Auf die Plätze, fertig, los!

Eine bunte EXPO-Eröffnung für Jedermann

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Mit einem immensen Sicherheitsaufwand wurde die erste Weltausstellung in Hannover am Morgen des 1. Juni eröffnet. An dieser offiziellen Eröffnung konnten nur 400 Medienvertreter und nur ca. 1.000 erste Besucher der EXPO das Durchschneiden des roten Bandes miterleben. man konnte nur mit Schwierigkeiten hierher gelangen. Nur mit besonderer Akkreditierung gab es einen von drei speziellen Aufklebern für die Pressetribüne. Natürlich wurde man zu dieser Akkreditierung gesondert eingeladen und wer trotzdem hinwollte, wurde höflich, aber bestimmt abgewiesen. Schuld waren wieder einmal die Anderen. Doch plötzlich gab es auf den Tribünen doch noch genügend freie Plätze, die einem dann auch ziemlich barsch zugewiesen wurden. Auf einmal war es egal, ob man einen Aufkleber hatte oder nicht.

Pünktlich erschienen die hochkarätigen Festgäste und fanden sich auf dem Platz am Osteingang ein. Anwesend waren unter anderem der hannoversche Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg, die Generalkommissarin Birgit Breuel, der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel, Bundeskanzler Gerhard Schröder nebst Gattin Doris sowie Bundespräsident Johannes Rau. Zudem waren diverse Ministerpräsidenten der Bundesländer und Regierungsvertreter aus dem Ausland vertreten, darunter Brasiliens Staatspräsident Fernando Henrique Cardoso.

Auf diesen Tag haben wir lange gewartet, und was wir nun bieten, wird die Welt zum Staunen bringen

Generalkommissarin Birgit Breuel

Johannes Rau wünschte allen Besuchern der EXPO 2000 in Hannover "sinngebende Eindrücke" und von diesen Eindrücken konnten sich die Besucher dann auch den ganzen Tag überzeugen. Viel mehr Geduld mussten die ersten Besucher am Ost-Eingang aufbringen, denn der Festakt zog sich ziemlich in die Länge, als der BIE-Vertreter seine Ansprache auch noch in Englisch und Französisch vortrug. Diese Höflichkeitsgeste brachten weder Frau Breuel noch der Bundespräsident zu Stande. Entsprechend waren gelangweilte internationale Vertreter der Nationen zu sehen, denn die hatten weder Dolmetscher noch eine Abschrift zur Verfügung.

Mit dem Durchneiden des rotes Bandes und dem Steigenlassen von 100.000 bunten Luftballons wurde die EXPO nach über zehn Jahren Planungsarbeit eröffnet.

Der EXPO-Widerstand, der sich nicht zeigte

Als dieser Festakt fast zu Ende war, skandierten einige EXPO-Widerständler: "EXPO No". Doch die relativ kleine Gruppe - nach Angaben der HAZ "14" - zog ganz schnell wieder ab und setzte einige Bereitschaftszüge der Polizei und des Bundesgrenzschutzes in Bewegung. Das war auch schon alles, was man auf dem Gelände der Weltausstellung an Aktionen mitbekam.

Es ging los mit Pleiten, Pech und Pannen

Die ersten Besucher der Weltausstellung mussten sich noch weitere 10 Minuten gedulden, bis die Ehrengäste samt Sicherheitsleuten abgezogen waren. Doch so schnell kam man trotz Eintrittskarte oder sonstiger Akkreditierung nicht herein. Zuerst musste durch das Nadelöhr einer Sicherheitsschleuse, und wenn es piepste, stockte wegen der Durchsuchung der Rucksäcke die dahinterstehende Menschenschlange.

Damit war man aber längst noch nicht auf dem Gelände, sondern musste mit den Eintrittskarten auch noch durch die Sperrschleusen. Hier zeigten sich dann auch erste Schwächen des Systems, denn Rollwagen für Kameras, Kinderwagen oder Rollstühle konnten nur durch einen bestimmten Durchgang. Hierfür fehlte aber jegliche Orientierungshilfe. Entsprechend wurde geschubst, gedrängelt und gepöbelt. Diese Drängelei setzte sich an den Eingängen den ganzen Tag über fort. Der Gipfel wurde um 19 Uhr erreicht, als 5.000 Freikartenbesitzer auch noch schnell mal auf dem Gelände vorbeischauen wollten. Doch die Schleusen öffneten sich für diese Besucher mit deutscher Pünktlichkeit erst um 19 Uhr. Es zeigte sich, dass die Verantwortlichen in 10 Stunden EXPO noch nichts aus dem Fehler des Eröffnungsmorgens gelernt hatten. Das Chaos mit den Kinderwägen, Rollstühlen und Dränglern begann abermals.

Rituale - Feste - Zeremonien

Zum Glück entspannte sich diese aufgestaute Aggression schnell wieder, denn auf der EXPO-Plaza wurde den über 150.000 Besuchern ein buntes Programm präsentiert. So konnte man den Masken Afrikas begegnen, ein koreanisches Kampfspiel bewundern oder ein marokkanisches Wüstenritual bestaunen. Über 200 Castellers aus Spanien bauten bis zu 9-stöcke Türme aus Menschen. Besonders beliebt waren die Umzüge des brasilianischen Karnevals, deren farbenprächtige Kostüme immer wieder mit viel Beifall bedacht wurden. Einen ganz anderen Eindruck konnte man vom Naadam-Fest aus der Mongolei gewinnen. Hier waren rituelle Kämpfe und prächtig gekleidete Bogenschützen zu sehen. Die ältesten Überlieferungen der Menschheit wurden von den Aborigines aus Australien dargeboten.

