Bankrott - mit der Maus bald noch leichter?

Online-Glücksspiel wird im US-Bundesstaat Nevada auf gesetzliche Grundlagen gestellt

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Bisher bewegten sich Anbieter von Glücksspiel übers Internet in rechtlichen Grauzonen. Das Parlament von Nevada hat nun erstmals eine Gesetzesvorlage verabschiedet, das in dem Bundesstaat den Weg für Lizensierungen von Internet-Glücksspiel an Spielcasinos freimacht. Falls der Gouverneur die Novelle unterzeichnet und mögliche rechtliche Probleme mit Bundesgesetzen oder dem Jugendschutz ausgeräumt werden, könnten Casinos im Wüstenstaat bald aus zusätzlichen Einnahmequellen schöpfen.

Nevada ist echt toll. Wer schon mal durch den Südwesten gefahren ist, weiß: mit gnadenloser Gewissheit kommt in der Ödnis bestimmt gleich wieder so ein Nest aus MäcKingDrive, Motel, Tankstelle und praktischerweise natürlich einem Spielcasino. Faszinierend. Wanderer, lass Dich nieder und bleib gleich da, weil Du nachher nichts mehr hast, um abzuhauen. Aber im Zentrum steht natürlich das aberwitzige, unvergleichliche Las Vegas, der steingewordene Alptraum schlechthin. Leider nicht die coole Stadt der Zukunft, in der und um die herum demnächst (hoffentlich! endlich!) unser Hero DUKE in "Duke Nukem Forever" Duke Nukem Forever [QT High] den Aliens Mores lehren wird. In der harten Realität ist sie (fast) bloß eine endlos lange Straße namens Strip (der größte Teil von Vegas ist ein langweiliges Provinzkaff wie jedes andere), auf der scharenweise japanische Touristen und Rentner aus Kalifornien, Montana oder Illinois nach ewiglanger Anreise scharenweise mit ihren Münzbechern in brütender Hitze zum nächsten Saal mit Einarmigen Banditen trotteln. Letztere in der Hoffnung, vielleicht ihrem ganz persönlichen Schicksal im weitmaschigen amerikanischen Sozialnetz ein bisschen aufzuhelfen und auch einmal ein richtiger Winner zu sein.

Solche Mühen und Strapazen brauchen zumindest in Nevada beheimatete Spieler in Zukunft vielleicht gar nicht mehr auf sich zu nehmen. Dann nämlich, wenn das Gesetz Wirklichkeit wird, das die Legislative von Nevada am Montag beschlossen hat. Mit großer Mehrheit wurde dafür gestimmt, im Bundesstaat die Vergabe von Lizenzen für Online-Glücksspiel an Casinos künftig offiziell zu gestatten. Seit am 18.08.1995 mit Internet Casinos, Inc. (ICI) das erste Online-Casino den Betrieb aufgenommen hatte, hatte bei den großen Spielcasinos in Vegas bisher eher Skepsis gegenüber dem Internet-Glückspiel geherrscht. Man glaubte, so unliebsame Konkurrenz aus Übersee besser fernhalten zu können. Jetzt begrüßen die Casinos den Akt der Gesetzgebung jedoch überwiegend, da sie beim boomenden Geschäft, das heutzutage weltweit mit Glücksspiel aller Art gemacht wird, ihren Schnitt machen wollen und es auch müssen. Gemäß einer Einschätzung der Investmentbank "Bear Stearns" könnte der globale Umsatz mit Online-Gambling von 1,4 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf bis zu 5 Milliarden im Jahr 2003 ansteigen.

Und es werden vermutlich auch nur die Großen in Vegas mitmischen können, da das Gesetz den Kreis der Lizenzkandidaten auf Casinos einschränkt, die in Nevada eine physische Basis haben, also bereits in der Old Casino Economy als Spielsaal existent und etabliert sind. Rein virtuelle Start-Ups werden es also schwer haben, den Fuß in die Tür zu bekommen. In anderen Branchen hatte man diese Unterscheidung allerdings so nicht getroffen, wie etwa Senator Terry Care kritisch annmerkt, der für mehr Chancengleichheit eintritt und deshalb gegen das Gesetz gestimmt hat. Nach seinen Worten hätte beispielsweise Amazon keine Chance gehabt, wenn man nur Buchhandel-Firmen mit real existierenden Läden erlaubt hätte, ihre Ware über das World Wide Web zu verkaufen.

