Belgische Napster-User dürfen aufatmen

Angebliche Hausdurchsuchungen bei Napster-Usern entpuppen sich als schlechter PR-Gag

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Ende letzter Woche machten angebliche Hausdurchsuchungen gegen belgische Napster-Nutzer Schlagzeilen. Doch dahinter steckte nicht viel mehr als eine PR-Aktion der belgischen IFPI - die jetzt nach hinten losgeht.

Manch einem wird der Schreck durch die Glieder gefahren sein, als er letzten Freitag die überraschende Nachricht hörte: Polizei-Razzien bei belgischen Napster-Usern (heise newsticker-link). In Agenturmeldungen wurde spektakulär, aber höchst widersprüchlich von verschiedenen Durchsuchungen in den letzten drei Monaten gesprochen. Einige berichteten sogar von 100 derartigen Heimsuchungen durch die Ordnungsmacht.

Dazu erklärte Marcel Heymans als Direktor der belgischen IFPI, man habe die Polizei auf diese User aufmerksam gemacht, weil sie trotz Warnungen nicht von ihrem schändlichen Tun hätten lassen wollen. Heymans verkündete außerdem, dass die IFPI die technischen Möglichkeiten besitze, Tausende von Napster-Usern ausfindig zu machen. Zitiert wurde in diesem Zusammenhang auch Olivier Bogaert von der Abteilung Computerkriminalität (CCU) der belgischen Polizei. Er sprach von insgesamt drei Durchsuchungen Ende Dezember und im Januar. Diese seien Teil der Ermittlungen um die Site MP3blast.com gewesen.

Belgischer Justizminister gibt Entwarnung

Ja was denn nun, mag sich nun der ein oder andere fragen. Ging es um eine Website oder um Napster? Waren die Beschuldigten Webmaster, Filesharing-Freunde oder einfach MP3s sammelnde Surfer? Waren es 100, oder doch nur drei? Auch wenn noch nicht all diese Fragen restlos geklärt sind, kann mittlerweile Entwarnung gegeben werden. Der belgische Justizminister Marc Verwlighen hat erklärt, er sehe keine rechtliche Grundlage zur Verfolgung der Napster-User. Verwlighten widersprach auch der Darstellung, es gebe zwischen den Ermittlungsbehörden und der IFPI eine Übereinkunft zur Verfolgung von Musikpiraterie.

Letztlich entpuppt sich die Meldung als eine interessante kleine Lektion in Sachen schlechter PR. Durch die aktuelle Entscheidung des Berufungsgerichts hatte Napster letzte Woche abermals die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Netznutzer. Die Medien berichteten intensiv, Filesharing war in aller Munde. Offenbar wollte die belgische IFPI von dieser Welle der Aufmerksamkeit profitieren. Öffentlichkeitswirksam holte man zum Angriff gegen die Napster-Gemeinde aus, sprach von User-Tracking und Hausdurchsuchungen. Dass diese schon ein paar Wochen zurücklagen, tat dabei nichts zur Sache. Immerhin hatte man mit Bogaert einen mächtigen Kronzeugen. Allein das Erwähnen seiner CCU rückte Napster automatisch in das zwielichtige Umfeld von Hackern, Neonazis und Kinderschändern.

IFPI in öffentlicher Kritik

Dazu erklärte Heymans, man überwache Napster und ähnliche Netzwerk seit dem 22. Mai 2000. 12.000 Napster-User habe man mittlerweile verwarnt. Dumm nur, dass ein so weit angelegtes User-Tracking durch die IFPI nicht jedem schmeckt. Justiziminister Verwlighten erklärte bereits, er wolle die Überwachung des Datenverkehrs durch die IFPI auf legale Aspekte hin untersuchen. Möglicherweise werde dadurch die Privatsphäre der User verletzt.

Damit geht die kleine PR-Aktion der belgischen IFPI offenbar nach hinten los. Statt öffentlichkeitswirksam ein paar Napster-Kids an den Pranger zu stellen, findet man sich selbst plötzlich im Rampenlicht wieder und steht unter Rechtfertigungszwang. Man sollte sich nicht wundern, wenn die Zahl der belgischen Napster-User durch die IFPI-Aktion noch einmal erheblich anwächst. Immerhin haben sie es jetzt schriftlich, dass man ihnen für ihr Tun nicht zu Leibe rücken will.

Unbekannt ist bisher noch, was es mit den immer wieder zitierten drei Durchsuchungen im Dezember und Januar auf sich hat. Offenbar haben diese tatsächlich stattgefunden, die Ermittlungsgrundlage ist jedoch unklar. Nachrichtenagenturen nannten in diesem Zusammenhang immer wieder die Site MP3blast.com. Alex Grzesik (www.mp3charts.com) weiß als Besitzer der Domain jedoch nichts von solchen Ermittlungen und hält das Ganze für eine Verwechslung. Die Domain sei nur geparkt, erklärte er gegenüber Telepolis. Inhalte seien dort nie verfügbar gewesen.