Die Voldares aus Mexiko sprangen von einem 30 Meter hohen Mast. Selbst ein paar Geheimnisse aus den Alpen wurden offenbart. Schwindelig konnte einem beim Tanz der Derwische aus der Türkei werden, denn die drehten sich im Kreis wie die Planeten um die Sonne - ohne umzufallen.

Daneben konnten diverse kostenlose Konzerte besucht werden. Heinz Rudolf Kunze und Chris de Burg spielten live und umsonst in der Beatbox. In den nächsten Eröffnungstagen bis zum 4. Juni werden noch "Modern Talking" und "Fools Garden" aufspielen. Aber auch das sind nur wenige Namen, die in diesen Eröffnungstagen ihren Teil zur Unterhaltung beitragen. Während der gesamten Laufzeit der EXPO wird es im Kultur- und Ereignisprogramm der Weltausstellung ca. 15.000 Veranstaltungen geben. Dazu gehören aber nicht nur internationale Namen, die hier in Deutschland bekannt sind, sondern auch nationale Größen verschiedener Länder. Vom Rock über Pop zum Tanztheater bis zur Aktionskunst, Kunst aus Straßensozialprojekten und Klassik von Musik bis Gesang ist alles in diesem und zukünftigen Kultur- und Ereignisprogramm vertreten.

Sightseeing und die Warteschlange

Auch die Pavillons konnten sich über regen Besucherverkehr freuen. Viele Besucher wollten sich vor allem erst einmal einen Eindruck vom Gelände verschaffen. Besonders beliebt waren deswegen die Gebäude mit der guten Aussicht, insbesondere die Postbox und der Niederländische Pavillon mit den gestapelten Landschaften.

Hier, wie auch bei der Seilbahn, entstanden auch bald die ersten Warteschlangen von ein bis zwei Stunden. Irgendwie gehört das Warten auf einer EXPO zum Programm, zumindest wenn man Besucher mit großer EXPO-Erfahrung befragt. "In Sevilla musste man zum Teil mehr als vier Stunden anstehen", war im Vorfeld der Weltausstellung von den Weitgereisten immer wieder zu hören.

Doch das Warten hat auch so seine Licht- und Schattenseiten, "denn wenn es zum Beispiel im "Deutschen Pavillon" vorangeht", so eine Besucherin "und man sich dann etwas näher durchlesen will, wird schon wieder von hinten gedrängelt". Insgesamt zeigten sich die Besucher nach dem Besuch im Deutschen Pavillon beeindruckt. "Interessant" war die meist benutzte Floskel. Tiefergehende Eindrücke konnten allerdings nicht benannt werden, und viele Kinder und Jugendliche fanden die Parade der Gipsköpfe nichtssagend.

In den Hallen

Trotz des schönen Wetters wurden auch die Hallen erstaunlich gut angenommen. Diese Länderbeiträge waren in der vergangenen Berichterstattung immer zu kurz gekommen, weil eben noch nichts zu sehen war. Aber nun präsentierten sich fast alle Länder bunt, farbenträchtig, abstrakt oder traditionell.

Eindrucksvoll ist zum Beispiel der Beitrag der Palästinensischen Behörde, die sich das erste Mal auf einer Weltausstellung präsentieren durfte. In einem Hinterzimmer trafen sich gestern gerade EXPO-Vertreter Israels mit den Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde. Das sind doch hoffnungsvolle Zeichen der Annäherung. Allerdings wurde auch von der Intoleranz einiger Besucher berichtet, die meinten, dass man Israel doch nicht so brüskieren dürfe. Schade nur, dass China gegenüber Taiwan nicht die gleiche Toleranz aufbringen konnte und somit auch Taiwan auf der Weltausstellung zu besuchen ist.

In einigen Hallen ist die Stimmung gut wiedergegeben, denn wer in den arabischen Ländern einmal einen Basar besucht hat, wird Ähnliches jetzt auch auf der EXPO finden. Hier wird alles verkauft, nur die Besucher trauen sich noch nicht zu handeln, wodurch leider auch ein Teil der traditionellen Basaratmosphäre verloren geht. Manche Länder präsentieren sich allerdings ziemlich fade im Stil einer Tourismusbörse oder vertrauen nur auf ein paar kleine Filmchen oder Displays.

Noch einmal zeigte sich Schröder auf der Pressekonferenz nach seinen Rundgang sichtlich angetan und gut gelaunt. Im Pulk von diversen Fernseh- und Fotokameras und Mikrofonen besuchte er unter anderem den Deutschen Pavillon. Hier gab er sich von der Präsentation beeindruckt und sah das Bild Deutschlands als Land der "Dichter und Denker", das sich nun im globalen Kontext seine Rolle suchen muss. Er bedauerte noch einmal auf Nachfrage, dass die USA nicht auf der EXPO vertreten seien, könnte allerdings deren Probleme bei der Spendensammlung nachvollziehen. Ein Spaßvogel hat übrigens neben einem Colaautomaten einen kleinen Zettel geklebt: "This is the pavillion of the United States of America".

Insgesamt wollte er die Weltausstellung als Chance verstanden sehen, Erfahrungen mitzunehmen. Auch zu den Protesten wurde er befragt und machte deutlich, dass man in einem Land mit demokratischen Spielregeln lebe und demzufolge auch mit Demonstrationen leben müsse. Sollte es aber zu strafbaren Handlungen kommen, würde auch mit fester Hand zugegriffen. Das wurde denn am Abend in der Innenstadt auch konsequent angewandt, als es nach Angaben der Polizei zu Ausschreitungen gekommen war.