Belastung von Eigenverbrauchern und Bahnreisenden

Die Energie- und Klimawochenschau: Temperaturrekorde, EEG-Reform und Kritik

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Die Leser sollen diese Woche nur kurz mit neuen Temperaturrekorden gelangweilt werden, nämlich dem heißesten Pfingsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland mit 35,6 Grad Celsius in Waghäusel (Baden-Württemberg) am Sonntag und 36,7 Grad in Kitzingen (Bayern) am Montag. Der 9. Juni 2014 war der bislang heißeste Tag dieses Jahres. Ansonsten soll es um die EEG-Reform gehen, die zur Zeit den parlamentarischen Prozess durchläuft.

Die Sonne am 10.6.2014. Bild: SDO/Nasa

Mitte vergangener Woche ist ein Brief von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel an die Fraktionsspitzen von CDU und SPD bekannt geworden, in dem der Minister ankündigt, die Industrie stärker zu belasten. Demnach sollen nun auch Industrieunternehmen 50 Prozent der EEG-Umlage auf ihren Eigenstromverbrauch zahlen statt wie bisher 15 Prozent. Die Industrie unterläge damit den gleichen Bedingungen wie Handel und Gewerbe. Auch die Kohleerzeuger sollen ihre Privilegien verlieren. Für den Strom, der zur Gewinnung fossiler Energien, beispielsweise beim Kohleabbau, eingesetzt wird, soll nun die EEG-Umlage fällig werden.

Steigende Bahnpreise aufgrund der EEG-Umlage

Die Belastungen von Unternehmen könnten allerdings in einigen Fällen direkt an die Verbraucher weitergereicht werden. Die Verbraucherzentrale Bundesverband warnte bei einer Anhörung des Wirtschafts- und Energieausschusses vor steigenden Preisen im öffentlichen Personennahverkehr. Die Umlage für Schienenbahnen soll von derzeit 11 auf 20 Prozent erhöht werden. Auf die Berliner Verkehrsbetriebe kämen laut Verbraucherschützer Holger Krawinkel eine Mehrbelastung von 2,5 Millionen Euro zu, umgelegt auf die Fahrpreise wäre dies eine Erhöhung um 10 Cent pro Ticket.

Die Bundesländer befürchten nach dem Bericht des "Parlament" eine Einschränkung des Angebots im Schienennahverkehr. Die erhöhten Stromkosten für Bahnen würden letztendlich die Länderhaushalte belasten. An die Schuldenbremse gebunden, könnten sich die Länder gezwungen sehen, die Angebote im Schienennahverkehr einzuschränken. Steigende Fahrpreise wie auch ein eingeschränktes Angebot würden das Bahnfahren wiederum unattraktiver machen und sich mehr Menschen für die Fahrt mit dem eigenen Pkw entscheiden – ein Bärendienst für die Energiewende.

Auch Mieter sollen die volle EEG-Umlage zahlen, selbst wenn auf ihrem Haus eine Photovoltaik-Anlage installiert ist und der Strom daraus bezogen wird. Sie sind zwar Direktverbraucher, aber eben keine Eigenverbraucher, und demnach verpflichtet, die volle Umlage von derzeit 6,24 Cent pro kWh zu entrichten. Auch hier wird keinerlei Anreiz mehr geschaffen, dass sich Mieter für den Einsatz erneuerbarer Energien in ihrem Haus stark machen.

Direktvermarktung und Ausschreibungen in der Kritik

Kritik an den EEG-Reformplänen kommt nicht zuletzt von der Bundesregierung, zumindest von Gutachtern, die von der Bundesregierung beauftragt wurden. Unter der Leitung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) erstellten die Wissenschaftler von vier Instituten im Auftrag des Bundesumweltministeriums einen Zwischenbericht zur "Stromerzeugung aus solarer Strahlungsenergie". Aus der Analyse der Entwicklung bis Ende 2013 leiten die Wissenschaftler Handlungsempfehlungen für die zukünftige Gestaltung des EEG ab.

Der von der Bundesregierung anvisierte Deckel von 52 Gigawatt installierter PV-Leistung könnte zwischen 2018 und 2020 erreicht werden, es gibt aber auch Bedenken: "Der Stopp des Preisverfalls (von Solarmodulen) mit zuletzt sogar leicht steigenden Preisen könnte ab 2014 dazu führen, dass der politisch gewollte Zubaukorridor deutlich unterschritten und damit die Zielerreichung 2020 gefährdet wird."

Der Zubau von Freiflächenanlagen ist im vergangenen Jahr stark zurückgegangen. Nach Ansicht der Studienautoren sollte dieses Segment aber erhalten bleiben, um weiter von den günstigen Stromgestehungskosten der Großanlagen zu profitieren. Sie schlagen daher vor, für diese schon zeitnah ein ausschreibungsbasiertes Fördermodell zu entwickeln.

