Asylbewerberbetreuung als Geschäftszweck

Firmen wie ORS bieten Behörden Leistungen von der Unterbringung bis zur Freizeitgestaltung an

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Der Umgang der seit dem vergangenen Sommer nach Deutschland geströmten Asylbewerber, stellt die zuständigen Behörden vor immer größere Herausforderungen. Es fehlt an dringend benötigtem Verwaltungspersonal, an passenden winterfesten Unterkünften, aber auch an qualifizierten Betreuern. Überforderte Gebietskörperschaften und Behörden können die Aufgaben, für die sie kein eigenes Personal haben, allerdings auf externe Dienstleister auslagern, um zumindest den bestehenden Vorgaben gerecht zu werden, ohne den eigenen Personalbestand aufstocken zu müssen.

So bietet beispielsweise die schweizerische ORS professionelle Asylbewerberbetreuung an. Die ORS ist keine gemeinnützige oder karitative Organisation, sondern ein kommerzieller Anbieter von Dienstleistungen, welche die zuständigen Gebietskörperschaften nicht selbst erbringen können. Man bezeichnet sich selbst als "politisch und religiös neutrale Organisation, die sich auf die Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden und Asylbewerbern spezialisiert hat".

Das seit 2012 auch in Österreich und seit vergangenem Jahr auch in Deutschland mit Tochterfirmen aktive Unternehmen wurde 1992 (zur Zeit der Flüchtlingswellen während der Balkankrise) im Umfeld der damaligen Zeitarbeitsfirma Adia Interim (heute Adecco) zur Betreuung einer Asylbewerberunterkunft in Liestal im Kanton Basel-Land gegründet. Es betreut heute in der Schweiz mit 500 Mitarbeitern täglich über 5000 Asylsuchende im Auftrag des Bundes, von Kantonen und Gemeinden.

Die ORS gehört heute zur Ox Group, die 2013 von der europäischen Beteiligungsgesellschaft Equistone Partners Europe (EPE) gekauft wurde. Sie wird von früheren Mitarbeitern der Barclays Private Equity geführt. EPE nennt auf seiner englischen Seite als Geschäftszweck der Ox Group: "Outsourcing services for federal and local governments and the tourism industry".

Für die staatliche Verwaltung scheint die Vergabe von Betreuungsaufgaben an kommerzielle Unternehmen wie die ORS vorteilhaft zu sein, weil diese die geforderten Leistungen deutlich billiger erbringen können als gemeinnützige Organisationen wie Caritas oder Diakonie. Pro Tag und Flüchtling erhält ORS nach vorliegenden Informationen 19 Euro. Dazu kommt in Sockelbetrag, der die benötigte Infrastruktur absichern soll. Insgesamt addieren sich die Einnahmen der ORS-Gruppe, die ihren Hauptsitz in Zürich auf mehrere Millionen Euro jährlich.

In Deutschland erfolgte die Gründung der ORS Deutschland GmbH als integriertem Dienstleister im Asyl- und Migrationsbereich am 27. August 2014. Ihren deutschen Standort hat die GmbH laut Impressum bei der WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH am Münchener Thomas-Wimmer-Ring. Betreut werden von ORS Deutschland in Bayern derzeit die Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber München (Dependance Funkkaserne) am Frankfurter Ring sowie die Dependance Ingolstadt.

In Baden-Württemberg betreut man im Auftrag des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald die Wohncontainer im Gewerbepark Breisgau auf dem ehemaligen Fliegerhorst Bremgarten. Zu den Aufgaben der ORS in den betreuten Unterkünften zählt auch die Strukturierung der Tagesabläufe, was man in der Praxis auch mit Bildungs- und Beschäftigungsprogrammen (Deutschunterricht, Sport, Spiele, gemeinnützige Arbeitseinsätze etc.) bewerkstelligen will. Außerdem führen die Asylsuchenden ihren eigenen Haushalt, kaufen selbstständig ein und bereiten ihre Mahlzeiten zu.

Eine österreichische Tochter des Unternehmens sorgte allerdings schon für Negativschlagzeilen: Am 26.8.2015 meldete der Schweizer Tagesanzeiger, dass Amnesty International (AI) Anfang August die Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in Traiskirchen, 30 Kilometer südlich von Wien besuchte. Die Lage dort sei unmenschlich und menschenunwürdig, so das Ergebnis. Jugendliche, Frauen und ganze Familien seien obdachlos, und hätten nur begrenzten Zugang zu sanitären Einrichtungen.

Zudem sei die Versorgung mit Nahrungsmitteln problematisch und die Gesundheitsversorgung durch die österreichische ORS GmbH, einer Tochter der Schweizer ORS AG, unzureichend. ORS weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ihr Auftraggeber, das Bundesministerium für Inneres (BM.I) sie mit der Räumung aller nur denkbaren Zimmer und Aufenthalts- und Schulungsräume beauftragte. Dennoch habe auch diese maximale Ausnutzung von Räumlichkeiten zu Ungunsten der Betreuung nach wenigen Wochen nicht mehr ausgereicht, um Asylbewerber wenigstens in einem Bett mit einem Dach über dem Kopf unterzubringen.