Betreff: Onkel Ratz und andere kleine Unannehmlichkeiten

Schwule Priester dürfen nicht chatten

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Wenn Religion und schwule Kultur aufeinandertreffen, mischt meist der heilige Sebastian mit - obwohl die christliche Ikonographie ganze Horden halbnackter, attraktiver Schutzheiliger anbietet. Der hl. Sebastian wurde auf Befehl des römischen Kaisers Diokletian von numidischen Bogenschützen mit Pfeilen erschossen, weil er seinem Glauben an Christus treu blieb. Weil sie in einem Internet-Chatroom über ihre Homosexualität sprachen, werden jetzt 53 katholische Geistliche, die sich St. Sebastian's Angels nannten, von den Pfeilen der US-amerikanischen Presse beschossen.

2357 Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie (Homosexualität) als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10.], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, "daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind" (CDF, Erkl. "Persona humana" 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.

Aus dem katholischen Katechismus

Die südafrikanische Zeitung Cape Argus berichtet, dass die Webseite von einem schwulen Priester aus Maine gegründet und 2000 aus dem Netz entfernt wurde, nachdem sie von der orthodoxen Gruppe Roman Catholic Faithful aufgestöbert und denunziert worden war. Ein Mitarbeiter von Roman Catholic Faithful war dem Chat Room undercover beigetreten und hatte täglich den Emailverkehr kopiert. Wer keinen vollen Namen oder ein Pseudonym benutzt hatte, wurde über seine E-Mail Adresse identifiziert.

Die Jungs von Roman Catholic Faithful haben ganze Arbeit geleistet und die duplizierten Seiten ins Netz gestellt. Dabei sparen sie nicht mit strafenden Worten. Die Dunkelheit, so palavert einer auf der Startseite, müsse ans Licht gezogen werden, auch wenn sie so schockierend und abstoßend sei wie dieser Chatroom. Der körperliche Ausdruck homosexueller Lust sei eine ernste Sünde und eine inakzeptable moralische Verfehlung. Wohlgemerkt bezieht sich dies nicht nur auf den geistlichen Stand.

Zwei Mitglieder des Chatrooms stehen besonders unter Beschuss. Roman Catholic Faithful fordert die sofortige Amtsenthebung von Reginald Cawcutt, Hilfsbischof und zweitmächtigster Mann in der Erzdiözese von Cape Town, Südafrika. Er soll dem Papst den Tod gewünscht haben und darüberhinaus seinen Brüdern Pornos beschafft.

Wie schlimm war die Webseite des "Priesterrings" denn nun wirklich? Es ist schon ein wenig ungewöhnlich, dass katholische Priester auf einer Webseite einen ejakulierenden Penis sowie männliche Genitalien in einem schottischen Kilt (von unten fotografiert) zeigen. Die Texte jedoch sind getragen von einem rührendem Kampf, homosexuelle Veranlagung und die Liebe zur Kirche irgendwie zu vereinbaren. Freundschaft, gegenseitiger Trost und Hoffnung auf humanere Verhältnisse prägen die Stimmen. Und Reg, Reginald Cawcutt (wieso haben die Bluthunde von Roman Catholic Faithful eigentlich manche Namen gelöscht und manche, so wie seinen, rot hervorgehoben?) war für die meisten ein großes Vorbild und ein humorvoller Ratgeber. Er verteidigt sich, Sebastian's Angels sei eine Selbsthilfegruppe für schwule Priester gewesen, die das Zölibat akzeptierten, auch wenn es für sie manchmal schwer gewesen sei. Private E-Mails seien von einem Hacker ans Licht gezogen und im Copy-und-Paste-Verfahren verfälscht worden. Der ejakulierende Penis sei vom Webmaster eigenmächtig auf die Seite gestellt und nach kürzester Zeit wieder entfernt worden.

Es geht mir einfach darum die Frage zu stellen, was er (Ratzinger) mit den Priestern, Bischöfen (wie ich möglicherweise) und Kardinälen tun will, die schwul sind.

Bischof Reginald Cawcutt

Kann man es den Priestern verübeln, dass Kardinal Ratzinger, oberster Glaubenshüter des Papstes, der homosexuelle Beziehungen, Masturbation und Abtreibung als "objektiv schwerwiegende Akte" brandmarkt und in der Diskussion um die Zulassung von homosexuellen Priestern eine gelinde gesagt ablehnende Haltung einnimmt, in den Mails nicht so gut wegkommt? Dass sie ihn - nicht gerade super-pietätvoll - "Onkel Ratz" bzw. den "Führer Oberst Ratzinger" tauften? Nein. Was Sebastians Angel's wahrscheinlich nicht wussten: Ein Pfarrer namens Willibald Glas aus Sauerlach fordert eine Untersuchung gegen Onkel Ratz himself:

In jener Zeit wurde in der ganzen Priesterschaft offen über die Homosexualität des Kardinals geredet. Es wurde immer wieder der Name eines Priesters genannt, dem homosexuelle Beziehungen mit Kardinal Ratzinger nachgesagt wurden.

Du machst die Arbeit Gottes und genau deshalb wirst du geschlagen und gekreuzigt werden und wir mit Dir- aber wir werden wieder auferstehen!!! Der Friede des Herrn sei mit Dir!!!

