Aufklärung über die Folgen der Überwachung

Videoüberwachung in Hamburg: Die GAL richtet eine große Anfrage an den Senat und könnte so eine längst erforderliche Auseinandersetzung in Gang setzen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Diskussion über die Ausdehnung von Videoüberwachung in Hamburg ist nicht mehr aufzuhalten. Der im Februar gewählte CDU-Senat und sein parteiloser Innensenator Udo Nagel wollen an ausgewählten Kriminalitätsschwerpunkten in der Hansestadt testweise Videoüberwachung einführen. Darüber herrscht Klarheit. Unklarheit herrscht aber bei der genauen Umsetzung, den möglichen Folgen, den genauen Argumenten und der gesetzlichen Grundlage.

Der ehemalige Polizeipräsident und jetzige Innensenator Nagel, möchte noch vor der Sommerpause eine Gesetzesvorlage in die Hamburger Bürgerschaft einbringen, die eine Ausweitung der Videoüberwachung in Hamburg möglich macht. Bisher gab es dafür Beschränkungen durch das Sicherheits- und Ordnungsgesetz. Und in der vergangenen Regierung hatte sich noch die FDP geweigert, daran Hand anzulegen. Jetzt aber regiert die CDU allein und macht sich daran, die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen zu schaffen.

Der GAL-Fraktion im Rathaus ist das alles zu ungenau und wird nach Aussage ihrer innenpolitischen Sprecherin, Antje Möller, viel zu wenig öffentlich diskutiert. Daher haben sie jetzt eine große Anfrage an den Senat gerichtet, die dieser bis zum 26. Mai beantworten soll. Dann könnte auch eine Debatte in der Bürgerschaft über dieses Vorhaben stattfinden - das Thema also auf die politische Tagesordnung gesetzt und dort diskutiert werden.

Die große Anfrage ist in der Tat eine große und umfangreiche. Insgesamt 84 Fragen und Unterfragen enthält das Dokument. Die GAL hat fast nichts ausgelassen in ihrem Fragenkatalog, der sich in die Bereiche Polizei, Datenschutz und Justiz, Verkehr und Schulen und andere öffentliche Einrichtungen unterteilt. Kernpunkte des Papiers sind Fragen nach den gesetzlichen Grundlagen, nach den Möglichkeiten der Vernetzung und der Verwendung der Daten und dem Schutz der Bürger vor der Datensammelwut des Staates. Und immer wieder auch nach den möglichen Konsequenzen.

Es geht den Hamburger Grünen darum genau zu erfahren, welche Mitbestimmung den Bürgern bei der Aufstellung der Kameras eingeräumt wird, was genau aufgezeichnet werden soll und wie die einzelnen Standorte ausgesucht werden. Und: Vor allem wollen sie in allen Bereichen wissen, was die wissenschaftlichen Grundlagen und Erkenntnisse sind, die eine Videoüberwachung in Hamburg rechtfertigen würden oder zumindest das hier geplante Ausmaß.

Am wichtigsten erscheint dabei die Frage, ob es wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse darüber gibt, wie diese Kameras auf den öffentlichen Raum wirken und wie sich eventuell das Nutzungsverhalten von Bürgern ändert oder beeinflusst, die sich in nicht-krimineller Absicht dort bewegen. Eine der zentralen Fragen, der auch das Projekt Videoüberwachung an der Universität Hamburg nachgeht.

Die Fülle der Fragen führt die Beantwortung schon fast ad absurdum und es bleibt abzuwarten, wie die Reaktion am 26. Mai ausfallen wird und ob sich der Senat davon in seinem Weg beeinflussen lässt. Es besteht zumindest die Chance, dadurch eine öffentlich weiter gefasste Diskussion zu einem sehr ambivalenten und strittigen Thema anzuregen.

Der Oppositionspartner von der SPD hat bis jetzt noch nichts zu diesem Thema verlautbaren lassen, war aber in der Vergangenheit auch eher vorsichtig damit umgegangen. Eine Stellungnahme zu den Plänen ist aber sicherlich in absehbarer Zeit zu erwarten. Wie der ehemalige innenpolitische Sprecher der Fraktion und jetzige Fraktionsführer der SPD, Michael Neumann, im Hamburger Rathaus erklärte, gilt es einen praktikablen Umgang mit diesem Thema zu finden und einen Einsatz genauestens abzuwägen. Hysterie und vorschnelles Handeln seien hier nicht angebracht.

Die Diskussion hat also gerade erst begonnen und wird bestimmt noch andauern. In welche Richtung sie geht, hängt auch von der Reaktion des Senates ab. Innensenator Nagel hat sich bisher allerdings in der Öffentlichkeit als diskussionsbereit gezeigt. Einer wissenschaftlichen Diskussion steht er erklärtermaßen offen gegenüber.