Beat the market - aber wie?

Der kluge Lebensratgeber eines Finanzinvestors

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Finanzinvestoren und Verwalter von Pensionskassen und großer Privatvermögen sind nicht zu beneiden. Sie müssen aufgrund von Informationen, die nicht nur allen Konkurrenten, sondern auch ihren Kunden zugänglich sind, Entscheidungen treffen, die vielleicht nicht klüger, aber erfolgloser und erfolgreicher sind als die der anderen. Es gibt deshalb nur ein Ziel der Finanzinvestoren: Schlag' den Markt! Dass dies immer einigen gelingt, ist die Quelle der Börsenbriefe und der Erfolgsbibeln, aber oft auch der Anklageschriften vor Gerichten.

Howard Marks, der Chairman des US-Vermögensverwalters Oaktree, hat nun auf Deutsch seine Weisheiten über das Investieren in einem Buch veröffentlicht, das überaus bemerkens- und lesenswert ist. Anders als Warren Buffett, dessen Buffetology im Wesentlichen aus der bodenständig-hemdsärmligen Einschätzung besteht, die Amerikaner müssten essen, sich versichern und transportieren, überrascht Marks mit avancierten psychoanalytischen und existenzphilosophischen Betrachtungen. Kostprobe: "Am Investieren finde ich am Interessantesten, wie paradox es ist: wie oft gerade die Dinge, die am klarsten aussehen - über die sich alle einig sind -, als falsch herausstellen."

Wer einmal die Erfolgsbibeln von Napoleon Hill und Dale Carnegie durchgeblättert hat, dem wird auffallen, dass sie oft einfache Beispiele aufführen. Dies ist eine der Stärken des angelsächsischen common sense, aus dem auch Marks seine Weisheit destilliert. Beispiel Tennis: Wenn zwei schlechte Spieler gegeneinander Tennis spielen, dann gewinnt der, der am wenigsten Fehler macht. Asse muss man erst schlagen und parieren können, wenn man gegen starke Gegner spielt. Derartige Betrachtungen auf die Finanzwelt zu übertragen, ist verführerisch. Howard Marks entwickelt dabei einen Investorenstil, der als "Value Investing" auch auf dem Kontinent, etwa in der Schweiz und Österreich, verbreitet ist. Er zeichnet sich durch viel Geduld, geringe Depotbewegungen und eine konservative Selektion der Assets aus. Der Value-Syle soll das Depot vor den Katastrophen der Hypes schützen und wird seit 2008 auch gerne als reines Vermögenserhaltungsprogramm verkauft. Dies schützt zumindest den Analysten davor, von seinen Kunden verpasste Chancen und zu teuer bezahlte Einstiege vorgehalten zu bekommen.

Ein weitaus schwierigerer Weg, den Index, den Markt zu schlagen, besteht laut Marks darin, die "inneren Werte" eines Unternehmens zu identifizieren. Falls sich diese nicht bereits im Preis der Aktie niederschlagen, gilt das Unternehmen als unterbewertet: Jetzt lohnt der Einstieg. Es gibt viele Investoren, die folgen nur noch Buffett und Marks, was wiederum deren Investments fast automatisch erfolgreich macht. Sie werden zu Lead-Investoren, die die unsichere und unwissende Crowd mitziehen.

Marks erwähnt, dass er einige Semester Japanologie studiert hat und sich dort mit der Mujo-Kultur beschäftigte. Mujo ist eine existentialistisch-fatalistische Sicht auf die Welt. Dinge kommen. Dinge gehen. Mujo ist Instabilität und Unterbrechung. Marks: "Das Vergangene ist vergangen und kann nicht mehr verändert werden." Derartig banal-tautologische Erkenntnisse sind in der Finanzwelt durchaus nützlich, wo sich ja alles, wirklich alles auf die Erwartung der Zukunft richtet.

Eine Paradoxie des Anlageverhaltens der größten Investoren besteht dann darin, einerseits noch immer als sicher geltende Staatsanleihen zu zeichnen, für die man - anders als für Kredite - kein Eigenkapital nachweisen muss, andererseits aber renditestarke Aktien, notleidende Kredite und Unternehmensanleihen beizumischen, die noch immer dem alten Traum der Rendite über der Wachstumsrate und der Inflation folgen.

Oaktree ist auch in Deutschland mit einem sehr erfolgreichen Geschäftsmodell auf dem Markt: Der Erwerb notleidender Kredite (distressed debt) bringt Oaktree nach eigenen Angaben bereits seit Jahren eine Nettorendite von 18% pro Jahr, wie Howard Marks in seinem jüngsten Memo selbst berichtet.

Dieser Gewinn entsteht aber nicht aus Zinswucher, sondern aus der Differenz der Einschätzung der bisherigen Kreditgeber und dem Team von Oaktree.

Die Grenze zur asymmetrischen Information, der bisher sichersten Quelle für überdurchschnittliche Rendite, lässt sich dabei durchaus ziehen, denn schließlich ist es ja nicht der Käufer, der dem Verkäufer die inneren Werte verschweigt, sondern der Verkäufer kennt diese Werte nicht. Ein Großteil der Aktien-, Immobilien- und Kreditverkäufer ähnelt damit einer Oma auf dem Lande, die 1975 ihren Barockschrank für 400 Mark verkaufte, um eine "schöne, neue Schrankwand" zu erstehen, die heute Entsorgungskosten von 80 Euro verursacht.

Wenn man solche eigenen Beispiele hinzufügt, wird das Buch von Howard Marks ein inspirierender Lebensratgeber.

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