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"Avatar - The Game": Im Begleitprodukt zum Blockbuster darf der Spieler sich auf die Seite der noblen Wilden schlagen

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Hat einer wie er überhaupt noch Angst? Einer, der hunderte Millionen Dollar in Projekte investiert, die zum Scheitern verurteilt scheinen? Der alles nur noch größer und teurer macht, wenn Hollywood ihn zum Sparen zwingt will? "Lassen Sie mich eins hier mal klarstellen", sagte James Cameron unlängst in einem SZ-Gespräch, "auch wenn es ein bisschen geisteskrank klingt: Ich habe vor gar nichts Angst."

Der wirtschaftliche Wagemut des Regisseurs mag tatsächlich seinesgleichen suchen - und auch sein Erfolg: 1,8 Milliarden US-Dollar spielte "Titanic" seit 1997 ein. Camerons neuer Blockbuster "Avatar" dürfte mit seiner optischen Pracht einen ähnlichen Weg vor sich haben. Fehlt eigentlich nur noch, dass auch "Avatar - The Game" ein Kassenerfolg wird, Ubisofts Spiel zum Film. Doch zumindest einer scheint da gewisse Zweifel zu hegen.

Wie sonst ließe sich erklären, dass der ach so furchtlose Herr Cameron auf der diesjährigen E3 vor tausenden von Zuschauern bekannte, er habe beim Anspielen der 3D-Version von "Avatar" Angst gehabt? Und zwar vor einem Hammerhead, der pandorianischen Kreuzung aus Elefant und Hammerhai? Einfach lächerlich, wenn man bedenkt, dass Cameron mit seinen "Alien"-Monstern sämtliche Horror-Shooter von "Doom" bis "Dead Space" maßgeblich beeinflusst hat.

Wir möchten Herrn Cameron natürlich keineswegs unterstellen, die Angst vor dem putzigen Hammerhead sei nur eine verdrängte Angst vor dem Misserfolg des Spiels gewesen. Zwar hat der Regisseur diesbezüglich durchaus einen gewissen Ehrgeiz an den Tag gelegt. Auf der E3 sagte er nämlich, dass einige Film-Adaptionen der Videospielgeschichte "ziemlich zum Kotzen" gewesen seien und dass er hoffe, mit "Avatar" das Lizenzspiel-Wesen zu "revolutionieren". Aber ganz so ernst hat er es dann offenbar doch nicht gemeint haben mit seinem Versprechen - sonst hätte er die strahlend blaue Makellosigkeit seiner Pandora-Mär nicht so hermetisch gegen den möglichen Makel einer doch nur mittelmäßigen Lizenzspiels abgeschirmt.

Rigoros ließ er verfügen, Ubisoft möge die Game-Story völlig unabhängig vom Film gestalten, auf dass es keine Spoiler gebe. Ubisoft hielt sich daran - mit der unschönen Nebenwirkung, dass die Handlung des Spiels ähnlich isoliert in der Luft hängt wie einer der schwebenden Felsbrocken in den Hallelujah Mountains. Als Spieler erfährt man kaum etwas über die Hintergründe des Konflikts: die Ausbeutung des Mondes Pandora durch die Menschen und den Widerstandskampf der naturverbundenen Alien-Spezies Na'vi. Das ist ein bisschen tragisch, weil das Spiel schon vor dem Filmstart auf den Markt geworfen wurde.

Dabei hat die Grundkonstellation von "Avatar - The Game" durchaus Potenzial. Frisch auf Pandora gelandet, übernimmt man als Signalexperte Ryder - das Geschlecht kann vorab bestimmt werden - zunächst einige kleinere Wartungs- und Verteidigungsaufgaben. Schon bald aber gilt es, einen Spion ausfindig zu machen, der mit den Einheimischen unter einer Decke steckt. Dafür schlüpft Ryder selbst in die blaue Haut eines Avatar, einer Kreuzung aus menschlichen und Na'vi-Genen. Es folgt eine Schlüsselszene, in der sich der Spieler entscheiden muss, ob er den Spion verhaftet - oder sich der guten Sache anschließt und gemeinsam mit den Na'vi gegen die Invasoren kämpft. Diese an sich moralische Entscheidung kommt erstaunlich unspektakulär daher - und hat auch kaum Auswirkungen auf das nachfolgende Gameplay.

Der größte Unterschied zwischen Mensch und Na'vi liegt nicht etwa in der Geisteshaltung, sondern in der Kriegstechnologie: Die Erdlinge kämpfen mit Sturmgewehren, steuern Jeeps und Kampfhubschrauber; die Mondbewohner halten mit Pfeilen, Kampfstäben, sechsbeinigen Reittieren und Flugdrachen dagegen. Beide Kriegsparteien verfügen über eine Reihe zusätzlicher Fähigkeiten, die sie über das fleißige Sammeln von Erfahrungspunkten freischalten können. Besonders motivierend ist dieses Talentsystem aber nicht, denn zum einen erweisen sich die Missionen als reichlich dröge ("Sammle fünf Genproben", "Hilf' xy gegen die Natterwölfe"), zum anderen ist der Schwierigkeitsgrad in "Avatar" so niedrig, dass die Boni keine nennenswerten Vorteile bringen. Von der Naturverbundenheit der Na'vi, die dem cameron'schen Opus seine kraftvolle Botschaft geben, bleiben im Spiel nur traurige Fragmente: Etwa die Möglichkeit, sich über eine Baumberührung an einen anderen Ort zu teleportieren.

Die offensichtliche Mittelmäßigkeit von "Avatar - The Game" ist um so enttäuschender, als Ubisoft gut drei Jahre Entwicklungszeit zur Verfügung standen - und damit sehr viel mehr, als in der Branche gemeinhin üblich. Unbestreitbar punkten kann das Spiel nur bei der Grafik und beim Level-Design: Im dichten Dschungel, am Fuße tiefer Schluchten oder auf den höchsten Berggipfeln fühlt sich der Spieler tatsächlich als Entdecker einer neuen Welt. Die bizarre, oft feindselige Fauna und die schillernd bunten Pflanzen lassen etwas von der Faszination des Films erahnen. Doch selbst diese grandios entworfene Spielwelt wird durch das mangelhafte Missionsdesign zu einer öde, linearen Angelegenheit. Daran ändert auch die 3D-Version des Spiels wenig, die Ubisoft den stolzen Besitzern entsprechender Ausrüstung zur Verfügung stellt. Da kann auch Herr Cameron so viel Angst vor Hammerheads haben, wie er will.