Aus für die Stammzellforschung?

Embryonale Stammzellen entwickeln sich zu Oozyten und weiter bis zu Embryonen. Das ist keine Vision mehr, sondern eine Entwicklung, die mit Zellkulturen realisiert wird

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Viele Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass embryonale Stammzellen außerhalb des Körpers unmöglich Gameten hervorbringen können, sondern nur somatische Zellen. Wir haben herausgefunden, dass sich die embryonalen Stammzellen von Mäusen zu Eizellen entwickeln. Ferner können wir nachweisen, dass sich die Oozyten meiotisch teilen, die umgebenden Zellen dazu anregen, follikelartige Strukturen zu bilden, und dass sich die Eizellen schließlich zu Embryonen weiterentwickeln.

Mit diesen Worten charakterisiert Hans R. Schöler von der Germline Development Group an der University of Pennsylvania die Publikation seiner Arbeitsgruppe (Karin Hübner et al.) in Science Möglich wurde die Erkenntnis durch die Markierung mit einem selbst entwickelten Fluoreszenzfarbstoff, der sich an das Gen Oct4 anlagert. Nach 8 Tagen fluoreszieren 40 Prozent der dicht gepackten Mäuse-Stammzellen. Zu dieser Zeit lässt sich das weibliche Geschlechtshormon Östradiol nachweisen. Nach 16 Tagen treten Proteine auf, die typisch für die Meiose sind. Jetzt sind aus den anfänglich gleichartigen Zellen eigenständige Gewebearten geworden. Zum einen gibt es Zellstrukturen, die optisch den Follikeln entsprechen, also dem natürlicherweise vorhandenen Versorgungsgewebe. Die darin eingebunden Zellen gleichen den typischen Oozyten. Ganze 10 Tage später lösen sich die Eizellen so wie sie normalerweise aus den Follikeln freigesetzt werden.

Einen Monat danach sind Blastozyten mit 16 Zellen herangewachsen. Zweifelsfrei parthenogenetisch entstanden, nämlich ohne Spermienzusatz.

Die Farbe verrät es: frühes, durch Oct4-GFP Transgen grün fluoreszierendes Stadium, mittleres (gelb) und spätes Keimstadium (rot) (Credit K.Hübner, H.R.Schöler, Science)

Die Versuchsanordnung, so betont Hans R. Schöler, ist simpel, weil frei von speziellen Wachstums- oder Transkriptions-Faktoren.

Ich bin sicher, dass mancher Kollege feststellt: die Zellen habe ich auch schon gesehen. Ohne Marker entgeht uns allerdings, was wirklich abläuft.

Die Ergebnisse haben mit einem Schlag eine Tür geöffnet. Doch wohin führt der Weg? Das kann eine glorreiche Zukunft sein, oder der Beginn vom Ende.

Follikelähnliche Strukturen in der Zellkultur (Credit K.Hübner, H.R.Schöler, Science)

Wir sehen in den Oozyten eine optimale Basis für das therapeutische Klonen und hoffen, dass sich die Ergebnisse mit menschlichen Stammzellen reproduzieren lassen. Damit können die ethisch begründeten Widerstände in den USA oder Deutschland überwunden werden,

so die Erwartung von Hans R. Schöler. Zellen, gut genug für Ersatzgewebe, dennoch natürlicherweise blockiert in der Entwicklung zu lebensfähigen Menschen, so sieht das angestrebte Ideal aus. Allerdings bleibt noch zu beweisen, dass die Oozyten in der Petrischale nicht nur schöner Schein sind, sondern auch befruchtet werden können.

Oozyt eingebettet in Follikelgewebe (Credit K.Hübner, H.R.Schöler, Science)

In diesem Beweis verbirgt sich die befürchtete Kehrseite. Falls die weitere Forschung zeigt, dass die Oozyten regulär befruchtet werden können und zu funktionsfähigen Embryonen heranwachsen und geboren werden könnten, käme das endgültige Aus für die Stammzellforschung. Das für den Menschen in Misskredit geratene embryonale Klonen setzt auf ein bestimmtes Individuum auf, von dem eine oder mehrere Kopien hergestellt werden. Beim Umweg über die Stammzellforschung öffnete sich ein unabsehbares Potential für zusätzliche Manipulationen.

Was die Verfechter des therapeutischen Klonens heute weit von sich weisen, würde zur Realität: mit ihrer Hilfe könnten die embryonale Kloner die schlimmsten Horrorvisionen entwickeln. Noch dürfen wir hoffen und träumen. Nachdenklich stimmt die überraschende Beobachtung, wonach in Pennsylvania nicht nur die weiblichen, sondern auch die männlichen Mäuse-Stammzellen ausschließlich Oozyten und keine Spermien bilden.