"Bangkok ist völlig sicher" - "Rette sich wer kann"

Eine typische Geschäftsmauer im Rohbau

Vor-Ort-Eindrücke aus Thailand

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In Thailand gibt es jedes Jahr eine Regenzeit. Anfang Oktober ist in Bangkok das Maximum erreicht, dann geht es bis Anfang Dezember auf Null runter. Das ist in Bangkok kein Problem: das Wasser verschwindet schnell in der Kanalisation. Und wenn es mal wo stockt, dann steht das Wasser für zwei oder drei Stunden 20 oder 30 Zentimeter. Das ist normal, damit hat man zu leben gelernt.

Dies Jahr hat es im Norden mehr als normal geregnet. Soviel wie seit 50 Jahren nicht mehr schreibt die Zeitung. Dann las man, dass Sukhothai unter Wasser stehe. Das ist gut 400 km in Norden. Dann war Ayutthaya überschwemmt. 70 km nördlich. Dann Nonthaburi - das ist schon die nördliche Nachbarprovinz. Und jetzt werden Leute in den nördlichen Stadtbezirken evakuiert.

Das Wasser, das im Norden ganze Provinzen mehrere Meter bedeckt hat, verschwindet nun leider nicht einfach so - und weiter nach Norden, Osten oder Westen kann es auch nicht, weil es dort bergauf geht. Bleibt also das Meer im Süden - und da liegt mitten im Weg groß und breit Bangkok.

Und damit ist endgültig auch hier die Krise ausgebrochen.

Meine Wohnung ist noch trocken - aber sie liegt auch 100 m über NN. Wasser sehe ich nur dort, wo es auch hingehört, etwa im Fluss, oder in den Schwimmbecken meiner Nachbarn.

Aber wenn ich die Zeitung lese, dann bin ich verwirrt. Dort liest man:

"Bangkok ist völlig sicher"
"Rette sich wer kann"
"Das schlimmste ist vorüber"
"Bangkok wird für mindesten einen Monat bis zu 1.5 Meter unter Wasser stehen"
"Das Zentrum Bangkoks wird wohl nicht überflutet werden"
etc.

Man sieht jetzt Mauern vor den Geschäften, Sandsackwälle, oder, als neueste Mode: Platten aus Faserzement, die vor die Schaufensterscheiben montiert werden.

Andere Geschäfte haben noch keine Vorrichtungen gegen eine etwaige Flut getroffen. Jeder nach seinem Gefühl, nach seiner eigenen Einschätzung. Den offiziellen Verlautbarungen der zentralen Katastrophenkontrollzentrale namens FROC vertraut wohl kaum jemand.

Eine besonders schöne Sandsackmauer in freundlichem Grün

Ein anderes Zeitungsthema ist die Versorgung: Wasser in Flaschen, Fertignudeln, Ziegel, Faserzementplatten etc. seien völlig ausverkauft.

Vor ein paar Tagen war ich in der Filiale einer amerikanischen Brathühnerkette (gegen meinen Willen, aber ich war die Minderheit) - und dort war 80% des Menüs mit Aufklebern versehen: "Ausverkauft wegen Flut".

Ein Zettel an einem Kettenrestaurant: "Wegen der Überflutung der Fabrik können wir nur einen eingeschränkten Service bieten." Nach ein paar Tagen dann der lapidare Zusatz: "Geschlossen"

In der Tat stehen etliche Gewerbegebiete (außerhalb Bangkoks) unter Wasser. Und besonders Ladenketten, die zentral versorgt werden, haben Probleme. Aber die kleinen Läden an der Straße sind flexibel und findig. Gestern sah ich Lastwagen, von den aus Ziegel verkauft wurden; direkt vor einer überflutenen Straße verkaufte ein Schuhgeschäft Gummistiefel. Heute morgen war ein großer Stand mit Wasserflaschen auf dem Trottoir aufgebaut.

Ich glaube nicht, dass ich mir über meine Versorgung mit Lebenswichtigem Sorgen machen muss.

Die Stadt ist schon seit ein paar Wochen etwas gedämpft - einige Läden geschlossen, bei anderen fehlt ein Teil des Personals.

Das Ende der Gasse - hinten strahlt hell der Fluss

Seit Donnerstag sind jetzt Ferien ausgerufen - erst mal für fünf Tage, dann wird man weiter sehen.

Nun fühlt sich die Stadt an wie an den Neujahren (Plural, da wir hier drei Neujahre haben: normal, chinesisch und Thai). Ausfallstraßen, Bahnen, Busse und Flugzeuge sind überfüllt - alles fährt nach Hause.

Hier kommt aus einer zum Fluss führenden Seitengasse ein Bach

Gestern machte ich einen Ausflug ins Chinesenviertel - die Zeitung hatte berichtet, dass es gut einen halben Meter unter Wasser stehe. Aber nichts zu sehen. Erst in der Nähe der Mondpier kam aus einer Seitengasse ein Bach, überflutete die Straße auf gut hundert Metern, und verschwand dann in der Kanalisation.

Ich zog meine Schuhe aus und watete durch die Fluten. Ein angenehmes Gefühl - das Wasser war gut temperiert.

Mein Ziel, die Uni, die direkt am Fluss liegt, war aber für die nächsten Tage geschlossen.

Wasser im Terminal 21

Damit man nicht glaubt, hier gebe es nur Krise und Fluten: Vor ein paar Tagen wurde ein neues Einkaufszentrum eröffnet: Terminal 21. Dort sah man auch Wasser, aber in einer durchaus gezähmten Form:

Aber auch erfrischend politisch unkorrekte Variationen der japanischen Winke-Katze Maneki Neko:

Eine Kreuzung aus der Reklamefigur einer amerikanischen Weichbrötchenboulettenkette und einer Figur, die in Deutschland vielleicht besser ungenannt bleibt. Alle Bilder: Gerriet M. Denkmann