Berliner Koalition hat Solarausbau abgewürgt

Jährliche Abweichungen der Schneefläche auf der Nordhalbkugel von einem jeweiligen Referenzwert für die Monate Mai, Juni, Juli und August. Man sieht, dass seit etwa dem Beginn des neuen Jahrtausends die Schneeflächen in Mai und Juni deutlich kleiner werden. Die Schneeschmelze setzt also früher ein, so dass die Sonne während der länger werdenden Tag mehr Zeit hat, den Boden zu erwärmen. Bild: Rutgers University Global Snow Lab

Die Energie- und Klimawochenschau: Von tauendem Permafrost, Großbritanniens Abschied von der Kohle und Deutschlands Solar-Desaster

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Was kostet es eigentlich, die Hände in den Schoß zu legen und dem sich entfaltenden Klimawandel einfach zuzuschauen? 400 Milliarden US-Dollar (355 Milliarden Euro) meint Chris Hope von der Judge Business School der Cambridge University in Großbritannien.

Hope beschäftigt sich schon länger mit den ökonomischen Folgen des Klimawandels. Dafür hat er bisher vor allem die Folgen von Dürren, Unwettern und dem Anstieg des Meeresspiegels versucht zu quantifizieren. Kürzlich hat er nun gemeinsam mit Kevin Schaefer vom US-amerikanischen National Snow and Ice Data Center eine weitere Studie zum Thema im Fachblatt Nature Climate Change veröffentlicht.

Darin untersuchen die beiden die Folgen des Auftauens der Permafrostböden im hohen Norden und der dadurch freigesetzten zusätzlichen Treibhausgase. Die Arktis erwärmt sich bisher doppelt so schnell wie der ganze Planet im Durchschnitt. Dafür sorgen verschiedene positive Wechselwirkung. Zum Beispiel schwindet die Schneedecke im Frühjahr inzwischen deutlich früher, was die Albedo, das heißt, das Rückstrahlvermögen der Oberfläche vermindert. Der darunter liegende Boden ist dunkler und kann durch die Sonne erwärmt werden, was wiederum auch Auswirkungen auf die Lufttemperatur hat und den Schnee weiter schmelzen lässt.

Zusätzliche Treibhausgase

Hope und Schaefer haben nun die Ergebnisse anderer Wissenschaftler über den Rückzug des Permafrost, des dauerhaft gefrorenen Bodens in verschiedenen Szenarien hergenommen. Bei auch in den nächsten Jahrzehnten weiter anhaltend hohen Emissionen könnte über 80 Prozent der bisher noch dauerhaft gefrorenen Fläche in den oberen dreieinhalb Metern bis zum Ende des Jahrhunderts auftauen.

Das Problem: Im gefrorenen Boden befinden sich große Mengen bisher nicht verwesten organischen Materials. Taut dies auf, entstehen die Treibhausgase Methan und Kohlendioxid. Hier setzen die beiden Autoren an. Sie schätzen die Menge freigesetzter Emissionen ab und berechnen mit Hilfe von Klima- sowie ökonomischen Modellen, welche Schäden durch diese zusätzlichen Treibhausgase entstehen können.

Das Ergebnis: Wird in den nächsten Jahrzehnten weitgehend auf Klimaschutzmaßnahmen und die drastische Reduktion der Treibhausgase verzichtet, dann werden durch die vom Verlust des Permafrost verursachten Emissionen zusätzliche Kosten in Höhe von etwas mehr als 40 Billionen US-Dollar zu heutigen Preisen entstehen. Das wäre ein gutes Zehntel der Gesamtkosten, die durch den Klimawandel entstehen können.

Dagegen nehmen sich die Kosten für den Umbau der Energieversorgung, die angesichts der Endlichkeit fossiler Brennstoffe ohnehin unvermeidlich ist, eher bescheiden aus. Zumindest, sofern es sich um zusätzliche Kosten für die Umstellung handelt. Ansonsten stehen in diesem Sektor weltweit in den nächsten Jahrzehnten Ersatz und Neuinvestitionen in Höhe einiger Dutzend Billionen Euro an. Da könnten man also gleich aufs richtige Pferd setzen, anstatt noch viel Geld in Technologie von gestern zu stecken.

