Auch durch Abkochen in Säure nicht kaputt zu kriegen

Ein neuer alter und sehr robuster Virus

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Leben hält sich auch in extremer Umgebung, Halbleben wie Viren ohnehin. Von einem der härtesten Gesellen, der nun im Yellowstone Nationalpark gefunden wurde, könnten heutige Viren und Bakterien abstammen.

Im Yellowstone National Park wurde ein Virus in nahezu kochendem Wasser gefunden. Mark Young und Mitarbeiter vom Thermal Biology Institute and Departments of Microbiology von der Montana State University in Bozeman berichten in den Proceedings of National Academy of Sciences (PNAS) über dessen Isolierung, und bezeichnen es als "Sulfolobus turreted icosahedral virus" (STIV). Der Virus gedeiht in schwefelhaltigem Wasser bei 80 bis 90 Grad Celsius und bevorzugt dabei auch noch einen pH-Wert von 2, also deutlich saures Wasser. Dabei wurde er nicht nur in einer Quelle gefunden, sondern nach Mitteilung der Forscher auch an weiteren Stellen des Yellowstone National Parks. Somit scheint dieser Virus dort ein recht verbreiteter Geselle zu sein.

Die Rekonstruktion des STIV-Virus: Übersicht und "Türmchen" (Grafik: PNAS)

Was im Yellowstone National Park üblich ist, ist im Rest der Welt jedoch eher eine Ausnahme. Gerade 36 von ungefähr 5100 bekannten Viren zählen zu dieser Gruppe der STIV. Sie wurden nach genauer Analyse der archaischen Zeit zugeordnet (International Committee on Taxonomy of Viruses).

Nur 36 weltweit bekannte Viren sind so hart drauf

Typischerweise werden diese Art Viren in kochendem Wasser, im Schlamm, in Fumarolien von Vulkanen oder in Geysiren gefunden. Dabei sind die Viren, die dem Archaikum zugeordnet werden, ebenso unterschiedlich wie die Vertreter der uns hinlänglich bekannten Gruppe. Dazu kommt, dass die Hyperthermophilen, also die im kochenden Wasser lebenden Viren, Fäden und Gebilde aufweisen, die für die Aufnahme von "Kontakten" geeignet sind. Vieles ist noch ungeklärt, und das neue Virus unterscheidet sich wiederum von allen bekannten Formen.

Das STIV besteht aus einem bescheidenen DNS-Genom mit 36 proteinkodierenden Genen. Doch nur drei Proteine passen zu der bisherigen bekannten Datenbasis, nämlich zwei von Sulfolobusviren und eines von einem Sulfolobusgenom. Die Funktion dieser bekannten Strukturen ist unklar; ebenso sind es die weiteren Merkmale des STIV-Virus.

Die Oberflächenarchitektur von STIV, Adenovirus und der Bakteriophage PRD1 im Vergleich (Grafik: PNAS)

Es ist ein eher kugelförmiges, genauer gesagt, ein als Ikosaeder (Polyeder mit 20 Dreiecken) geformter Virus (T.S.Baker, N.H.Olson, S.D.Fuller: Microbiology and Molecular Biology Reviews, December 1999, p. 862-922, Vol. 63, No. 4). Die auffallenden morphologischen Strukturen sind die vorstehenden "Türmchen" (turrets), die etwa 13 Nanometer über die Kapsel des Ikosaeders hinausragen. Ferner sind die Türmchen 24 Nanometer breit und enthalten einen 3 Nanometer breiten Kanal. Obwohl die Funktion dieser Türmchen tatsächlich unbekannt ist, spricht einiges dafür, dass sie zum Andocken an die und anschließenden Infizieren der attackierten Zellen gedacht sind.

Noch etwas unterscheidet das Virus von bereits bekannten Typen: seine dreifache Symmetrie. Sie steht im Unterschied zu der sechsfachen Symmetrie wie sie beispielsweise beim Adenovirus gefunden wird, ist aber in der Lage, das Adenovirus zu umhüllen. Die Röntgenanalyse des Hauptkapsidproteins des Adenovirus, des Hexon zeigt, dass jede Untereinheit von zwei strukturähnlichen Polypeptidketten in gekreuzter Beta-Konfiguration gebildet wird. Diese wiederum ergeben mit dem Hexon eine Trimere und mit den Polypeptidketten eine quasi sechsfache Ansammlung, die das Hexon geschickt in die sechsfache Symmetrie des umgebenden Proteingitters einpasst.

Die Kristallstruktur von PRD1 (links) und dem Adenovirus Hexon (rechts), wobei beide das gleiche Motiv enthalten (Grafik: PNAS)

Im Vergleich überraschen Bilder von der E.coli-Bakteriophage PRD1. Sie bildet dieselbe doppelte Beta-Konfiguration und kann deshalb ebenfalls vom Kapselgitter des Adenovirus umhüllt werden. Und nun zeigen Mark Young und Kollegen, dass die STIV-Struktur geeignet ist, die Hexonproteine des Adenovirus oder die Bakteriophage PRD1 gleichermaßen zu umschließen.

Diese neue Erkenntnis zeigt zumindest, dass dem STIV-Protein eine ungemeine Bedeutung zukommt: dass es sich hierbei nämlich um eine gemeinsame Strukturfamilie handelt. Faszinierend ebenfalls, dass sie erstmalig für ein archaisches Virus gefunden wurde.

Das Einpassen von PRD1 in die STIV-Rekonstruktion (Kapsel oben, Trimer unten) (Grafik: PNAS)

Damit kommen wir zu der Kernfrage dieser Untersuchungen: Handelt es sich bei dem wärmeliebenden Virus um ein Überbleibsel aus den Anfängen der Erde? Wahrscheinlich, denn damals gab es noch nicht das heutige Umfeld, in dem der Sauerstoff das Sagen hatte. Selbst jene Bakterien aus dem Archaikum, die gerade zufällig von Wissenschaftlern entdeckt wurden (Leben in glühendem Gestein), spielen offenbar keine große Rolle.

Was heute im Yellowstone National Park wie eine Selbstverständlichkeit wirkt, war auch in den Anfängen der Erdgeschichte "natürlich". Immerhin haben verschiedene Untersuchungen festgestellt, dass DNS und RNS die Voraussetzung für das Leben bilden. Danach zählen Viren und die gewöhnlichen Bakterien sowie die Archaebacteria, die als thermophil, methanogen oder salzliebend eingestuft werden, zu den folgenden Vertretern irdischen Lebens. Somit haben die Wissenschaftler mit den Viren eine entscheidende Vor- und Zwischenstufe ausfindig gemacht.

Stammen wir alle von solchen Viren ab?

War anfänglich das "Sulfolobus turreted icosahedral virus" da, und kamen dann die Adenoviren und die E.coli-Bakteriophage PRD1? Oder lebte lange vor 3 Milliarden Jahren ein gemeinsamer Vorfahre, der als Begründer der unterschiedlichen Viren angesehen werden muss? Heute, unter dem Einfluss von Charles Darwin und anderen drängt sich die Frage nach dem "Warum" auf: jede Zwischenstufe in der Geschichte der Erdentwicklung ist eine momentane Erscheinungsform zwischen dem "davor" und dem "danach". Was die Suche nach weiteren archaischen Viren beflügeln wird.