Von einer Belastung des Eigenverbrauchs raten die Wissenschaftler dringend ab: "Die weiterhin stark sinkenden Vergütungssätze erfordern den Eigenverbrauch zum wirtschaftlichen Anlagenbetrieb. Bei den über den atmenden Deckel vorgegebenen Vergütungssätzen besteht aus heutiger Sicht ohne gleichzeitig höhere Vergütungen kein Raum für Abgaben auf den Eigenverbrauch, ohne den PV-Zubau damit stark zu bremsen."

Auch die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) unterlegt ihre Kritik an den Plänen der Bundesregierung mit einer Metastudie. "Ob sich die in der Wirtschaftstheorie als effizient geltenden Maßnahmen letztlich kostensenkend auf die Endkundenstrompreise auswirken werden, ist höchst ungewiss", fasst Philipp Vohrer, Geschäftsführer der AEE, das Ergebnis der Analyse zusammen. "Der Gesetzgeber sollte vor dem Hintergrund der deutschen Klima- und Ausbauziele besonders die Investitionssicherheit für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien im Blick behalten. Nur so werden die Investitionskosten überschaubar bleiben."

Zu den Effizienzmaßnahmen zählen die verpflichtende Direktvermarktung und die Einführung von Ausschreibungen. Die 16 ausgewerteten Studien kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen. So könnten etwa Risikoaufschläge auf Transaktions- und Vermarktungskosten dazu führen, dass insgesamt keine günstigeren Strompreise erzielt würden. Als Resultat von Ausschreibungen befürchten einige Studienautoren, dass sich Anlagen künftig in den Händen weniger Betreiber konzentrieren könnten und damit letztlich wieder der Wettbewerb und die Kosteneffizienz beschränkt würden.

Am bestehenden EEG bemängelten die untersuchten Studien einheitlich die fehlende Marktintegration der erneuerbaren Energien sowie zu hohe Kosten.

Einen Refinanzierungsmechanismus, wie ihn derzeit die Einspeisevergütung darstellt, halten die meisten Autoren auch künftig für notwendig, da die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber fossilen und bereits abgeschriebenen Kraftwerken nach wie vor nicht gegeben ist. Die Vorschläge für eine künftige Finanzierung gehen dabei aber weit auseinander. Einer davon, die Direktvermarktung, wird sich auf die Akteursstruktur am Strommarkt auswirken: "Vor allem kleine Privatinvestoren sind nicht bereit oder in der Lage, hohe Risiken zu tragen. Für sie ist der Aufwand, sich um eine optimale Vermarktung ihres Stroms zu kümmern und gegebenenfalls noch an Ausschreibungen zu beteiligen, zu hoch, vor allem bei der schlecht steuerbaren Wind- und Solarenergie. An diesem Punkt entzündet sich die wesentliche Kritik an der geplanten obligatorischen Direktvermarktung", schreibt die AEE.

Die Belastung der Stromkunden liegt unter anderem auch an einer eher paradoxen Entwicklung: Immer öfter werden an der Strombörse aufgrund des Überangebots negative Strompreise erzielt. Dies belastet allerdings die Endkunden, weil die negativen Preise über die EEG-Umlage ausgeglichen werden müssen. Laut einer Studie im Auftrag von Agora Energiewende sind an dem Überangebot aber nicht die Erzeuger erneuerbarer Energien schuld, da diese selbst zu Spitzenzeiten nie mehr als 65 Prozent des Stroms produziert haben. Die Überschüsse seien vor allem entstanden, weil der konventionelle Kraftwerkspark nicht flexibel reagiert habe.

Zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 lag der Strompreis in insgesamt 97 Stunden im negativen Bereich, mit durchschnittlich minus 41 Euro pro Megawattstunde. "Wenn auch weiterhin etwa 20–25 GW konventionelle Kraftwerke rund um die Uhr Strom produzieren, wird die Zahl negativer Strompreise von 64 Stunden im Jahr 2013 auf über 1.000 Stunden bis 2022 steigen", warnen die Studienautoren von Energy Brainpool und plädieren für eine Flexibilisierung des Stromerzeugungssystems, was natürlich auch Investitionen in die Technik erfordert. Negative Strompreise könnten hierfür einen Anreiz schaffen.

Was fehlt?

Beim Nachlesen der zitierten Studien bitte beachten: Cloud-Computing belastet die Umwelt und ist zu einem wesentlichen Faktor des weltweiten Stromverbrauchs geworden. Mit rund 700 Milliarden Kilowattstunden sollen Rechenzentren weltweit inzwischen mehr Strom verbrauchen als die gesamte Bundesrepublik.

Wissenschaftler der Universität Ulm arbeiten nun in einem von der EU geförderten Forschungsprojekt daran, die Effizienz beim Cloud-Computing zu steigern.

Die Energie- und Klimawochenschau vernachlässigt in dieser Woche genauso wie die Bundesregierung die Energieeffizienzrichtlinie und lässt des weiteren die Forderung von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, mindestens 900 Millionen Emissionszertifikate nicht nur vorübergehend, sondern ganz aus dem Verkehr zu ziehen, einfach mal im Raum stehen, so wie es wahrscheinlich auch die EU tun wird.