Berlin: Innensenator Geisel wegen Koppers-Affäre unter Druck

Margarete Koppers. Foto: Polizei Berlin. Lizenz: CC BY 4.0

Wer war dafür verantwortlich, dass die umstrittene Polizeipräsidentin trotz eines gegen sie laufenden Ermittlungsverfahrens zur Chefin der Staatsanwälte befördert wurde?

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Heute liegt dem Berliner Senat ein Antrag des grünen Justizsenators Dirk Behrendt vor, die ihm politisch nahestehende Generalstaatsanwältin Margarete Koppers dauerhaft zu verbeamten. Sollte das wider Erwarten doch nicht geschehen, liegt das an einer Affäre, die letzte Woche möglicherweise ihr zwölftes Todesopfer forderte: einen ehemaligen Schießtrainer der Berliner Polizei, der an seinem Arbeitsplatz sehr lange sehr giftigen Dämpfen ausgesetzt war, weil sein Dienstherr eine defekte Entlüftungsanlage jahrelang nicht reparieren ließ.

Außer den zwölf bereits verstorbenen Polizisten haben sich noch etwa 800 weitere gemeldet, die den Dämpfen länger ausgesetzt waren und an verdächtigen Symptomen leiden. Koppers, die von 2010 bis 2018 Berliner Polizeipräsidentin war, wurde vorgeworfen, bereits kurz nach ihrem Dienstantritt von der defekten Lüftungsanlage erfahren, aber erst nach dem öffentlichen Bekanntwerden 2015 gehandelt zu haben (was sie bestreitet).

CDU: "Mehr als ein Gschmäckle"

Im April 2017 leitete die Staatsanwaltschaft deshalb Ermittlungen gegen sie ein. Laufen solche Ermittlungen wegen einer "innerdienstlichen Straftat", wird "grundsätzlich" immer auch ein Disziplinarverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet. Das ruht zwar bis zum Ende der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, führt aber auch während dieser Ruhezeit zu einer temporären Beförderungssperre.

Koppers wurde allerdings befördert, während die Staatsanwaltschaft gegen sie ermittelte: von der Polizeipräsidentin zur Generalstaatsanwältin - also zur Dienstvorgesetzten der Berliner Staatsanwälte, aller Staatsanwälte, die selbst nur der Aufsicht des Justizsenators unterliegt. Eine Beförderung, die der in Berlin auf Landesebene oppositionellen CDU nach "mehr als ein Gschmäckle" hat und nur möglich war, weil gegen Koppers trotz der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen sie kein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.

Staatsanwaltschaft widerspricht Geisels Vermerk

Dem Tagesspiegel zufolge könnte der Berliner Innensenator Andreas Geisel "bei der Entscheidung, gegen […] Koppers kein Disziplinarverfahren einzuleiten, möglicherweise die Gesetzes- und Vorschriftenlage umgangen haben". In einem der Zeitung vorliegenden und "von Geisel abgezeichneten Vermerk" heißt es nämlich, man könne nicht beurteilen, ob "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für ein Dienstvergehen vorliegen, dass die Staatsanwaltschaft Akten zurückhalte. "Das", so der Tagesspiegel, hat die Staatsanwaltschaft aber inzwischen dementiert und die Aussage in dem Vermerk als falsch zurückgewiesen".

Gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Landessender Sender RBB hatte ein Sprecher Geisels außerdem behauptet, dass gegen Geisel kein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, habe der vom Innensenator am 26. Februar 2018 vorzeitig in den Ruhestand versetzte ehemalige Polizeipräsident Klaus Kandt entschieden. Dem Tagesspiegel liegen jedoch Informationen vor, die nahe legen, dass Kandt diese Entscheidung "aus der Hand genommen" wurde. Für eine Stellungnahme gegenüber Telepolis war gestern weder Kandt noch Geisels Büro erreichbar.

Negativschlagzeilen

Erste Merkwürdigkeiten bei der Beförderung Koppers hatten sich bereits im November 2015 ergeben, als die Generalstaatsanwaltsstelle ausgeschrieben wurde: Damals war die Bewerberin bei angesetzten Auswahlterminen so lange krankgeschrieben, bis Behrendt die noch vom CDU-Justizsenator Thomas Heilmann eingesetzte Auswahlkommission vollständig ausgetauscht hatte. Danach war sie plötzlich wieder gesund und bekam die Stelle so überraschend, dass eine möglicherweise besser qualifizierte Bewerberin vor dem Verwaltungsgericht dagegen klagte.

Auch abseits der Schießgasaffäre hatte die aus Nordrhein-Westfalen stammende Juristin als Polizeipräsidentin Negativschlagzeilen gemacht - unter anderem durch ihr Projekt, die Polizeiakademie des Bundeslandes über eine deutliche Lockerung der Aufnahmevoraussetzungen für Personen mit Migrationshintergrund zu öffnen. Dabei könnte man dem Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) nach aus den Augen verloren haben, dass das Organisierte Verbrechen nicht nur in Mafiafilmen und -serien versucht, U-Boote in Sicherheitsbehörden unterzubringen. In einer gemeinsamen Presseerklärung stritten die Fraktionen der drei Berliner Regierungsparteien diese Problematik im letzten Jahr nicht ab, beklagten aber eine "Skandalisierung".

Nach der Ernennung Koppers zur Generalstaatsanwältin auf Probe machte dann die Berliner Staatsanwaltschaft Negativschlagzeilen - mit einer Hausdurchsuchung beim 72-jährigen Berliner Schriftsteller Hans-Joachim Lehmann, dem vorgeworfen wurde, Ungereimtheiten im Lebenslauf der sozialdemokratischen Berliner Senatssprecherin Claudia Sünder "in verhöhnender Art und Weise dargestellt" zu haben.

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