Aus Athen nach Berlin - ohne Liebe, aber mit explosivem Inhalt

Internationalisierung des griechischen Problems durch Bomben?

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Die am heutigen Nachmittag im Bundeskanzleramt entschärfte Briefbombe stammt nach Angaben der griechischen Antiterrorbehörde aus Athen. Sie ist baugleich mit anderen Bomben, die derzeit fast dutzendweise bei ausländischen Botschaften in Athen gefunden werden. Während diese Zeilen geschrieben werden, läuft über den Ticker die Meldung, dass drei weitere Bomben im internationalen Flughafen von Athen gefunden wurden. Regelmäßig werden Nachrichtensendungen unterbrochen. Außer der allgemeinen Verunsicherung versuchen die einheimischen Medien zu vermitteln, dass die Terroraktion dem internationalen Ansehen des Landes erheblichen Schaden zufügt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, an die persönlich das Paket adressiert wurde, war aufgrund ihrer Belgienreise nicht in Gefahr. Der Absender soll, so wird berichtet, das griechische Wirtschaftsministerium gewesen sein. Seltsam erscheint dabei einem aufmerksamen Beobachter, dass seit der letzten Regierungsumbildung im September 2010 kein Ministerium dieses Namens mehr im Land existiert.

Seltsam erscheint vielen, dass zumindest die Bombe an die Bundeskanzlerin sämtliche Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen, sowohl in Athen als auch in Berlin, umgehen konnte. Gestern noch hatten sich zahlreiche Kommentatoren in Griechenland darüber amüsiert, dass eines der aufgefundenen Pakete an den französischen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy gehen sollte. "Wie kann man so naiv sein zu glauben, dass so ein Paket an den Sicherheitsscannern der Airports vorbei kommt, meinten viele Kommentatoren. Anfänglich war auch die auf den ersten Blick ineffektive Bauweise der Sprengsätze ein Spottthema.

Serienweise bombige Mitteilungen

Nun jedoch steht nach jüngstem Stand der Ermittlungen fest, dass die Bomben im Fall einer Explosion nicht töten, sondern vielmehr verletzen und Brände verursachen sollten. Augenscheinlich ging es den Terroristen nicht um den Schaden, sondern um eine Demonstration. Man wolle wohl, so deutete man die Intentionen der Täter in der abendlichen Hauptnachrichtensendung des Senders Alter Channel, das griechische Problem internationalisieren. Diese These vertreten auch zahlreiche andere Experten.

Am Dienstagmittag waren in Athen Bomben in den diplomatischen Vertretungen der Schweiz und Russlands explodiert. Ein an die diplomatische Vertretung Bulgariens gesandtes Paket konnte über eine kontrollierte Explosion entschärft werden. Die Deutsche Botschaft sollte ebenso ein Paket erhalten wie dieBotschaft Chiles. Das Paket an die Chilenen wurde pikanterweise direkt vor dem griechischen Parlament zur Explosion gebracht. Der Paketkurier hatte den Terrorbehörden per Mobiltelefon seinen Verdacht mitgeteilt und stoppte sofort seine Weiterfahrt.

Wer steckt hinter den Bomben?

Offizielle Mitteilungen sprechen von einer zufälligen Verhaftung von zwei Tatverdächtigen. Diese verweigern stur die Aussage und beschimpften bei ihrer Vorführung am Athener Gericht lautstark die anwesenden Journalisten.

Wie kam es zu dem Zufall? Das fragt sich unter anderem die Kommunistische Partei Griechenlands, die hinter der gesamten Aktion eine Provokation vermutet. Kurz nach der Aufdeckung der vereitelten Al-Qaida-Paketbombenaktion startete in Athen eine Briefbombenserie nach ähnlichem Muster. Direkt nach Abgabe der ersten Bombensendungen gingen der Polizei am Montag bei einer Personenkontrolle zwei dringend Terrorverdächtige Männer ins Netz. Dieser Zufall mag für Außenstehende ungewöhnlich erscheinen, ist jedoch aus einem Athener Blickwinkel verständlich.

Seit mehreren Monaten patrouillieren mobile Einsatzeinheiten der griechischen Polizei auf Motorrollern durch die Großstädte. Diese "DIAS"-Gruppe kontrolliert dabei alle ihr verdächtig erscheinenden Personen. Verdächtig erscheint bereits, wer den im Ortsbereich operierenden Beamten nicht bekannt vorkommt. Fast jeder Passant griechischer Großstädte ist bereits in derartige Kontrollen geraten.

Beide Verdächtige sind bereits in Haft. Als Terrorverdächtige sind sie nicht vom griechischen Persönlichkeitsrecht geschützt. Deshalb wurden neben ihren Namen auch familiäre Verhältnisse bekannt. Einer der Verdächtigen ist Sohn eines berühmten griechischen Kulturschaffenden.

"Wir machen bei diesem Spiel mit Euch nicht mit", kommentierten sie nach Angaben griechischer Medien alle Fragen des Richters. Angeklagt werden die Verdächtigen unter Anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, Explosionsstoffherstellung und -anwendung. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Terrorverdächtigen den griechischen Behörden bei der Suche nach weiteren Tätern helfen werden.

Ähnliche Aktionen wurden in der Vergangenheit auch von italienischen Extremisten durchgeführt. Die Polizei geht deshalb davon aus, dass außer inländischen Mittätern auch Kontakte ins Ausland untersucht werden müssen.