Baltikum befürchtet die Reaktivierung von KGB-Informanten

In Litauen sollen russische Dienste in der letzten Zeit zunehmend Anwerbeversuche gegenüber ehemaligen Mitarbeitern des sowjetischen Geheimdiensts KGB unternommen haben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Über die Rekrutierungsversuche berichtete Arturas Paulauskas, der Vorsitzende des Sicherheitsausschusses im litauischen Parlament. Sicherheitsbehörden seien in der letzten Zeit von ehemaligen Spitzeln des KGBs angelaufen worden, die von Anwerbeversuchen berichteten. Es soll sich dabei nicht um wenige Einzelfälle handeln.

Emblem des KGB. Bild: C records/gemeinfrei

Litauen gilt als der schärfste Kritiker des Kremls innerhalb der EU, in dem Land werden bereits Luftschutzübungen umgesetzt.

Nach Einschätzung von Historikern halten sich etwa 5.000 bis 6.000 Personen in der ehemaligen Sowjetrepublik auf, die bis 1990 für den KGB als informelle Mitarbeiter ihr Umfeld ausspähten. Die Regierung Litauens erließ 2000 ein Amnesiegesetz, das den Betreffenden, wenn sie sich freiwillig dazu bekennen, Straffreiheit sowie eine befristete Anonymisierung bezüglich ihrer Tätigkeit garantierte. Bei den Behörden meldeten sich 1.589 Personen. Der Anonymisierungsschutz läuft nun in diesem Jahr aus.

"Es ist Zeit, diesen Geheimniszustand nicht mehr zu verlängern und der Gesellschaft den Zugang dazu zu geben", erklärt Algirdas Butkevičius, der sozialdemokratische Ministerpräsident des Landes.

Die Veröffentlichung wird derzeit noch diskutiert. Präsidentin Dalia Grybauskaite, die sich sonst recht scharf gegen Russland ausspricht, plädierte, vor der Veröffentlichung der Namen dies auch rechtlich genau zu prüfen. Auch das erste Staatsoberhaupt des unabhängigen Litauens, Vytautas Landsbergis, gibt sich skeptisch. Denn es gibt die Angst, dass durch eine Offenlegung unbekannte Ex-Mitarbeiter um so eher durch russische Dienste erpressbar sein könnten. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft können den ehemaligen Informanten auch Gefängnisstrafen drohen.

Von den 250.000 erhaltenen Akten des KGB in der Sowjetrepublik Litauen sind allein ein Prozent Personalakten, die meisten "Quellen" sind nicht enttarnt. Seit 2012 veröffentlicht das Litauische Zentrum für Völkermord und Widerstand enttarnte Personen, diese gehören jedoch nicht zu denen, die sich freiwillig gemeldet haben.

Die Sowjetunion hatte in der Nachkriegszeit mit starkem Widerstand in den baltischen Ländern zu kämpfen, der Partisanenkampf in den Wäldern dauerte bis Mitte der 1950er Jahre. Die sowjetischen Dienste bauten sich deswegen ein dichtes Netz von Informanten auf. Angeblich belieferten in Litauen "118.000" Quellen in der Zeit zwischen dem ersten Einmarsch der Roten Armee 1940 bis zur Unabhängigkeit des Landes 1991 den KGB und seine Vorgänger-Organisation NKWD. Das Medienportel Sputnik verbreitet, dass selbst die Präsidentin Dalia Grybauskaite für den KGB gearbeitet haben soll.

Auch der lettische Inlandsgeheimdienst SAB meldet Versuche von russischer Seite ehemalige "Quellen" wieder aufzutun. Nach Angaben des Verteidigungsministers Raimonds Vejonis werde intensiv daran gearbeitet, ehemalige KGB-Mitarbeiter aufzuspüren.

Solvita Āboltiņa, Vorsitzende des parlamentarischen Sicherheitsausschusses in Lettland warnt jedoch vor Übereifer: "Menschen, die vor 20 oder 30 Jahren ein entsprechendes Dokument unterschrieben haben, aber danach loyal zum lettischen Staat waren, sollten geschützt werden." Die baltischen Länder beschweren sich derzeit, dass Russland einen "Propandakrieg" gegen sie führe, dazu gehöre auch die Berichterstattung des Auslandssenders RTR Planeta, dessen Ausstrahlung in Litauen vor kurzem erneut für drei Monate aufgehoben wurde. Es wird befürchtet, die russischen Minderheiten könnten so aufgewiegelt werden. Mit eigenen russischsprachigen Fernsehsendern wollen Lettland und Estland sich um ihre russischsprachige Minderheiten mühen, die dort etwa ein knappes Drittel der Bevölkerung ausmacht (TV im Baltikum: auf Russisch, aber nicht aus Moskau).