Ein weiterer Grund für die Bevorzugung großer Casinos ist ein Ränkespiel in der Politik Nevadas. Um zu verhindern, dass Befürworter höherer Glücksspielsteuern die Debatte darauf lenkten, verbanden die treibenden Kräfte hinter der Legalisierung des Online-Glücksspiels ihr Vorhaben mit einer Gesetzesvorlage über das "Work Card System" (Arbeitsnachweis) für Casino-Angestellte. Auch Befürworter von mehr Chancengleichheit stimmten daher für das Gesetz, da sie, wie die demokratische Senatorin Dina Titus sagt, den großen Casinos eher zutrauen, den Betrieb im Sinn der Angestellten und mit der nötigen Seriösität und Wirtschaftskraft zu führen.

Erst einmal sind aber noch gewichtige rechtliche Hürden zu nehmen. Der Gouverneur von Nevada, Kenny Guinn, muss dem Gesetz mit seiner Unterschrift zustimmen. Damit darf ziemlich sicher gerechnet werden. Außerdem könnte die Legalisierung in Nevada eine Gesetzeskollision mit Bundesgesetzen der Vereinigten Staaten verursachen. Das sogenannte Wire Act-Gesetz steht nach Meinung mancher Rechtsexperten dem Betrieb von Online-Casinos fundamental entgegen. Es ist aber streitig, ob dem wirklich so ist und Änderungen von Bundesrecht überhaupt erforderlich wären. Zudem muss beim Online-Spiel auf jeden Fall eine Art Kindersicherung eingebaut werden, Minderjährige könnten ja auf die Idee kommen, ihr immer zu gering bemessenes Taschengeld mit heimlichem Zocken am Computer aufzubessern. Ein besonderes Problem stellt aber die Position Nevadas als quasi einziger Bundesstaat dar, der Glücksspiel bisher schon offiziell erlaubt. Da es in den meisten anderen Bundesstaaten folglich illegal ist, dürften Einwohner dieser Staaten auch nicht übers Web bei Casinos in Nevada zocken. Ein Problem, das angesichts eines grenzenlosen Mediums nicht einfach zu lösen sein wird. Wir hier in Deutschland brauchen uns über solche Gedanken nicht den Kopf zu zerbrechen, befinden uns da noch im Dornröschenschlaf (siehe etwa) des Gerechten, Online-Spielen ist verboten. Der Trick, den Server einfach im Ausland zu installieren, nutzt insofern nicht sehr viel.

Möglicherweise wird sich das aber bald ändern. Die unklare Rechtslage in Europa schreit nach einer baldigen Klärung. Es ist beispielsweise legal, bei Anbietern wie tipp24.de oder jaxx.de übers Netz Lotto zu spielen. Das geht, weil die Unternehmen kein eigenes Glücksspiel anbieten sondern nur die Dienste des deutschen Lotto- und Totoblocks vermitteln. Auf bet11.com könnte man auch als Deutscher z.B. darauf wetten, dass Guido Westerwelle 18 Jahre Parteivorsitzender bleibt, da die Betreiberfirma Buchmacher-Lizenzen vom österreichischen Staat hat. Die Spielbank Hamburg wird zwar vermutlich bald im Netz vertreten sein, allerdings nur über eine Webcam. Das reale Spiel findet vorerst weiterhin nur am grünen Tisch statt. Wie lange noch?

Allerdings kann der solvente Bundesbürger ja zum Glück immer, wenn es ihm zu gut geht, ins nächste Casino fahren (fürs Benzin langts schon noch, zumindest Hinfahrt), das ein privater Inhaber oder die jeweilige Landesregierung als Betreiber in nicht allzuweiter Ferne hat werden lassen. Glücksspiel ist in der föderalen Bundesrepublik schließlich Ländersache und für das jeweilige Bundesland auch ein sehr gutes Geschäft. Da sind wir eindeutig cleverer als der amerikanische Staat, der außerdem in Florida letzten November eine ziemlich unwürdige Glücksspiel-Show mit Überlänge veranstaltet hat. Und wo es im Endeffekt doch nichts außer Nieten zu gewinnen gab. Wählen übers Internet ist in den USA ja auch schon seit mehreren Jahren erlaubt, könnte man das in Nevada nicht als Präzedenzfall nehmen?