Ausfallende Atomkraftwerke

Während im Osten Kanadas und im äußersten Nordosten der USA die Temperaturen unter dem langjährigen Durchschnitt liegen, ist im Südosten der USA das Gegenteil der Fall. Das Ergebnis ist ein besonders heftiger Temperaturgegensatz, der ideale Bedingungen für einen ausgewachsenen Wintersturm mit viel Schnee schafft. Bild: Climate Reanalyser

Die Energie- und Klimawochenschau: Von neuen bürokratischen Hürden, eisigen Winterstürmen, alternden Atomkraftwerken und der Elektrifizierung Bangladeschs

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Die Bundesregierung plant, wie mehrfach berichtet, die Förderung der erneuerbaren Energieträger weitgehend auf Ausschreibungen umzustellen, ein Verfahren, das von vielen in der Branche kritisiert wird. Am heutigen Mittwoch wird das Bundeskabinett eine erste Verordnung für Solarparks auf den Weg bringen. Dabei geht es zunächst um ein Pilotverfahren, dass ausschließlich größere Solaranlagen auf Freiflächen betrifft.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA mahnt aus diesem Anlass mehr Planungssicherheit an. Man vermisse "verlässliche Bedingungen, um neue Kraftwerksprojekte und Anlagenparks sinnvoll zu planen und abzusichern", meint Gerd Krieger, stellvertretender Geschäftsführer des VDMA-Fachverbandes Power Systems im (VDMA Power Systems). Krieger kann zwar dem "Systemwechsel", wie er es nennt, auch positive Seiten abgewinnen, hat aber auch schon schlechte Erfahrungen gemacht: "Wir haben aber in anderen Märkten auch gesehen, dass ein schlecht gemachtes Ausschreibungssystem eine gute Entwicklung abwürgen kann."

Aufwand niedrig halten

Der Verband verweist darauf, dass die heutige Verordnung die Vorlage für weitere sein wird, die auch den Windenergiesektor betreffen werden. Entsprechend werden vier Anforderungen an diese Ausschreibungsverordnungen formuliert: Erstens müssten die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fixierten Ausbauziele erreicht werden. Zweitens müsse das Ausschreibungsverfahren die Einführung innovativer Technologien fördern und dürfe nicht allein die momentanen Stromkosten im Blick haben. Drittens müssten spezifische Besonderheiten verschiedener Technologien berücksichtigt werden. Und schließlich müsse viertens der bürokratische Aufwand niedrig gehalten werden, "so dass sich auch kleine Akteure wie die in Deutschland charakteristischen Bürgerbeteiligungen weiter engagieren können".

Die Satellitenaufnahme der NASA zeigt einen sich entwickelnden Sturm an der Ostküste der USA.

Da braut sich was zusammen. Die Ostküste der USA wird, wie berichtet in den nächsten Tagen von einem gewaltigen Schneesturm heimgesucht. Blizzard-Warnungen waren am Dienstag von New Jersey, also südlich von New York City, entlang der Küste bis an die kanadische Grenze in Kraft. An einen Teil der Küste wurde auch vor Sturmfluten gewarnt.

AKW vom Netz getrennt

Aus Massachusetts und New Jersey wird von Stromausfällen berichtet. Mehrere 10.000 Menschen waren betroffen. Im Massachusetts musste auch das AKW Pilgrim abgeschaltet werden, weil seine Verbindungen zum Netz durch das Unwetter gekappt wurden. Der Beitrag des Boston Globe schweigt sich darüber aus, wie es um die Notfallkühlung bestellt ist, zitiert aber einen Sprecher des Betreibers, der den Vorfall mit einem ähnlichen 2013 vergleicht.

Seinerzeit hatte ebenfalls ein schwerer Schneesturm den Meiler vom Netz abgeschnitten. Offensichtlich ist man bisher nicht auf die Idee gekommen, unwettersichere Erdkabel zu verwenden. Der Reaktor musste 2013 mit der Hilfe von Dieselgeneratoren gekühlt werden, und zwar immerhin vier Tage lang (Das AKW und der Schneesturm. Da kann man eigentlich nur hoffen, dass in der Anlage genug Vorräte lagern oder zumindest die Straßen schnell wieder befahrbar werden, sodass Tanklaster durchkommen.

Angetrieben wird das Orkantief zum einen durch das warme Wasser des Nordatlantiks, dass die unteren Luftschichten erwärmt und mit Wasserdampf auflädt, und zum anderen von den großen Temperaturgegensätzen über weiten Teilen Nordamerikas. Beides ist der zweiten Grafik gut zu entnehmen.

Die Küste um New York City herum war zuletzt 2012 von Tropensturm "Sandy" gebeutelt worden, der dort zu schweren Überschwemmungen führte. So schlimm wird es diesmal sicherlich nicht werden, aber die Stadt beginnt sich seit 2013 für stärkere Stürme und Fluten zu rüsten (Klimawandel: New York City passt sich an).

