Aus der gentechnischen Wunderkiste

Kaum gab es in den USA das erste Problem mit Lebensmitteln, die nicht zugelassene genveränderte Bestandteile enthalten, präsentieren Wissenschaftler auch schon eine - mögliche - gentechnische Lösung

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Die technische Entwicklung ist gewissermaßen mit einem Trick ausgestattet, der es ihr ermöglicht hat, immer wieder verbessert oder zumindest weiter vorangetrieben zu werden. Stets bringen neue Techniken Probleme oder sogenannte Nebenfolgen mit sich - und die, so scheint es, behebt man am besten, indem neue Techniken erfunden werden, die wiederum Nebenfolgen haben, weswegen .... So ist das auch bei der Gentechnik der Fall.

Der Anbau von genveränderten Pflanzen gilt auch deswegen als riskant, weil die neuen Eigenschaften auf andere Pflanzen überspringen könnten. Plötzlich hat man womöglich nicht nur eine Nutzpflanze, die gegen irgendein Herbizid immun ist, sondern auch ein Unkraut, das sich dann rasant verbreiten könnte. Aber es hat sich auch gezeigt, dass die Gene auf die nicht genveränderten Nutzpflanzen derselben Art in der Umgebung überspringen können, wodurch womöglich ein Teil der in letzter Zeit gemeldeten Vermischungen von genveränderten und nicht-genveränderten Samen oder Produkten zustande gekommen ist. Und wenn das dann auch noch Pflanzen von Bio-Landwirten sind, dann schätzen die das gar nicht.

Ende September wurde das erste Mal in den USA ein Lebensmittelprodukt, Taco Bell, von Kraft wieder aus dem Handel genommen, weil darin auch Bestandteile einer genverändertem Maissorte zu finden waren, die vom US-Umweltministerium nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen war. Die Maissorte StarLink enthält ein toxisches Protein, das von einem Gen des Bacillus thuringiesis (Bt) stammt, und erhielt 1998 nur als Tierfutter oder zur industriellen Verwertung die Anbaugenehmigung, da das Toxin bei Menschen möglicherweise zu Allergien führen könnte. Der Hersteller der Maissorte, Aventis, ging sogar so weit, die ganze Ernte von StarLink aufkaufen zu wollen, damit es nicht mehr in die Nahrungsmittelkette gelangen kann.

Auch in den USA scheint mittlerweile der Druck stärker zu werden, dass Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Bestandteilen ausgezeichnet werden. Jetzt sollen zumindest alle Lieferungen von Mais daraufhin geprüft werden, ob sie kontaminiert sind, denn Aventis fürchtet, dass solche Vermischungen negativ auf die gesamte Gentechnologie zurückschlagen könnten. Zumindest wird dies dann zu einem Problem, wenn Mais in Länder exportiert wird, die eine Auszeichnung verlangen, d.h. die fordern, dass gentechnisch veränderte Produkte und "natürliche" Produkte getrennt werden.

Selbst amerikanische Lebensmittelhersteller kritisieren mittlerweile die lasche Haltung der amerikanischen Regierung, die all das mehr oder weniger der Selbstregulierung der Wirtschaft überlassen hat. Inzwischen hat auch eine andere Firma, Mission Foods, ihre Tortilla-Produkte zurückbeordert, um "das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittelkette" zu stärken.

Natürlich tragen nicht nur die Konzerne und die lasche Haltung der amerikanischen Behörden, sondern auch die Landwirte zu den Problemen bei, die die eigentlich vorgesehenen Auflagen, also etwa die Einrichtung von Pufferzonen zwischen den Maissorten oder deren Trennung nach der Ernte, nicht einhalten. So geht man davon aus, dass zu den 315000 Hektar, auf denen StarLink angebaut wurde, noch 100000 direkt daran angrenzende Hektar kommen, auf denen andere Maissorten ohne Puffer angepflanzt wurden, die auch das neue Gen enthalten können.

Wissenschaftler der University of Wisconsin-Madison haben angesichts dieser Problematik eine Chance für ihre eigene Forschung gesehen und gleich berichtet, dass sie bei der Erforschung einer wilden Maissorte eine Entdeckung gemacht haben, die sich als ganz praktisch erweisen könnte und nur die Kehrseite der Gentechnik darstellt, die neue Gene in das Genom einführt. Bei der Maisart Teosinte stießen die Wissenschaftler auf eine molekulare Barriere, die angeblich vollständig verhindern kann, dass fremde Gene, also auch solche von genveränderten Sorten, in das Genom einer Pflanze aufgenommen werden. "Um was es geht", so der Genetiker Jerry Kermicle, der diese Eigenschaft bei Teosinte entdeckt hatte, "ist die Kontrolle über den Fluss der Gene zwischen Populationen."

Genaustausch findet nicht nur bei Bakterien statt, weswegen sie sich so schnell an neue Bedingungen anpassen oder neue Eigenschaften entwickeln können, sondern ist auch zwischen Bakterien, Viren und Pflanzen gang und gäbe. Dieser genetische Napster-Marktplatz, bei dem Eigenschaften getauscht werden, die manchmal von Nutzen sein können, wird durch Samen, die weit mit dem Wind fliegen können, oder auch durch Bienen und andere Insekten in Gang gehalten. Das kann natürlich auch die sorgsam gentechnisch gestylten Pflanzen auf unerwünschte Entwicklungswege lenken oder den Export von Produkten genveränderter Nutzpflanzen in Länder erschweren, die entweder keine genveränderten Pflanzenprodukte wollen oder wie die EU eine Etikettierung verlangen.

An sich ist die Idee ja verrückt, sollte man meinen. Denn die Wissenschaftler schlagen vor, dass man die in Teosinte gefundene genetische Abwehr fremder Gene just auch in die Pflanzensorten gentechnisch einbaut, die nicht durch Gene von gentechnisch veränderten Sorten kontaminiert werden sollen, kurz: Auch das, was in Zukunft "natürlich" bleiben sollen, muss gentechnisch verändert werden. Zumindest würde dies für die Pflanzen gelten, die man als Barriere zur Verhinderung des Überspringens um Felder mit gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut. Allerdings wächst auch das Interesse der Viehzüchter an Futter wie Mais, das nicht gentechnisch verändert ist, und immerhin wird die Hälfte der Maisproduktion in den USA zu Tierfutter verarbeitet

Teosinte ist möglicherweise der wildwachsende Vorfahr der in Mexiko gezüchteten Maissorten. Sein Genom ist dem gezüchteten Mais sehr ähnlich und unterscheidet sich möglicherweise nur um einige wenige Gene. Trotz dieser engen genetischen Verwandtschaft und trotz des Austausches von Genen zwischen den gezüchteten Maissorten durch wechselseitige Bestäubung nimmt Teosinte, das als Unkraut auf Maisfeldern wächst, kaum Gene von den Verwandten auf. Grund sei eine Genstruktur, die das Eindringen fremder Gene von anderen Maispflanzen abwehrt. Die Gene wurden von WARF, einer privaten, aber nichtkommerziellen Organisation patentiert, die das geistige Eigentum im Interesse der Universität verwaltet. Eine Lizenz für Pflanzen mit dieser Eigenschaft soll es allerdings erst 2002 geben, 2003 sollen sie dann auf den Markt kommen können. Vorgesehen sei übrigens für die Lizenz, dass Maissorten mit dem Teosinte-Blockierer nicht weiter gentechnisch verändert werden sollen. Insgesamt hofft man, dass man aus dem Fund bei Teosinte ähnliche Genblockierer auch bei anderen kommerziell interessanten Pflanzen entdecken oder realisieren kann.