In diesem Zusammenhang ist interessant, was der Journalist Harald Schumann, bekannt unter anderem durch seine aufklärerische Arbeit in Sachen Banken-Crash (ca. ab 6:20), im Berliner Tagesspiegel schreibt. Er glaubt an den Kapitalmärkten steht eine Abkehr von Unternehmen bevor, die ihr Geschäft direkt oder indirekt mit fossilen Brennstoffen machen. Der Absturz der VW-Aktie, die seit ihrem Höchststand im März über 60 Prozent ihres Wertes eingebüßt hat, sei nur der Vorbote.

Abschied von der Kohle

Mehrere hundert Stiftungen und Fonds hätten sich bereits die Ziele der sogenannten De-Karbonisierungskampagne zu eigen gemacht. In den USA und anderen Industrieländern werben Aktivisten seit einigen Jahren dafür, dass Unis und Stiftungen mit sozialem Anspruch ihre Anteile an den Energie- und Autokonzernen abstoßen. Bisher hätten jedoch die Verkäufe wenig Auswirkungen auf die Aktienkurse.

Doch das könne sich vielleicht schon bald ändern. Nun habe kein geringerer als der Chef der Bank of England Mark Carney bei einem Dinner der britischen Versicherungen vor Investitionen in Kohle und Erdöl gewarnt. Die britische Versicherungsbranche, so Schumann, verwalte immerhin 2,5 Billionen Euro. Wenn die also auf Carneys Warnungen hören sollte, käme etwas in Bewegung. In Mai hatte bereits der norwegische Staatsfonds, mit einem Vermögen von etwas über 800 Milliarden Euro bisher einer der ganz großen globalen Akteure bei der Finanzierung von Kohlebergbau, seinen Rückzug aus dem Klimaschädlichen Geschäft angekündigt.

Die Norweger halten unter anderem auch Aktien des deutschen Konzerns RWE, der unter anderem stark in der Braunkohle engagiert ist. Mit der lässt sich zwar noch Geld verdienen, aber insgesamt ist der Konzern reichlich angeschlagen. Unter anderem hat er dies Verlustgeschäften mit in den westlichen Nachbarländern aufgekauften alten Gas- und Kohlekraftwerken. Seit dem Sommer letzten Jahres hat die RWE-Aktie rund zwei Drittel Ihres Wertes eingebüßt.

Viel Wind

Doch trotz dieser Schwachbrüstigkeit ist der Einfluss RWEs und E.ons, des anderen großen deutschen und ebenfalls schwächelnden Energiekonzerns, noch immer groß genug um selbst für die meisten altersschwachen und besonders ineffektiven Kohlekraftwerke noch eine Art Bestandsschutz von der Bundesregierung zu bekommen, wie mehrfach berichtet (Neue Kohlesubventionen?).

Ganz anders wird das bei den ansonsten nicht gerade klimapolitisch engagierten britischen Torries gehandhabt. Deren Minister planen, bis 2023 alle Kohlekraftwerke stillzulegen, berichtet die britische Times. Dabei handelt es sich offenbar um Selbstverpflichtungen im Vorfeld der diesjährigen UN-Klimakonferenz, die im Spätherbst in Paris stattfinden wird.

Für Deutschland wäre 2023 sicherlich ein zu ehrgeiziges Ziel, aber bis 2030 könnte es sicherlich was werden, wenn es denn politisch gewollt wäre. Immerhin lieferten die erneuerbaren Energieträger in den ersten neun Monaten des Jahres bereits knapp 35 Prozent der deutschen Nettostromproduktion. Angesichts der mal wieder rekordverdächtigten Netto-Exportzahlen von 40,3 Milliarden Kilowattstunden, deckten die Erneuerbaren schon fast 40 Prozent des Inlandbedarfs.

Zu verdanken war der weitere Anstieg ihres Anteils in diesem Jahr vor allem der Windenergie. Schon Ende September hatte die Windstromproduktion das Vorjahresniveau übertroffen, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft berichtet. Der Ausbau der Solarenergie und der Biomassenutzung ist hingegen inzwischen dramatisch eingebrochen, eine Folge der letzten Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.