Axel hat einen Virus auf seiner Platte

"Schwerer Ausnahmefehler. Müde. Bitte gießen Sie mir eine Tasse Kaffee ins Gebläse."

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Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Axel einmal zum zivilisierten Teil der Erdbevölkerung gehört hat. Jedenfalls bevor "Melidangsa" seine Daten mit dem Zugfahrplan von Ruanda multipliziert hat. Seitdem atmet mein Freund unregelmäßig und klingt in seinen Äußerungen eher so, als würde er gerne drei bulgarische Viren-Programmierer quälen. Das ist aber verboten.

Erika hat Schnupfen. Schon seit Wochen. Wie ein kleiner, schlecht gelaunter Elefant tappst sie seitdem näselnd durch die Wohnung. Unsere Heimtastatur fühlt sich neuerdings etwas klebrig an und wir durchlitten vorgestern eine enorme Beziehungskrise: Papiertaschentücher haben einfach nichts im Tintenstrahldrucker zu suchen. Die ganze Cartouche war leergesogen. Erikas Nase aber nicht. Da sehe ich keinen sinnvollen Kompromiss.

Ich also aus der Wohnung in Richtung Axel geflüchtet. Männerfreundschaften. Wie Bierwerbung, nur im echten Leben. Soll der mich doch mit seinem Computer-Sermon vollquasseln. Das klingt wenigstens nicht so, als hatte man ihm die Stimmbänder durch die Nase herausgezogen und verknotet. Aber mein Freund und Teetrinker schien nicht in der Stimmung für eine heile Welt zu sein. Axels Suada war erschreckend authentisch und hatte selbst einem schlechtgelaunten Italo-Akkordschlachter aus Chicago Respekt abverlangt.

"Diese "&%)))*c%"-Viren (der genaue Wortlaut ist der Redaktion bekannt) gehören stranguliert !!!"

Schon wieder, ich entkam den Schleimschleudereien irgendwie nicht. "Man sollte diese "****"*EWE" alle der Länge nach aufschlitzen!!!" Nun weiß ich nicht, wie man die putzeligen Virenviecher der Länge nach aufschlitzt, ich bin schon damit überfordert, den Abwasch sauber hinter mich zu bringen. Wahrscheinlich meinte Axel auch eher die maschinelle Variante, denn er stand mit einer erhobenen Axt vor seiner zitternden Festplatte und war gerade dabei, sie vom Lesekopf zu trennen.

"Halt ein, mein Freund! Kein Systemstart ist das wert." Langsam ließ Henker-Axel das Strafinstrument sinken, zog sich die schwarze Kapuze vom Schädel und flennte bitterlich in sein kariertes Hemd hinein. Die Kugelschreiber in der linken Hemdtasche drohten feucht zu werden. Was war nur geschehen?

Das Schluchzen klang irgendwie so, dass er ein Mail aus Afrika erhalten habe. Gut. Schön, wenn so ein Kontinent auch mal was schickt. Ich musste an Erika denken. Elefanten...mhm.

Und dann habe er schon allein deshalb draufgeklickt, weil die Überschrift sichtlich ihm galt: "Du buana haba fifti fifti" oder so ähnlich. Dussel. Das laute Rattern nach dem Maus-Harakiri verhieß nichts Gutes. Zuerst seien sämtliche Emails ins Bulgarische übersetzt worden. Kein Problem: Das wäre mit einem Freund per Tool noch rückübersetzbar gewesen, auch wenn die Aussage "Viele Dackel steppen im Tessin. Ist das Vanille-Eis?" wahrscheinlich keine saubere Übersetzung darstellte.

Dann habe sich das Desktop auf den Kopf gestellt. Axel bleibt bei sowas locker. Einfach den Bildschirm umdrehen. Bei vier Bildschirm-Umdrehungen pro Minute wurde die Sache allerdings sichtlich unangenehm. Aber als dann eine Alarm-Meldung um die andere kam, sei er nervös geworden. Vor allem bei "Schwerer Ausnahmefehler. Müde. Bitte gießen Sie mir eine Tasse Kaffee ins Gebläse." Sofort nach dem Gebrauch diverser bulgarischer Vokabelheftchen sei Axel klar gewesen: das ist ein Virus.

Und dann habe er auch sofort gehandelt. Neustart. Axel schwört heute noch, dass deutlich "Humba" aus dem 8Watt-Lautsprecher zu hören war, bevor plötzlich ein schwarzer Pinguin mit Wulstlippen auf dem Bildschirm herumtappste und sich "OS 2000" nannte. Danach lief eine Herde Nashörner über den Startupscreen. Bulgarische Nashörner, vermutlich.

Und danach ging alles sehr schnell.

Die neu angelegte "autohumba.exe" triggerte online den Zugplan von Ruanda an, verrechnete damit die Quersumme aller "DLLs" und beendete diesen Arbeitsschritt mit der merkwürdigen englischen Anfrage: "Shall I format Your firmplate, or what?", stellte als Antwort noch "Yes" und "Absolutely" bereit. Kurz darauf scheint beim nächstgelegenen Pizzalieferdienst von Axel eine Bestellung auf "30 Nashorn-Pizzen, aber schön blutig" online eingegangen zu sein. Und vom verbleibenden Obulus, den sein Girokonto noch zeigte, wurden panzerbrechender Waffen für ein unbekanntes Dorf in Mittelafrika erstanden.

Wahrscheinlich hielt mein Freund Daktari jetzt für einen Urfeind. Ich konnte Axel mühevoll unter dem Sofa herauszerren und ihm erklären, dass die Welt nicht immer so schlecht sei. Da rief Erika, meine Freundin, an.

"Gu waisst schohhhn, daf wir ebn ein verwaiftef Nafhorn adoptiert habhhhhn!!! Und seid wahhhhnnn unterftütft Du Aufftändiffe in Neu-Suaheli? Waffn !!!!"

Meine leicht verschnupfte Lebensgefährtin wollte mir wohl gerade erklären, dass der Virus über das Adressbuch von Axel auch in unser Leben eingedrungen war. Ich rief ihr noch per Telefon zu, sie solle um Himmels Willen nicht die Tür aufmachen, wenn der Pizzabote dreimal klingelt. Zu spät. Sie jappste undeutlich am Telefon. Ich habe nur verstanden, dass irgendwie Blut unseren Wohnzimmerteppich ruiniert und sie das irgendwie nicht essen würde.

Langsam legte ich auf und kuschelte mich unter dem Sofa an Axel. So in der Stille und im Dunklen waren Männerfreundschaften wirklich eine Stütze. Nur seine Kugelschreiber in der linken Hemdentasche piekten ein wenig. Fast wie kleine Nashörner.