Ausländer unerwünscht in Israel

Nach Powell-Besuch erneute Verschärfung gegenüber Palästinensern

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Als die Montagsausgaben der Tageszeitungen von der "Erleichterung israelischer Maßnahmen gegenüber den Palästinensern" berichteten, war diese hoffnungsvolle Neuigkeit schon längst wieder veraltet. Die am Sonntag zum Besuch von US-Außenminister Colin Powell in den Palästinensischen Autonomiegebieten verordnete "Geste" gegenüber den Menschen unter der Besatzung wurde nach 24 Stunden schon wieder zurückgenommen.

Powell reiste in die Region, um nach der Veröffentlichung der Road Map vor etwa zwei Wochen die israelische und die palästinensische Führung zu treffen. Die israelische Zeitung Haaretz analysierte zum Besuch, dass Powell "offensichtlich versäumte, die Liste der von Scharon angebotenen Gesten genauer zu studieren. Ansonsten hätte er entdeckt, dass die meisten davon (...) immer wieder ins Spiel gebracht werden."

Die israelische Regierung bereitete den Besuch Powells lange vor. Bereits Wochen vorher war von den Überlegungen zum Charakter von "vertrauensbildenden Maßnahmen" gegenüber den Palästinensern zu hören. Der US-Außenminister lobte die Israelis und verlangte, dass Mahmud Abbas nun "gegen den Terror" vorgehen sollte.

Seit der Verkündung der Road Map am 30. April (Nach langem Zögern: Die "Road Map" ist da) rückte die israelische Armee unablässig in den palästinensischen Gazastreifen ein. Dutzende Tote sind die Folge. Dies alles geschieht unter der Überschrift der "Anti-Terrormaßnahmen", da die palästinensische Führung nicht gegen den bewaffneten Gruppen vorgehe. Als sich kürzlich Uri Avnery, ein Vorkämpfer der israelischen Friedensbewegung, mit dem geschassten Jassir Arafat in Ramallah traf, verwies der palästinensische Präsident auf seine von Israel zerstörten Gefängnisse, "außer dem in Jericho". Arafat weiter: "Und wenn wir einen Straftäter dorthin überführen wollen, müssen wir zuvor das Quartett (USA, EU, Russland und Vereinte Nationen) um ein Auto bitten, um so die israelischen Kontrollen passieren zu können."

Die palästinensischen Gesprächspartner Powells zeigten sich schließlich enttäuscht von dem Treffen. Als "Zeitverschwendung" wurde es bezeichnet."Scharon schindet wieder Zeit", beschwerte sich Arafats Berater Nabil Abu Rudeineh. Die Hauptkritik findet sich in der israelischen Weigerung zur Anerkennung der Road Map.

Es war uns sehr wichtig, dass Powell Klarheit über die israelischen Verpflichtungen dazu schafft. Unfassbar ist, dass wir das Vorhaben unterstützen sollen und die andere Seite sagt nicht ein Wort dazu.

Der Parlamentssprecher Ahmad Kureia

Israel will die Road Map in einigen (teilweise bekannten) Punkten verändert wissen. Nachdem das Quartett zunächst einseitige Veränderungen ablehnte, zeigte Powell nun ein offenes Ohr. Hauptsächlich geht es um die Umsetzung der Road Map. Israel will sein militärisches Vorgehen und die Kollektivstrafen gegen die Menschen ganzer Städte erst ändern, wenn die Palästinenser den Terror einstellen. Auf diese Weise wird zugelassen, dass ein einzelner oppositioneller Palästinenser die politischen Geschicke eines der bedeutendsten Krisenherde der Erde bestimmt.

Aber da sich nun Scharon und Abbas Ende dieser Woche treffen wollen, ist Powells Mission, Israelis und Palästinenser wieder an einen Tisch zu bringen, erfüllt. Auf beiden Seiten der Barrikade zweifelt allerdings kein Kenner der hiesigen Verhältnisse daran, dass Abbas ohne die Aufhebung der israelischen Schikanen keinen Druck auf die bewaffnete Opposition aufbauen kann. Hardliner Scharon weiß das ebenfalls.

Ausländer unerwünscht

Die momentane israelische Invasionswelle im Gazastreifen wird von Maßnahmen gegen die internationalen Entwicklungshilfeorganisationen begleitet. Mitarbeiter von der UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) geben den 26. April als ersten Tag der Behinderungen an.

Zunächst waren noch stundenlange Wartezeiten üblich, wodurch kurze Arbeitsbesuche verunmöglicht wurden. Dazu kam, dass die Halter eines Touristenvisums spätestens seit dem 1. Mai überhaupt nicht mehr in den Gazastreifen reisen dürfen. Wegen der Schwierigkeit zum Erhalt eines israelischen Arbeitsvisums, hält sich der Großteil der Mitarbeiter von Hilfsorganisationen mit einem Touristenvisum im Land auf. Sie müssen alle drei Monate ausreisen und riskieren jedes Mal, nicht wieder ins Land gelassen zu werden. Aktuell sollen damit, nach offizieller Lesart, die Aktivisten der Internationalen Solidaritätsbewegung (ISM) ausgeschlossen werden. Soldaten durchsuchten ihr Büro in Beit Sahur im Westjordanland am Freitag und nahmen die Computer mit. Vier Menschen wurden verhaftet.

ISM soll ausgewiesen werden, seitdem israelische Truppen eine ISM-Aktivistin, Rachel Corrie, mit einer Planierraupe überfuhren und töteten. Ein weiterer, Tom Hurndall, ist seit einer Schussverletzung klinisch tot (Internationale Friedensaktivisten unter Feuer). Ein weiterer Aktivist wurde schwer verletzt. Was das israelische Vorhaben bedeutet, mussten am 3. Mai die Eltern von Hurndall erfahren. Sie besuchten die Stelle, an der ihrem Sohn in den Kopf geschossen wurde. Die Hurndalls fuhren in einem britischen Diplomatenfahrzeug in der Nähe der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen, als Soldaten das Feuer eröffneten.

Nun dürfen seit dem 12. Mai nur noch Diplomaten in den Gazastreifen ein- und ausreisen. Jeder muss unterschreiben, jedwede Verantwortung für Schäden, Verletzungen oder Tod nicht der israelischen Armee anzulasten. Nun beschweren sich die Vertreter verschiedener Hilfsorganisationen, deren Arbeit unter den neuen Regeln leidet. Werden sie beibehalten, müssen etliche ihre Leistungen für die Palästinenser im Gazastreifen einstellen. Auch an den etwa 200 israelischen Checkpoints innerhalb des Westjordanlandes wird nun genauer kontrolliert.

Der kleine Gazastreifen ist im Gegensatz zum Westjordanland komplett umzäunt, die Grenzanlagen werden von der Armee schwer bewacht. Die etwa 1,1 Millionen Palästinenser dürfen das Gebiet nur mit einer kaum erhältlichen Ausnahmegenehmigung verlassen. Freien Zugang haben nur die 4.000 israelischen Siedler über ihre Sonderstraßen. Wenn ein Siedler abends von der Arbeit in Israel nach Hause fährt, müssen Tausende von Palästinensern, deren Straße die des Siedlers kreuzt, stundenlang warten.

Von den Lebensbedingungen der Menschen im Streifen hört man allerdings meist nur noch, wenn eine größere Anzahl von ihnen unter besonders grausigen Umständen von der Armee getötet werden. Auch international geächtete Waffen kommen dort zum Einsatz. Hunderttausende von Palästinensern sind von Hilfslieferungen abhängig.

Peter Schäfer, Ramallah