wesentlich Neues offen.

Das Interview gewährt Einblicke in die Wahrnehmung des Konflikts durch die syrische Regierung, die in den großen Medien, angefangen von der New York Times, über den Guardian, Le Monde, bis hin zu den deutschen Medien, Spiegel, Tagesschau, FAZ, SZ usw. nur in kurzen Fragmenten oder Zitaten zur Sprache kommt - meist, um daraus die unangemessene Brutalität des Regimes abgeleitet und bestätigt zu sehen.

"Die Terroristen müssen zurück in die Türkei gedrängt werden, wo sie herkommen, oder getötet werden", sagte Assad in dem Interview. Es gebe keine Alternativen.

Die Zeit

Der Bericht der Zeit zum Interview erwähnt im zweiten Absatz die Vorwürfe der Kriegsverbrechen Assads und Russlands und endet mit der Erwähnung "heftiger Bombardements" in Aleppo. Dass auch den gegnerischen Milizen von der UN und von Menschenrechtsgruppen Kriegsverbrechen vorgeworfen, bleibt unerwähnt wie auch die Angriffe der bewaffneten Milizen auf den Westteil der Stadt (Ergänzung: Gut zu sehen sind die massiven Zerstörungen in Westaleppo und im Zentrum der Stadt durch regierungsfeindliche Milizen in einer aktellen Video-Reportage von Paris Match, einer Publikation, die nicht als russisches Propagandamedium bezeichnet werden kann.)

Assad, so schreibt die Zeit, "unterscheidet bei seinen Gegnern nicht zwischen Gruppen wie der Terrormiliz ‚Islamischer Staat‘ und Kämpfern, die gemäßigte Ziele verfolgen - er bezeichnet sie alle als ‚Terroristen‘". Auch hier unterliegt der nüchtern-distanziert klingenden Feststellung eine tendenziöse Darstellung: Das Phänomen der Gruppen und Kämpfer, die gemäßigte Ziele verfolgen, wird zu einer Größe gemacht, die sie nicht hat, um damit die Auffassung von Assad als jemand, der holzhammermäßig vorgeht, zu bestätigen. (Ergänzung: Auch hierzu gibt es eine interessante Reportage aus Aleppo, die im Guardian erschienen ist und keiner irgendwie propagandistischen Sympathie für Assad folgt - eher im Gegenteil. Dort wird die Machtübernahme der dschihadistischen, extremistischen Milizen in Aleppo ab Ende 2012/Anfang 2013 geschildert. Hingewiesen wird auch auf Tunnelbaumaßnahmen und die Übernahme eines Krankenhauses als Hauptquartier der Milizen.)

Von Assad selbst gibt es die Aussage, dass er tatsächlich davon überzeugt ist, dass sämtliche Milizen bis hin zu den FSA-Milizen vom Wahhabismus geprägt sind, in der Form, wie ihn die Muslimbrüder ideologisch weitertragen wie auch in radikaleren dschihadistischen Ausformungen, der in den al-Qaida-Milizen am deutlichsten ausgeprägt ist. Es gibt genügend Videos, Berichte und Fotos, die Gemeinsamkeiten bis zur Kameraderie zwischen FSA-Kommandueren und al-Nusra-Mitgliedern dokumentieren. Insofern ist Assads Behauptung nicht als grundlos oder weltfremd abzutun.

Sein Problem, das er damit hat - und das in den westlichen Leitmedien selten als solches klar herausgearbeitet und in den Vordergrund gerückt wird -, ist die Unmöglichkeit eines politischen Dialogs mit den extremistischen Dschihadmilizen, die faktisch das Kommando über alle Gruppen übernommen haben.

Die Milizen wie der IS, die al-Nusra, Ahrar-al-Sham und andere, so Assads Sicht, gehören keiner politischen Bewegung an. Entsprechend würden Verhandlungen mit der politischen Opposition nichts Grundlegendes an der Situation ändern, da sie über keinen Einfluss auf die einzig dschihadistisch-ideologisch und militärisch operierenden Milizen verfüge. Das Hauptproblem in seiner Darstellung der Situation in Syrien liegt in der Frage: Wer kann die Terroristen faktisch beeinflussen? Mit wem könne man verhandeln?

Die Proxystaaten, Saudi-Arabien oder die Türkei, wären eine Adresse, lässt Assad in seinem Interview verstehen, aber er macht auch klar, dass er sich auf deren Bedingungen nicht einlassen könne. So berichtet er zum Beispiel, dass Saudi-Arabien ihm nach Ausbruch der Krise 2011 ein Angebot gemacht habe: Er solle sämtliche Verbindungen zu Iran abbrechen, dann werde man ihn unterstützen.

If you move away from Iran and you announce that you disconnect all kinds of relations with Iran, we’re going to help you. Very simple and very straight to the point.:.Baschar al-Assad

Möglicherweise könne Russland über neue Beziehungen zur Türkei etwas erreichen, so Assad, ansonsten sieht er laut seinen Aussagen im Interview wenig Chancen für eine Eindämmung der Gewalt.