Augen zu und durch

Bundestag will diese Woche noch G-10-Gesetz mit erweiterten Abhörbefugnissen für Geheimdienste verabschieden

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Eine öffentliche Diskussion fand bislang kaum statt. Dennoch soll bereits diesen Freitag das G-10-Gesetz in dritter Lesung im Bundestag verabschiedet werden. Es befugt den Bundesnachrichtendienst auch den leitungsgebundenen Telekommunikationsverkehr abzuhören. Der BND hat damit Zugriff auf 100 Prozent, während er zuvor nur auf den Satellitenverkehr beschränkt war.

Auch der Verfassungsschutz soll mehr Befugnisse erhalten. Er darf künftig auch die Telefone von Extremisten abhören. Kritisch ist die Ausweitung auf einzelne Personen. Abhören ist auch dann erlaubt, wenn es um Volksverhetzungen oder Gewalttaten außerhalb von terroristischen Vereinigungen geht. Eigentlich forderte das Bundesverfassungsgericht aber eine deutlich verbesserte Kontrolle der Lauscher, als sie ihr Urteil am 14. Juli 1999 verkündeten. Es ging um das Verbrechensbekämpfungsgesetz bzw. das G-10-Gesetz, das 1994 verschärft worden war.

Ziemlich spät schaltete sich die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) in die Diskussion ein. In einer Stellungnahme an den Innen- und Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages wies sie erst vergangene Woche darauf hin, dass die Ende 1994 eingeführte Überwachung des internationalen Fernmeldeverkehrs zur Verbrechensbekämpfung praktisch ergebnislos geblieben ist. Es sei eine "falsche Konsequenz", wenn jetzt die verdachtslose Überwachung des Fernmeldeverkehrs durch den BND noch ausgeweitet werden soll. Auch künftig fände eine Erfolgskontrolle der Fernmeldeüberwachung durch die Geheimdienste, also Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst, nicht statt.

Obwohl ein Experte der HU an den Vorbereitungen des Gesetzes beteiligt war, beanstandet sie die mangelnde Transparenz beim Zustandekommen des Gesetzes - womit sie recht hat: Öffentlich diskutiert wurde es bislang nicht. Bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs am 29. März fand im Parlament keine Debatte statt.

Am Mittwoch soll es im Innenausschuss des Bundestages eine letzte Aussprache geben. Ob sie öffentlich stattfindet, ist unklar. Eine Anhörung von Experten ist bislang nicht geplant. Die PDS hat am Freitag noch in letzter Minute einen Antrag auf eine öffentliche Anhörung eingereicht. Ulla Jelpke zeigte sich gegenüber Telepolis jedoch skeptisch: "Wir brauchen 25 Prozent. Die Grünen sind an einer öffentlichen Anhörung aber nicht interessiert." Seitens der Grünen hieß es, dass solche Anträge traditionellerweise von der Opposition gestellt werden. Eine Unterstützung ist noch ungewiss und wird sich vermutlich erst am Mittwoch entscheiden.