Diese Mail bekam Reg von Pfarrer Cliff Garner aus Dallas, dessen im Chatroom bekundete Vorliebe für Latinos in den konservativen US-amerikanischen Medien zu einer hysterischen Entrüstungswelle geführt hat. Keine Spur von Diskretion oder Achtung der Menschenwürde. Garner wirft der RCF eine schwere Verletzung von Ethik und Moral vor: "Ihr seid in sterblicher Sünde, wenn ihr diese Webseite weiterhin verurteilt und ausbeutet."

Eine Rolle in dem ganzen Spektakel spielt auch Bischof Joseph A. Galante, der laut Washington Times nichts gegen die "skandalöse" Webseite unternommen habe, obwohl er seit drei Jahren davon wusste. Galante ist Mitglied des Ad Hoc Commitee on Sexual Abuse und war einer der Sprecher auf der Bischofskonferenz, die Mitte Juni neue Regeln zur Handhabung von sexuellem Missbrauch beschlossen hat. Nach diesen Regeln soll, egal wie lange die Tat zurückliegt, Missbrauch von Minderjährigen mit sofortigem Ausschluss geahndet werden.

Hier handelt es sich jedoch nur um eine Selbstverpflichtung, kein Kirchengesetz. Mit Rücksicht auf das Sakrament der Weihe werden die überführten Triebtäter jedoch den Status des Priesters behalten. Mit echt katholischer Unverschämtheit argumentierten manche, die Kirche sei keine Aktiengesellschaft, deren Vorstandsvorsitzende einfach zurücktreten könnten. Tragisch langsam und zaghaft kamen die Beschlüsse nach Jahren des Versetzens und des Vertuschens mithilfe von Milliarden Dollar Schweigegeld. Die Inkriminierung der Öffentlichkeit durch menschenverachtende Sittengesetze wird noch übertroffen durch die Unmenschlichkeit gegenüber den Opfern der Kinderficker-Priester.

Ein neues Gesetz sieht vor, dass die örtliche Polizei Einwohner ab sofort warnen muss, wenn eine katholische Kirche in der Nähe aufmacht.Satirewire.com

Wer übrigens diesbezüglich Spaß am Bischof-Bashing hat, findet hier ein Ranking der schlimmsten Bischöfe, der worst bishops, jene, die laut beliefnet.com besonders wenig zur Aufklärung beigetragen haben. Die katholische Kirche präsentiert eine Groteske nach der anderen. Dass sie groß ist in Erkenntnisverweigerung, hat sie oft genug bewiesen. Im Trubel der Enthüllungen um sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche veranstaltet die katholische Öffentlichkeit nun eine Hexenjagd auf schwule Priester. Dass Homosexualität nichts mit sexuellem Missbrauch zu tun hat, ist dabei vollkommen egal. Die schwulen Priester werden mit den Sex-Abuse Fällen in einen Topf geworfen und hochgekocht. Das Lieblingsschimpfwort: Hypocrisy, die Hintergrundmelodie: Sex ist böse.

"The Wisdom of Bishop Cawcutt" übertitelt der Seattle Catholic sein Pamphlet, wo dem Bischof unter anderem vorgeworfen wird, dass er für den Gebrauch von Kondomen plädiere, um AIDS in Afrika vorzubeugen. Kondome! Teufelswerkzeug! Wenn die Schätzungen stimmen, dass 20-25 Prozent aller Priester homosexuell sind, ist es besonders blöd, dass die katholische Kirche versucht, sich von der "homosexuellen Subkultur" zu befreien. Aber selbst wenn es nur ein Prozent wäre (geschätzte zwei Prozent sind übrigens pädophil veranlagt), ein schwuler Priester ist doch eine vollkommen unpeinliche Erscheinung. Findet das traditionelle Frühjahrstreffen eines Katholischen Männervereins nicht ohnehin schon in Tuntenhausen statt? In der Schweiz haben die Firmlinge dieses Jahres haben bereits über 700 Unterschriften für ihren Pfarrer gesammelt, der seine Gemeinde informiert hat, dass er einen Mann liebe. Doch das kratzt Onkel Ratz nicht. Die Amtsenthebung wird nicht zu verhindern sein. Wirke im Verborgenen, aber glaube nicht, dass du der Katechismus-Watsche entgeht, wenn du dich ans Licht wagst. "In jedem Fall hütet euch wie vor einer Todsünde davor, die kleinste Wahrheit zu sagen." (Stendhal)

In der Maiausgabe der Monatszeitschrift Konkret hat der große Horst Tomayer mal wieder die einzig richtigen Worte gefunden. Hier ist ein Auszug aus seinem Gedicht Religion? Ah, gäh weida (Ein Lesevortrag für Hörer)

Drei Dinge braucht Weans Wäschermadl A Wäsch A Wossa und Persü Aber eine Religion die braucht es gewiß nicht Weil die hilft beim Waschen net vü

Religion ist grad so goutabel Wie Herpeskutteln in Tran Respektive das Zelten auf der Überholspur der Geisterbahn

Was der Mensch braucht ist keine Religion nicht Mit Gott und Messias und Profet Was der Mensch braucht ist eine Eisenbahn Die wo pünktlich fährt statt mit Verspät

Was der Mensch braucht sind niedrigere Preise Gekoppelt an höheren Lohn Und keine metaphysische Meise A la Religion