Ausnahmen beim Schutz von Musikrechten

Eine EU-Richtlinie könnte Musikkopien im Internet für private, nicht-kommerzielle und Unterrichtszwecke legalisieren. Die Plattenindustrie tobt.

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Die EU-Staaten werden in diesem Jahr das Kopieren von Musikstücken legalisieren - allerdings nur für rein private, nicht-kommerzielle und Unterrichtszwecke.

Aus der Ratssitzung der Ständigen EU-Vertreter in Brüssel drang am Freitag heraus, die zwölf Mitgliedsstaaten hätten eine Einigung über die Richtlinie zum Schutz von Musikrechten in der Informationsgesellschaft erzielt. Die soll vor allem die Verbreitung im Netz regeln. Seit Dezember 1996 wird verhandelt. Bei der ersten Lesung im EU-Parlament freute sich die Musikindustrie noch: Urheberrechte der Autoren sollten nicht nur grundsätzlich, sondern immer geschützt sein. Im ständigen Rat scheint es jetzt wieder auf die grundsätzliche Vergütung hinauszulaufen.

Beschlossen wird der Entwurf erst bei der nächsten Sitzung des Rates, dann geht er dem Parlament zu - endgültig beschlossen kann die Richtlinie noch in diesem Jahr werden, dann aber bleiben den Mitgliedsstaaten noch 18 Monate, um sie in nationales Recht zu überführen. Hierbei ärgert sich der Verband der internationalen Phonoindustrie (IFPI) besondern über die Möglichkeiten der einzelnen Staaten, Sonderregelungen zu treffen. Überhaupt prognostiziert der Verband nun Milliardenverluste. "Schwere Konsequenzen", kündigte IFPI- Europa- Direktorin Francis Moore an. In den USA hatte der Adobe-Aufsichtsratsvorsitzende John Warnock in Sachen Urheberrecht prognostiziert: "Wir werden bald Musikstücke haben, die nur noch auf einem Walkman laufen".

Das Problem der Plattenindustrie bei der EU-Richtlinie ist, dass die Ausnahmeregelungen auch den Verkauf von Umgehungen für den Kopierschutz ermöglichen könnten. "Danach könnte ein vom Rechtsinhaber angewandter Kopierschutz praktisch sanktionslos ausgehebelt werden, beispielsweise mit dem Hinweis, die Umgehung oder das Angebot der Technologie diene nur dazu, eine gesetzlich zugelassene Vervielfältigung zu ermöglichen", bangt die IFPI in einer Erklärung. Geht es nach ihr, dürfte man wohl nicht einmal mehr eine CD für den Walkman kopieren. Vor einem Monat hatte die EU bereits eine E-Commerce- Richtlinie verabschiedet, die gar nicht im Sinne der IFPI war. Es ging dabei hauptsächlich um die Frage, ob Internet-Provider ein Filtersystem gegen illegale Musikdateien installieren müssen. Die Richtlinie bestimmt, der Kläger müsse per Gericht den Provider jede Raubkopie einzeln sperren lassen. Die Provider sind für reine Datendurchleitung nicht haftbar zu machen. Ob diese Richtlinie das URL- Blockierungssystem RPS (Right Protection System) des IFPI unmöglich macht, bleibt umstritten. Ebenso fraglich ist, wie die Musikrichtlinie am Ende aus dem Parlament und im nationalen Recht ankommt.