Bedrohter Finnischer Urwald in Post-Briefumschlägen

Greenpeace machte mit einer Aktion auf den Raubbau im Norden Europas aufmerksam

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Als vor wenigen Tagen Greenpeace-Aktivisten in mehr als 20 deutschen Städten Postfilialen aufsuchten, um gegen die Zerstörung finnischer Urwälder zu protestieren, hielt sich die Begeisterung der Konzernangestellten vielerorts in Grenzen. Hier und da wurden die Unruhestifter, die es darauf abgesehen hatten, Briefumschläge der Eigenmarke "Deutsche Post" mit dem Aufkleber "Finger weg! - Urwaldzerstörung" zu verunzieren, sogar kurzerhand vor die Tür gesetzt.

Von offizieller Seite gibt man sich mittlerweile allerdings sehr viel diplomatischer und überraschend gesprächsbereit. Uwe Reher, Pressesprecher der Deutschen Post in Hamburg, legt gegenüber Telepolis Wert auf die Feststellung, "dass wir als Großunternehmen unsere Verantwortung für eine gesunde Umwelt natürlich ernst nehmen. Insofern haben wir durchaus Verständnis für das Anliegen von Greenpeace, auch wenn die konkrete Aktion in unseren Augen unnötig war, weil sie auf dem Rücken unserer Kunden ausgetragen wurde." Außerdem befinde man sich derzeit in einem "erfolgversprechenden Dialog", der bis zum November 2003 eine - ökologische Interessen ausreichend berücksichtigende - Problemlösung herbeiführen soll.

Der Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung ist unerfreulich genug, denn die Erhaltung der finnischen Urwälder gehört letztlich nicht zu den vordringlichen Greenpeace-Aufgaben, sondern zu denen der finnischen Regierung, die 1992 die UN-Konvention über die Biologische Vielfalt unterzeichnet hat. Und allzu viel kann sie bei der Erfüllung derselben ohnehin nicht mehr tun, da der gigantische Waldbestand des skandinavischen Landes auf 5% seiner ursprünglichen Größe zusammengeschmolzen ist. Trotzdem stehen nach Greenpeace-Informationen nur 4,1% der finnischen Wälder unter besonderem Schutz, in Südfinnland ist es sogar nur 1%, während 10% nötig wären, um das Ökosystem wenigstens in seiner jetzigen Form zu erhalten. Kein Wunder also, dass mittlerweile schon 564 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen.

Die größte Gefahr droht ihnen durch eine ungezügelte Abholzung, die von dem staatseigenen Forstbetrieb Metsähallitus organisiert wird. In diesem arbeiten aller Wahrscheinlichkeit nach exakt so wenige ökologische Bedenkenträger wie in den Unternehmen der drei wichtigsten Papier- und Holzproduzenten Stora Enso, UPM-Kymmene und M-Real, die ihre Produkte so zumindest anteilig aus den traurigen Überbleibseln der Urwaldzerstörung herstellen.

Um diese Entwicklung zu stoppen, will Greenpeace vor allem Deutschland in die Pflicht nehmen. Schließlich sei der deutsche Markt mit über 5.000 Zeitschriften und Magazinen und einem Anteil von 41 Prozent der Zellstoffexporte und 20 Prozent der Papierexporte Finnlands der wichtigste weltweit. Das Papier aus dem hohen Norden werde nicht nur von Zeitschriften-Verlagen wie Gruner + Jahr, Axel Springer, Bauer, Burda oder Bertelsmann, Papiergroßhändlern wie Papier Union, Schneider + Söhne und Deutsche Papier oder auf Verpackungsmaterial angewiesenen Großunternehmen wie Hewlett Packard gekauft, sondern eben auch von Herlitz, einem der größten deutschen Produzenten simpler Briefumschläge, der seinerseits die Deutsche Post beliefert.

Genau hier setzt der Greenpeace-Protest an, den Waldexperte Oliver Salge wie folgt zusammenfasst: "Wer diese Postumschläge verschickt, verschickt die letzten Urwälder Finnlands gleich mit. Wir fordern, dass die Deutsche Post den Verkauf der Briefumschläge einstellt, solange dafür finnische Urwälder zerstört werden. Sie kann problemlos zu Umschlägen aus Recyclingpapier wechseln."

Auf der anderen Seite sieht man das offenbar ähnlich. Uwe Reher weist darauf hin, dass derzeit bereits Gespräche zwischen Herlitz und Stora Enso laufen, die sicherstellen sollen, dass der finnische Papierfabrikant Herlitz keine Produkte mehr verkauft, in denen Urwaldhölzer verarbeitet werden. Das klingt akzeptabel, aber lässt sich die Vereinbarung, wenn sie denn zustande kommt, auch nachprüfen? "Da liegt natürlich eine grundlegende Schwierigkeit," sagt Reher, "uns bleibt letztendlich nichts anderes übrig, als uns auf die Zusagen unserer Vertragspartner zu verlassen."

Das ist wohl wahr, klingt allerdings schon nicht mehr ganz so ermutigend. Außerdem kann wohl nicht ausgeschlossen werden, dass sich die finnische Holzindustrie ganz einfach andere Urwaldabnehmer sucht - allein in Deutschland gibt es schließlich genügend Alternativen.

Aber immerhin kann den ganz Optimistischen niemand die Hoffnung auf das nächste zeitgeistgerechte, vermutlich wieder kommissionsbildende Gipfeltreffen nehmen. Vom 28. bis 30. April treffen sich die europäischen Forstminister in Wien zur "Konferenz für den Schutz der Wälder in Europa". Über einen Mangel an Arbeit sollten sie sich nicht beklagen dürfen ...