Diskriminierte AKW-Betreiber

Eine kleine Korrektur an der gestern veröffentlichten Meldung über Schwedens Atompolitik: Dort schrieben wir von den Meinungsverschiedenheiten zwischen den in Stockholm regierenden Grünen und Sozialdemokraten in der Frage, wie mit den ältesten Atomkraftwerken des Landes umzugehen ist. Ein Leser verwies auf einen Beitrag der Nachrichtenagentur Bloomberg vom Herbst letzten Jahres. Demnach argumentieren die schwedischen Grünen, dass die vier ältesten AKW sozusagen auf dem administrativen Wege stillgelegt werden können. Eine Mehrheit im Parlament wäre nicht von Nöten.

Der Hebel könnte in den Sicherheitsanforderungen liegen. Die Grünen wollen, dass alle Reaktoren über ausreichend redundante Notfallkühlung verfügen, wie sie von den Reaktorsicherheitsbehörden vorgeschlagen werden. Außerdem wollen die Umweltpolitiker Sicherheitsstandards, wie sie von Vattenfall für Neubauten definiert wurden, auch auf alte Anlagen angewandt wissen.

Weltweit laufen derzeit 439 Reaktoren, deren Durchschnittsalter rasch zunimmt. Die ältesten sind bereits 46 Jahre im Betrieb, 73 bereits seit 40 Jahren oder länger. Zunehmende Materialermüdung macht Unfälle damit immer wahrscheinlicher. Bild: IAEA

Die erheblichen Investitionen, die damit verbunden wären, könnten den Betrieb der älteren Reaktoren unrentable machen, weil diese kaum noch lange genug laufen können, um diese Kosten wieder einzuspielen. Dagegen spricht allein schon die Materialermüdung, die durch jahrzehntelange ionisierende Strahlung im Inneren der Reaktoren hervorgerufen wird. Entsprechend fühlen sich von Bloomberg zitierte Konzernsprecher "diskriminiert" und fordern Gleichbehandlung mit anderen Energieträgern.

Methusalem-Atommeiler

Die Reaktoren Ringhals 1 und 2 sowie Oskarshamn 1 und 2 gingen alle zwischen 1971 und 1974 in Betrieb und meist einige Monate später ans Netz. Bloomberg schreibt von Laufzeiten, die zwischen 1972 und 1976 begannen. Die beiden Reaktoren in Oskarshamn gehören übrigens dem deutschen E.on-Konzern, der, wie berichtet, gerade dabei ist, seine Kohle- und Atomkraftwerke in eine Art Bad-bank auszugliedern.

Der Fachinformationsdienst IWR berichtete Anfang Januar - auch das ein Leserhinweis - von einer neuen Studie aus Großbritannien, die die dortige ältliche AKW-Flotte für ein Risiko für eine sichere und kontinuierliche Stromversorgung hält. Im letzten Jahr sei es zu 20 unvorhergesehenen Ausfällen gekommen.

Beim Nachbarn Belgien hat man in den letzten Jahren zahlreiche Haarrisse an den Reaktordruckbehältern mehrerer Meiler gefunden. Erst Ende November war es auf dem Gelände des Kraftwerks Tihange zu einer Explosion gekommen, was zur Abschaltung eines weiteren Reaktors führte. Zeitweise waren diesen Winter fünf der insgesamt sieben belgischen Reaktoren außer Betrieb und Besitzer Electrabel hat erst letzte Woche das Wiederanfahren von Tihange 2 und Doel 3 um weitere drei Monate in den Sommer verschoben. Die beiden Reaktoren stehen bereits seit dem März 2014 still.

Solare Elektrifizierung

Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche: 3,5 Millionen Haushalte in Bangladesch, die zuvor keinen oder nur sehr begrenzten Zugang zu elektrischer Energie hatten, verfügen inzwischen über ein sogenanntes Solar Home System. Solarpanel und Batterie sorgen dafür, dass in diesen Haushalten nun auch am Abend gelesen, gelernt und gearbeitet werden kann und der Zugang zum Internet und den Funkmedien erheblich vereinfacht wird. Auch Pumpen für die Bewässerung der Felder werden inzwischen oft mit Solarstrom betrieben.

Viele Dörfer sind in dem Entwicklungsland (Bruttonationaleinkommen 2013: 900 US-Dollar pro Kopf) nicht ans öffentliche Netz angeschlossen, aber selbst für jene mit Netzzugang hat der Solarstrom einen wesentlichen Vorteil: Angesichts der häufigen Ausfälle im Netz ist er wesentlich zuverlässiger. Derzeit kommen monatlich 50.000 bis 60.000 Haushalte hinzu. Auch der Aufbau lokaler Netze, die vor allem der Bewässerung dienen sollen und mit Solarstrom gespeist werden, wird vorangetrieben.